Die Kriege Israels:
Milhamoth Jisrael
Jom-Kipur-Krieg 1973
Am 6. Oktober 1973, am Jom Kippur (Versöhnungstag,
höchster Feiertag des jüdischen Jahres), starteten Ägypten am Suezkanal und
Syrien auf den Golanhöhen einen koordinierten Überraschungsangriff gegen
Israel. Der Jom-Kippur-Krieg dauerte drei Wochen.
Trotz der Anfangserfolge der arabischen Armeen konnten die
israelischen Streitkräfte in erbitterten Kämpfen die Oberhand gewinnen und
über den Suezkanal nach Ägypten und im Norden bis 32km vor Damaskus
vorstoßen. Durch Vermittlung des damaligen US-Außenministers Henry Kissinger
schlossen Israel und Ägypten 1974 und 1975 zwei
Truppenentflechtungs-Abkommen, die einen Teilrückzug Israels von der
Sinaihalbinsel vorsahen. Kissinger vermittelte auch ein syrisch-israelisches
Abkommen über eine Truppenentflechtung an der Golanfront. Mit dieser
politischen Initiative der USA war zugleich eine Stärkung ihrer Position in
der Nahostregion – auch im arabischen Lager – verbunden. Kissinger gelang
es, durch seine Vermittlung, den immer noch großen Einfluß der Sowjetunion
im arabischen Raum zurückzudrängen.
Der Oktoberkrieg von 1973 dokumentierte, besonders in der
zu Beginn der Kämpfe für Israel kritischen Situation, erneut den
Selbstbehauptungswillen des jüdischen Staates, zeigte andererseits Israel
aber auch die Grenzen seiner militärischen Macht auf. Der Ausgang des
vierten Nahost-Krieges ebnete den Weg für eine Neuorientierung nahöstlicher
Politik. Dies galt besonders für Israels Schutzmacht, die USA, die
einerseits Israel zu einer flexibleren Haltung gegenüber den Arabern
drängten, andererseits aber auch gemäßigte arabische Staaten wie Ägypten und
Jordanien von der Notwendigkeit einer Anerkennung Israels überzeugten.
UN-Resolutionen
Nr.
242 vom 22.11.1967
Der Sicherheitsrat gibt seiner andauernden
Beunruhigung über die ernste Lage im Nahen Osten Ausdruck und
unterstreicht, daß es nicht angeht, Territorium durch Krieg zu
erobern, und daß es nötig ist, für einen gerechten und dauernden
Frieden zu wirken, der es jedem Staat der Region erlaubt, in
Sicherheit zu leben. […]
- Er bekräftigt, daß die Einhaltung der Prinzipien
der Charta es erfordert, daß ein gerechter und dauerhafter Frieden
im Nahen Osten errichtet wird, welcher die Anwendung der beiden
folgenden Prinzipien umfassen sollte:
a) Rückzug israelischer Streitkräfte aus während des jüngsten
Konfliktes besetzten Gebieten,
b) Einstellung jeglicher kriegerischer Erklärung oder jeglichen
kriegerischen Zustandes sowie Respektierung und Anerkennung
der Souveränität, der territorialen Integrität und der politischen
Unabhängigkeit jeglichen Staates der Region und dessen Recht, in
Frieden innerhalb sicherer und anerkannter Grenzen frei von
Drohungen oder Gewaltakten zu leben.
- Er stellt im weiteren die Notwendigkeit fest:
a) die freie Schiffahrt auf den internationalen Wasserstraßen der
Region zu garantieren,
b) eine gerechte Regelung des Flüchtlingsproblems zu
verwirklichen,
c) die territoriale Unverletzlichkeit und politische
Unabhängigkeit jedes Staates der Region durch Maßnahmen zu
garantieren, welche die Schaffung entmilitarisierter Zonen umfassen.
Nr. 338
vom 22. 10. 1973
[…] Der Sicherheitsrat
- fordert alle an den augenblicklichen Kämpfen
beteiligten Parteien auf, das Feuer und alle militärischen
Aktivitäten sofort einzustellen, jedoch nicht später als 12 Stunden
nach dem Moment der Annahme dieser Entscheidung, in den Positionen,
die sie jetzt halten
- fordert alle betroffenen Parteien auf,
unverzüglich nach der Waffenruhe mit der Befolgung der
Sicherheitsresolution 242 in allen Teilen zu beginnen,
- beschließt, daß unverzüglich und im Gleichlauf
mit der Feuereinstellung Verhandlungen zwischen den betroffenen
Parteien unter einer angemessenen Schirmherrschaft mit dem Ziel
eines gerechten und dauerhaften Friedens im Nahen Osten beginnen.
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Innenpolitische
Folgen
Trotz des für Israel erfolgreichen Endes des
Jom-Kippur-Krieges wurden die Überraschungsangriffe Syriens und Ägyptens und
ihre anfänglichen Erfolge zu einem wahren Trauma für das ganze Land. Seit
1973 war Israels Militär starker öffentlicher Kritik ausgesetzt.
Abb.:
Ein verwundeter Soldat im Krankenhaus von Tel ha-Schomer gibt am 31.12.1973,
knapp zwei Monate nach Ende des Jom-Kippur Krieges, seine Stimme ab.
Quelle:
Eretz Israel
Mordecai Naor
Die von den bitteren Kämpfen an der Golan und Sinaifront
zurückkehrenden Reservisten bildeten die ersten politischen
Protestbewegungen, die die Führungsautorität von Golda Meir und Mosche Dayan
offen kritisierten und bezweifelten. Bei den Knesset-Wahlen, die wegen des
Krieges von Oktober auf den 31. Dezember verschoben wurden, konnte sich die
Arbeitspartei zwar noch behaupten. Doch bereits vier Monate später geriet
das Land in eine innenpolitische Krise.
Abb.:
Golda Meir bei den Wahlen zur achten Knesset. Sie wird wieder gewählt, muß
aber wenige Monate später zurücktreten.
Quelle:
Eretz Israel
Mordecai Naor
Als im April 1974 die gerichtliche
Untersuchungskommission über die Ursachen des JomKippur Krieges den
Rücktritt des Generalstabschefs David Elasar und einer Reihe hoher Generäle
verlangte, entschloß sich Ministerpräsidentin Golda Meir
zurückzutreten, was auch automatisch den Rücktritt des ganzen Kabinetts
bedeutete. In einer knappen Wahl des Zentralkomitees der Arbeitspartei wurde
Jitzchak Rabin zu ihrem Nachfolger gewählt. Sein Rivale Schimon Peres wurde
Verteidigungsminister. Die jüngere Generation der Arbeitspartei war jetzt an
der Macht. Doch interne Parteikrisen und öffentliche Skandale führten zum
Wahlverlust im Mai 1977, nachdem die Arbeitspartei und ihre Vorgänger 30
Jahre an der Macht gewesen waren.
Nach der Knesset-Wahl im Mai 1977 löste der
nationalkonservative Likud-Block die Arbeitspartei ab. Ministerpräsident
wurde Menachem Begin, der ehemalige Kommandeur der militanten Ezel und
Gründer der Cherut-(Freiheits)-Partei. Er bildete eine Koalition aus dem
Likud-Block und der nationalreligiösen Partei, der sich später die orthodoxe
Partei Agudat Israel und die neugegründete Liberale Demokratische Bewegung
für Veränderung anschlossen.
Begin bekräftigte Israels Entschlossenheit, auf einen dauerhaften Frieden in
der Region hinzuarbeiten, mit seinem sensationellen Entschluß, Mosche Dayan
von der Arbeitspartei als seinen Außenminister zu ernennen. Dayans Bedingung
für seinen Eintritt ins Kabinett war, eine wirkungsvolle Friedensinitiative
unternehmen zu können. Er wollte unbedingt einen Durchbruch auf dem Weg zu
einem Nahost Frieden erreichen, was auch sein durch den Jom-Kippur-Krieg
angeschlagenes Image verbessert hätte. Sein Treffen mit König Hussein von
Jordanien in London bewies, daß der jordanische Monarch nicht der erste
arabische Herrscher sein konnte, der mit Israel Frieden schließen würde.
Berichte, daß Ägyptens Staatspräsident Anwar al Sadat
bereits vor den Mai-Wahlen (1977) sein Interesse an einem möglichen
Friedensabkommen mit Israel bekundete, führten zu geheimen Begegnungen
Dayans mit Ägyptens Vize-Premierminister al Tehami in Marokko im Oktober
1977.
Frieden mit Ägypten
Der historische Besuch Sadats in Jerusalem im November
1977 und seine Rede vor der Knesset
durchbrachen die bis dahin geltende arabische Ablehnungsfront gegenüber
Israel. Als erstes arabisches Land erkannte Ägypten die Existenz Israels an.
Muhammad Anwar al-Sadat
25.12.1918 - 06.10.1981
In 1977 he made the dramatic gesture of flying to
Jerusalem to initiate negotiations. (Hear
President Sadat's speech at the Knesset, 20.11.1977, ra, 69kb). His
efforts culminated (26.03.1979) in a historic Egyptian-Israeli peace
treaty. However, the rapprochement with Israel and Sadat's pro-western
policies isolated Egypt in the Arab world, and generated some opposition
at home.
After a period of some liberalization Sadat
cracked down on his opponents, arresting about 1.600 religious
(primarily Islamic fundamentalist) and secular dissidents in September
1981. A month later, he was assassinated during a military parade by
several gunmen associated with a militant Muslim fundamentalist group. |
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Dieser Durchbruch setzte einen
komplizierten Verhandlungsprozeß in Gang. Durch Vermittlung des damaligen
amerikanischen Präsidenten Jimmy Carter kam es im September 1978 in Camp
David zu einem Rahmenabkommen für den Frieden zwischen Israel und Ägypten.
Beide Seiten riefen die übrigen arabischen Nachbarn zu einem ähnlichen
Verhandlungsprozeß auf. Darüber hinaus enthielt das Abkommen detaillierte
Vorschläge für Verhandlungen über den Status der seit 1967 von Israel
besetzten Gebiete, Westjordanland und Gazastreifen, und eine beschränkte
Autonomie ihrer Bewohner. Die Vorzeichen für ein Abkommen mit Ägypten waren
zu diesem Zeitpunkt u.a. deshalb so günstig, weil der israelische
Geheimdienst Mossad im Sommer 1977 eine Verschwörung des libyschen
Staatschefs Ghaddafi gegen Sadat aufgedeckt und den ägyptischen Präsidenten
davon direkt unterrichtet hatte.
Sadat und Begin verfolgten in ihrer Politik ein
gemeinsames Ziel: Ein Friedensabkommen ohne die PLO. Sadat ging es dabei vor
allem um den Sinai. Erst nach Rückgabe dieser Halbinsel wollte er die
Palästinenserfrage angehen, die wesentlich schwerer zu lösen war. Ein
weiteres wesentliches Argument Sadats für den Separatfrieden war die
Aussicht auf ein besseres Verhältnis zu den USA, dem Hauptpartner Israels.
Von den Amerikanern erhoffte der ägyptische Präsident wirtschaftliche
Unterstützung und moderne Waffen, zumal die bisher an Ägypten gelieferten
sowjetrussischen Luftabwehrraketen sich im JomKippurKrieg gegenüber den
amerikanischen Systemen auf israelischer Seite als deutlich unterlegen
erwiesen hatten.
Begins Intention war, endlich von einem arabischen Staat
anerkannt zu werden. Der Frieden mit Ägypten erleichterte außerdem die
Fortsetzung der Besiedlung des Westjordanlandes durch Juden. Der zweiseitige
Frieden zwischen Israel und Ägypten sollte sich in seiner Dimension
langfristig als bahnbrechend erweisen.
Ägyptisch-Israelischer Friedensvertrag
26. 3. 1979 (Auszüge)
[…]
Artikel I: Der Kriegszustand wird beendet und
Frieden begründet sobald der Vertrag ratifiziert ist. […]
Artikel III/a: Die vertragsschließenden Parteien
erkennen an und respektieren gegenseitig ihre Souveränität,
territoriale Integrität und politische Unabhängigkeit. […]
Anhang I, Artikel I/1: Israel wird spätestens drei
Jahre nach der Ratifizierung dieses Vertrages alle seine Truppen und
Zivilisten aus dem Sinai zurückziehen. […]
Anhang III, Artikel 1 bis 3 sehen die Errichtung
diplomatischer, konsularischer, wirtschaftlicher und kultureller
Beziehungen vor.
Artikel 4 regelt die Freiheit des freien Verkehrs von Personen und
Kraftfahrzeugen. […]
- Ägypten und Israel stimmen darin überein, daß
eine friedliche und geordnete Übergabe der exekutiven Vollmachten
("authority ") […] Übergangsregelungen erfordert […], die nicht
länger als fünf Jahre dauern sollten. Um den Bewohnern volle
Autonomie gewähren zu können, wird die Israelische Militärregierung
und zivile Verwaltung zurückgezogen werden, sobald die von den
Einwohnern durch freie Wahlen bestimmte Körperschaft der
Selbstverwaltung zusammentritt, um die israelische Militärregierung
zu ersetzen […] Die Regierung Jordaniens wird aufgefordert, an den
Verhandlungen ebenfalls teilzunehmen.
- Ägypten, Israel und Jordanien werden sich über
die Regelungen in bezug auf die Errichtung der gewählten
Körperschaft der Selbstverwaltung für das Westjordanland und Gasa
verständigen. Den ägyptischen und jordanischen Delegationen können
auch Palästinenser aus dem Westjordanland und Gasa angehören, über
die man sich geeinigt hat. […]
B. Ägypten-Israel
- Ägypten und Israel kommen überein, bei der Lösung
von Streitfragen keine Gewalt anzuwenden.
- Um Frieden zwischen ihnen herzustellen, werden
die Vertragspartner […] über einen Friedensvertrag verhandeln.
C. Ergänzende Grundsätze
- Ägypten und Israel stellen fest, daß die
erwähnten Grundsätze und Regelungen auch in bezug auf
Friedensverträge zwischen Israel und allen seinen Nachbarn angewandt
werden sollten – Ägypten, Jordanien, Syrien und Libanon.
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Das Konzept: Land für Frieden
Erstmals hatte Israel nach dem Rezept "Land für Frieden"
einen Friedensvertrag und volle diplomatische Anerkennung durch ein
arabisches Nachbarland bekommen. Nach der vorherrschenden öffentlichen
Meinung in Israel konnte nur ein nationalkonservativer Politiker wie
Menachem Begin es wagen, dem einstigen Erzfeind Ägypten die Hand zur
Versöhnung zu reichen. Der mutige Schritt Anwar al Sadats, der dafür mit
seinem Leben bezahlte (er wurde 1981 von islamischen Fundamentalisten
ermordet), kam zu frühzeitig für die arabische Welt, die viele Jahre Ägypten
aus ihrer Mitte verbannte und den Sitz der Arabischen Liga nach Tunis
verlegte. Erst in den 90er Jahren kehrte die Arabische Liga nach Kairo
zurück und akzeptierte den Staat Israel als feste politische Größe im
Verbund der nahöstlichen Staaten. Am 26. März 1979 unterzeichneten Begin und
Sadat vor dem Weißen Haus in Washington den formellen Friedensvertrag, der
den 30jährigen Kriegszustand zwischen ihren beiden Ländern beendete. Im
Gegensatz zu der Reaktion in den meisten arabischen Staaten stieß das
Friedensabkommen in Israel auf breite Zustimmung, obwohl sich Israel in
diesem Abkommen zur Rückgabe der SinaiHalbinsel an Ägypten bis zum April
1982 verpflichtete.
Siehe auch:
30 Jahre zurück:
Das Jahr 1973
Im Mai 1973 begeht Israel sein 25jähriges Bestehen in
optimistischer Stimmung...
Warnungen im Oktober 1973:
"Die Kriegsgefahr ist minimal"
1973 fühlt sich Israel nahezu als Großmacht. Die Israelis
herrschen vom Hermon im Norden bis Scharm el-Scheich im Süden. Israels Armee
ist derart Respekt einflößend, daß es an der ägyptischen Grenze seit mehr
als drei Jahren ruhig ist. Selbst Syrien stellt kaum noch eine Bedrohung
dar...
Vom 6. bis 24.10. 1973:
Der Jom-Kippur-Krieg
Mehr als 2500 israelische Soldaten fallen, 7500 werden
verletzt und 300 geraten in Gefangenschaft...
Zum 30. Jahrestag des Yom-Kippur-Krieges:
Siggy's
Leben in einem syrischen Gefängnis
Als junger Rekrut wurde Efraim Singer während des Yom-Kippur-Krieges in
einem israelischen Armeeposten am Berg Hermon gefangen genommen. Zum ersten
Mal spricht der Soldat, dessen Spitzname Siggy lautet, öffentlich über seine
damaligen Erlebnisse...
Israels Beziehungen zu Ägypten:
25 Jahre Friedensabkommen
Am 26. März 1979 unterzeichneten Israel und Ägypten einen Friedensvertrag,
der einen 30-jährigen Kriegszustand mit fünf blutigen Kriegen beendete...
Die Kriege Israels:
Milhamoth Jisrael
hagalil.com / 05-10-2003 |