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Das zionistische Ghetto verlassen

Deutsche Ausgabe: [BESTELLEN?]

Einer der angesehensten israelischen Publizisten, Ari Shavit, berühmt für seine Interviews, im Gespräch mit Avraham Burg, der bereits als Vorsitzender des Präsidiums der "Jewish Agency" und der zionistischen Weltorganisation, als stellvertretender Vorsitzender des jüdischen Weltkongresses, als Vorsitzender des israelischen Parlaments, der Kneseth, und für einige Wochen sogar als kommissarischer Präsident des Staates Israel amtierte. Anlass für das Interview war das Erscheinen von Burgs Buch "Lenazeach et Hitler" (Hitler besiegen).

Teil 3 (von 4):
UNIVERSALISMUS UND EXIL

In Wahrheit bist du unübersehbar Europa zentriert. Zwar lebst du in Nataf, bist aber ganz und gar "Brüssel". Der Prophet von Brüssel.

"Vollkommen. Vollkommen. Ich sehe die Europäische Union als eine biblische Utopie. Wie lange sie so zusammen bleibt, weiß ich nicht, aber sie erstaunt mich. Sie ist so vollkommen jüdisch."

Und diese Bewunderung, die du gegenüber Europa zeigst, ist kein Zufall. Eines der fesselnden Aspekte deines Buches ist nämlich, dass sich der Sabra Avrum Burg von seiner Sabra-Identität abwendet [Sabra - im Land Israel geborener Jude, eigentlich "Feigenkaktus" – "Tzabar", vergleichbar mit "Kiwi" – für "Neuseeländer" Anm. D. Ü.] und eine sehr tiefe Verbindung mit einer Art Jecken-[eine Bezugnahme auf Juden deutschen Ursprungs] Romantik eingeht. Das zionistische Israel wird nun im Buch als vulgärer Feudalherr transportiert, während das deutsche Judentum als Ideal und Musterknabe abschneidet.

"Ihr Denken geht in Richtung Spaltung, Ari, meines schließt Dinge mit ein. Was Sie abschneiden, halte ich zusammen. Also sage ich nicht, dass ich der Sabra-Identität den Rücken zukehre, sondern, dass ich mich in eine andere Richtung drehe. Und das ist wahr. Vollkommen wahr."

Mit dieser Art von Romantik habe ich ein Hühnchen zu rupfen. Du beschreibst eintausend wunderbare Jahre deutschen Judentums. Im Großen und Ganzen siehst du das deutsche Judentum als ein Modell. Aber es endet in Auschwitz, Avrum. Es führt nach Auschwitz. Deine Jecken-Romantik ist nachvollziehbar und ansprechend, aber es ist eine Lüge.

"Gibt es denn eine gut begründete Romantik? Ist denn deine Israeli-Romantik begründet?"

Mein israelisches Selbstverständnis ist nicht romantisch. Im Gegenteil: Es ist grausam. Es kommt vom Verständnis der Notwendigkeit. Und du verzerrst die Notwendigkeit. Auf emotionaler Ebene ziehst du den Umzug von Dresden nach Manhattan der Auseinandersetzung mit dem jüdischen-israelischen Schicksal vor.

"Wir akzeptieren es nicht gern - aber die Existenz der Diaspora datiert von den Anfängen unserer Geschichte her. Abraham entdeckt Gott außerhalb der Landesgrenzen. Jakob führt Stämme über die Grenzen hinaus. Die Stämme werden ein Volk außerhalb der Grenzen. Die Tora wird außerhalb der Grenzen verliehen. Als Israelis und Zionisten ignorierten wir dies komplett. Wir weisen die Diaspora zurück. Aber mein Standpunkt ist, dass genau wie das deutsche Judentum etwas Erstaunliches - auch in Amerika - repräsentierte, genau so schuf es das Potenzial für etwas Außergewöhnliches. Es schuf eine Situation, in der ein Goi [Nichtjude, Anm. d. Ü.] mein Vater, meine Mutter, mein Sohn und mein Partner sein kann. Der Goi dort ist nicht feindlich sondern akzeptierend. Und als Resultat zeichnet sich eine jüdische Erfahrung der Integration - nicht der Trennung ab. Nicht der Segregation. Ich finde, dass es an diesen Dingen hier mangelt. Hier ist der Goi, was er im Ghetto war: auf Konfrontationskurs und feindlich."

Du trägst wirklich tiefe anti-zionistische Muster in dir. Emotional bist du auf gleicher Ebene mit dem deutschen und amerikanischen Judentum. Es stimuliert dich, es ist prickelnd. Und im Vergleich findest du die zionistische Option ungehobelt und in spiritueller Hinsicht karg, eine Option die weder Herz noch Seele erweitert.

"Ja, Ja. Die israelische Wirklichkeit ist nicht stimulierend. Leute werden es nicht zugeben, aber Israel ist an einer Wand angelangt. Frag deine Freunde, ob sie sicher sind, dass ihre Kinder hier leben werden. Wie viele werden 'ja' sagen? Maximal 50 Prozent. Anders gesagt, die Israeli Elite hat diesen Ort bereits verlassen. Und ohne eine Elite gibt es keine Nation."

Deine Aussage ist, dass wir hier ersticken, weil das Leben geistlos ist.

"Total. Wir sind bereits tot. Wir haben's noch nicht in den Nachrichten gehört, aber dennoch – wir sind tot. Es funktioniert nicht mehr. Es geht nicht."

Und du siehst im amerikanischen Judentum die spirituelle Dimension und das kulturelle Ferment, das du hier nicht findest?

"Sicherlich. In Israel gibt es keine bedeutsame jüdische Literatur. In den Vereinigten Staaten gibt es bedeutsame jüdische Literatur. Man kann hier mit niemand Gespräche führen. Die religiöse Gemeinschaft, zu der ich gehört habe - ihr gegenüber geht mir ein Zugehörigkeitsgefühl ab. Die weltliche Gemeinschaft – zu ihr gehöre ich auch nicht. Ich habe keinen Gesprächspartner. Hier sitze ich mit dir zusammen und du verstehst mich auch nicht. Du bist in einer chauvinistischen, nationalen Extremposition stecken geblieben."

Das stimmt nicht ganz. Der Reichtum der jüdischen Kultur, über den du sprichst, ist mir bewusst. Bewusst ist mir aber auch, dass die grundlegende zionistische Analyse korrekt war. Ohne Israel besteht keine Zukunft für eine nicht-orthodoxe jüdische Zivilisation.

"Nimm das reinste Israelische Selbstverständnis, das es gibt. Moshe Dayan zum Beispiel. Wir lassen kein Stückchen Avrum an ihm. Vollkommen unbeflecktes israelisches Selbstverständnis. Keine Nudniks [aufdringliche Nervensägen, bornierte Quadratschädel – israel. Ausdruck, Anm. d. Ü.] keine dekadenten Typen. Nichts davon. Bist du dir sicher, dass dieses Leben-um-des-Lebens-Willen Bestand haben wird? Nimm auf der anderen Seite die 'Flugdrachen' Martin Buber, George Steiner. Du sagst, dass diese [ätherischen] 'Flugdrachen' zu nichts führen. Aber meine historischen Einblicke zeigen mir, dass diese Flugdrachen weiter führen als die Truppenmitglieder.

Du bereitest Instrumente fürs Exil vor.

"Mit diesen Instrumenten habe ich vom Tag meiner Geburt an gelebt. Was heißt es denn, wenn ich im Gebet spreche: ‚Aufgrund unserer Sünden werden wir von unserem Land vertrieben'? In der jüdischen Geschichte ist die spirituelle Existenz ewig und die politische Existenz temporär."

In dieser Hinsicht bist du essenziell ein Nicht-Zionist. Weil die Energie, die wir in dieses Land hineinstecken müssen, um es zu stabilisieren und zu erhalten unglaublich ist; und du sagst, dass wir diesem Ort nicht alles geben sollen.

"Es gibt keine israelische Gesamtheit. Es gibt eine jüdische Gesamtheit. Der Israeli ist ein Halb-Jude. Das Judentum hat immer für Alternativen gesorgt. Der strategische Fehler des Zionismus war es, Alternativen zu annullieren. Er schuf ein Unterfangen, dessen wichtigste Abteilungen Illusionen sind. Denkst du wirklich, dass eine schwebende, weltliche Tel-Aviv-artige Post-Kibbuz-Entität hier [weiterhin] existieren wird? Niemals. Israelisches Selbstverständnis besitzt nur eine Körperlichkeit; es hat keine Seele. Höchstens Überreste einer Seele. So bist du spirituell bereits tot, Ari. Du besitzt lediglich einen israelischen Körper. Wenn du so weitermachst, wirst du nicht mehr existieren."

Das israelische Selbstverständnis ist soviel reicher, Avrum. Es ist voller Energie, lebendig, divers und produktiv. Aber du bist vor dem israelischen Selbstverständnis geflüchtet. Du bist ein Deserteur vom israelischen Selbstverständnis. Du warst ein Israeli. Du warst mehr ein Israeli als ich es war. Aber das bist du nicht mehr.

"Das bin ich nicht mehr. Ich denke, dass der Begriff 'Nicht-Israeli' keine Alternative zur gesamten zweitausend Jahre währenden jüdischen Existenz darstellt über die ich rede. Darum schrieb ich dieses Buch. Diese Welt kann ich nicht hinter mir lassen, während ich mich selbst belüge. Wie bereits gesagt: Es gibt keine jüdische Existenz ohne ihre Schilderung über sie. Das gibt es nicht. Und ganz gewiss ist keine erzählte Geschichte vorhanden. Aber was noch schwerer wiegt ist, dass es keine Bestrebungen gibt, diese Erzählung durch einen innerlichen Prozess entstehen zu lassen.
Infolgedessen ist mein Weg heraus in die Welt ein Weg zum Judentum. Weil der Jude als erster postmodern und global war."

Global bist du jetzt sicher. Du gehst tatsächlich hinaus in die Welt. Du nahmst einen französischen Pass an und als Franzose hast du in den französischen Präsidentschaftswahlen deine Stimme abgegeben.

"Ich habe bereits dargelegt: Ich bin ein Weltbürger. Meine Identitäten sind folgendermaßen gestaffelt: zuerst bin ich Weltbürger, dann Jude und nur danach ein Israeli. Ich spüre eine schwere Verantwortung für den Frieden dieser Welt. Und Sarkozy ist in meinen Augen eine Bedrohung des Weltfriedens. Deshalb bin ich aufgebrochen um gegen ihn zu stimmen."

Bist du Franzose?

"In vieler Hinsicht bin ich ein Europäer. Und aus meiner Perspektive ist Israel Teil von Europa."

Aber das ist es nicht. Noch nicht. Und du bist eine öffentliche israelische Persönlichkeit, die als Franzose an den französischen Präsidentschaftswahlen teilnimmt. Das ist eine weitreichende Handlung. Eine vor-zionistische, jüdische Handlung. Etwas, das weder ein Engländer noch ein Niederländer tun würde.

"Das ist wahr. Es ist vollends jüdisch. Ich bewege mich zum jüdischen Lebenswandel hin."
[engl.: "Jewish condition", "jüdischer Lebenswandel" mögl. Anspielung auf Hannah Arendts "Human Condition". dt. Vita activa. Anm.d. Ü.]

Empfiehlst du, dass jeder Israeli einen ausländischen Pass annimmt?

"Jeder, dem es möglich ist."

Aber auch darin demontierst du eine auf Gegenseitigkeit beruhende Sicherheit in Israel. Du spielst mit deinen Mehrfach-Pässen und Ihren Mehrfachidentitäten herum, während viele Andere einfach nicht in der Lage sind diesen Weg einzuschlagen. Du demontierst etwas sehr Grundlegendes.

"Dies sind deine Ängste, Ari. Meine Anregung – hab keine Angst. Das ist meine Aussage im Buch. Ich schlage vor, wir hören auf, uns zu fürchten"

>> Fortsetzung folgt: POLITISCHES LEBEN...

Avraham Burg im Interview:
Ein preußisches Sparta?
Teil 2 des großen Interviews von Ari Shavit mit Avraham Burg ("Das zionistische Ghetto verlassen"), in dem es um Burgs Einschätzung der gesellschaftlichen Situation im heutigen Israel geht...

Zionismus:
Herzl oder Achad haAm?
Teil 1 des großen Interviews von Ari Shavit mit Avraham Burg ("Das zionistische Ghetto verlassen"), in dem es um eine zeitgemäße Form des Zionismus, nach der Staatsgrpündung, geht...

Sifrej Jedioth rechtfertigt das Erscheinen von Burgs Buch:
Wir haben Hitler wirklich besiegt
Der Leiter des Verlags "Sifrej Jedioth", der zur diesjährigen "Woche des Hebräischen Buches", das Buch "Hitler besiegen" von Avraham Burg herausgebracht hatte, sah sich nach einem öffentlichen Aufschrei veranlasst, die Veröffentlichung des Buches zu rechtfertigen...

Das Rechte Lager:
Für Avraham Burg kann es nur Verachtung geben

Die Presse der extremen Rechten nutzt jede Gelegenheit, um "haAretz", der verhassten linksliberalen Tageszeitung, Nazi-Ambitionen nachzusagen. Schwer nachvollziehbar, aber wahr. Über Abraham Burg, den ehemaligen Vorsitzenden des israelischen Parlaments, erfahren die Leser des Zofeh, er habe sich "den Blickwinkel der Nazis angeeignet", er sei ein Versager, ein jämmerlicher Kerl, der sich nur einschleimen wolle bei den Feinden Israels...

Scheidungsbrief?
Das zionistische Ghetto verlassen

Ari Shavit ist einer der angesehensten israelischen Publizisten. Berühmt sind vor allem seine "großen" Interviews, die er für die links-liberale Tageszeitung "Haaretz" führte. Sein jüngstes Interview mit Avraham Burg, verursachte eine der lebhaftesten Debatten des Sommers 2007. In der Knesseth wurden Anträge diskutiert, dem früheren Parlamentspräsidenten die letzte Ruhestätte am Herzl-Berg zu versagen, Burg sei ein Verräter. Andere meinen Burg habe nur angesprochen, was viele in Israel bewege...

Eine Strategie des Optimismus:
Hitler besiegen

Über 60 Jahre nach dem Ende des II. Weltkrieges ist der Staat Israel noch immer in dessen Schrecken und Grausamkeiten gefangen. Die Schoah, das größte Verbrechen in der Geschichte des Menschen, ist sowohl das israelische als auch das universale Tabu, eine Art "Allerheiligstes", das zu berühren nach wie vor absolut verboten ist...

G'tt ist zurückgekommen:
Die Rückkehr zur Frage

"Sollen wir uns aufführen wie die Kreuzritter?" fragt Burg, und anstatt einer Antwort nimmt er uns mit auf eine faszinierende Reise durch die jüdische und zionistische Geschichte, von Schabtaj Zwi bis Theodor Herzl, von Sigmund Freud bis Jeschajahu Leibowitz...

hagalil.com 22-07-2007

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