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Europa, Israel und der Nahe Osten

Herausforderung an Europa

Avi Primor

Im Dezember 1994 hat der Europäische Rat, als er unter deutscher Präsidentschaft in Essen tagte, einen bedeutsamen Beschluss gefasst. Der Gipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs kam einstimmig überein, dem Staat Israel in seinem Verhältnis zur Europäischen Union einen "privilegierten Status" zuzuerkennen.

Um welche Privilegien in der Neuordnung der Beziehungen zur EU es sich im einzelnen handeln sollte, welche Bedeutung und Tragweite die Verleihung des Sonderstatus an Israel für beide Seiten haben, welche Rechte und Pflichten sich aus ihm ergeben würden und welche Schritte notwendig wären, um den Beschluss umzusetzen und ihn gewissermaßen mit Leben zu erfüllen - alles dies blieb vorerst unklar. Fest stand zunächst nur, dass die Entscheidung zugunsten Israels ohne die sorgfältige Vorbereitung und das beharrliche Bemühen seitens der deutschen Konferenzteilnehmer wohl kaum zustande gekommen wäre, jedenfalls nicht zu diesem Zeitpunkt. Bis dahin hatte nur die Schweiz von einem ihr gleichfalls zugesprochenen privilegierten Status profitieren können.

Die Beziehungen zwischen Israel und der Europäischen Union nahmen festere Konturen mit dem Vertrag an, der ein Jahr später, 1995, von Vertretern beider Seiten unterzeichnet wurde. Lang erwartet und fast schon überfällig, handelte es sich um die Erneuerung und Ergänzung des Freihandelszone-Abkommens von 1975. Für Israel, aber auch für die EU stellte die aktualisierte Fassung der alten Vereinbarungen einen echten Fortschritt dar. Zum ersten Mal nämlich seit Bestehen der Union verband diese sich auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Forschung und Zusammenarbeit mit einem Staat, der weder EU-Mitglied war noch zu Europa gehörte. Israel wurde durch den Vertrag in die Gemeinschaft der EU fast wie ein Mitgliedstaat einbezogen.

Dennoch gab es, wie gesagt, eine Reihe von Fragen zu klären, auch in Israel. Ich brauchte mehr als zehn Monate, bis ich dem deutschen Bundeskanzler die Vorstellungen der israelischen Regierung bezüglich des 1994 zugesagten privilegierten Status ausführlich darlegen und erläutern konnte. Voraus gegangen waren intensive Verhandlungen mit der Jerusalemer Regierung. Dabei wurde deutlich, dass Israel, so sehr es die Zuerkennung eines Sonderstatus begrüßte, eigentlich mehr anstrebte, als der Vertrag von 1975 und das ergänzende Abkommen aus dem Jahr 1995 besagten.

Ein Vertrag gilt gewöhnlich solange, wie beide Parteien daran interessiert sind. Jeder Übereinkunft, auch wenn sie in bester Absicht und für längere Zeit geschlossen ist, haftet etwas Vorläufiges, Vorübergehendes an. Israel wünschte keine nur in Vertragstexten fixierten Vereinbarungen; es wollte fest in der EU verankert sein, in einer institutionalisierten Art und Weise und möglichst unabhängig von konjunkturellen Interessen.

Daran, dass eine derart enge Verbundenheit Konzessionen von beiden Partnern erfordert, besteht kein Zweifel. Im Falle Israels würden sie nicht nur den Umbau wirtschaftlicher Strukturen bedeuten, sondern auch eine Reihe von Gesetzesänderungen. Das eine wie das andere ist abhängig von politischen Kräfteverhältnissen und der Zustimmung einer parlamentarischen Mehrheit: Was nützt dem Überzeugten der stärkste Wille, wenn er nicht die Macht hat durchzusetzen, was er für richtig hält? Das etwa war der Grund meiner langen Verhandlungen mit den Regierungsbehörden in Jerusalem.

Am 1. November 1995 empfing mich Ministerpräsident Jitzhak Rabin. Am folgenden Tag fand eine Konferenz unter Vorsitz von Außenminister Shimon Peres statt, an der ranghohe Führungskräfte der israelischen 'Wirtschaft, der Finanzminister, die Präsidenten der Notenbank und des Industrieverbands sowie mehrere leitende Beamte teilnahmen. Am Schluss der Gespräche, in denen ich meine Ideen zur praktischen Ausgestaltung des privilegierten Status vortrug, erhielt ich grünes Licht, mich offiziell mit detaillierten Vorschlägen an die Bundesregierung zu wenden. Nach Bonn zurückgekehrt, machte ich mich sofort an den Entwurf eines Schreibens an Bundeskanzler Helmut Kohl. Stunden später traf die Nachricht von der Ermordung Jitzhak Rabins ein.

Nach Rabins Tod hat sich nicht nur die innenpolitische Situation in Israel geändert, im gesamten Nahen Osten trat eine tief greifende Wende ein. Nach wie vor aber ist es eines der vordringlichsten Ziele der israelischen Regierung, den Sonderstatus des Staates Israel im Sinne derer zu nutzen, die ihn seinerzeit verliehen und verkündet haben. Entsprechende Vorstellungen sind in dem Brief enthalten, den ich im November 1995 dem deutschen Kanzler zuleitete.

Das Schreiben nimmt, um Israels Interesse zu erklären, Bezug auf den europäischen Wirtschaftsraum, wie er von der EU ursprünglich für die ehemaligen Staaten, der Freihandelsassoziation, der EFTA, geschaffen worden war, sozusagen als Brücke zum Eintritt in die Union. Praktisch erlaubte der gemeinsame Wirtschaftsraum den EFTA-Staaten, von den meisten Privilegien, die den Mitgliedsländern der Union zustanden, zu profitieren, ohne an deren Entscheidungen verantwortlich beteiligt zu sein. Bei der großzügigen Regelung konnte aufgrund der geographischen und geschichtlichen Bindungen von der Annahme ausgegangen werden, der Beitritt der EFTA-Staaten zur Union werde nur eine Frage der Zeit sein. Abgesehen von nur zwei Ausnahmen, der Schweiz und Norwegen, sind tatsächlich alle ehemals in der EFTA assoziierten Länder im Verlauf der neunziger Jahre Mitglieder der EU geworden.

Natürlich kann Israel kein EU-Mitgliedsstaat werden. Die Verfassung der Union schließt Länder, die außerhalb des europäischen Kontinents liegen, von der Aufnahme aus. Auch kann Israel sein Verhältnis zur EU nicht einfach dadurch definieren, dass es Anspruch auf Teilhabe an einem Wirtschaftsraum erhebt, wie er 1960 für die EFTA-Staaten eingerichtet wurde. Das alte Modell könnte allenfalls richtungweisend wirken, kann nicht aber das mit einem Anschluss an die Union erstrebte letzte Ziel sein. Vorgetragen wurde statt dessen der Wunsch Israels, an den vier grundsätzlichen Freiheiten der EU-Mitgliedsstaaten partizipieren zu dürfen: der Freiheit des Verkehrs von Menschen, des Warenverkehrs, der Investitionen sowie sämtlicher Dienstleistungen innerhalb der Union.

Natürlich wird sich dieses Wunschziel nicht von heute auf morgen erreichen lassen; der Weg dorthin setzt politischen Willen auf beiden Seiten voraus. Immerhin ist Israel vorerst schon mit der EU durch ein umfassendes und neuen Entwicklungen angepasstes Freihandelszone-Abkommen verbunden. Außerdem ist es Teil der Wissenschafts- und Forschungsgemeinschaft der Europäer. In beiden Bereichen sind in den letzten Jahren Fortschritte erzielt worden, die insgesamt auf noch engere und stärker erweiterte Formen der Zusammenarbeit hoffen lassen, gerade auch auf wirtschaftlichem Gebiet.

Schon das bisher Erreichte sehen die meisten Israelis keineswegs als selbstverständlich an.

Das Gefühl der Enttäuschung

Die weit verbreitete Ansicht, die Israelis seien ein kulturell stark europäisch geprägtes Volk, sie seien überhaupt "ursprünglich" Europäer, trifft nur bedingt zu, denn ein Großteil der israelischen Bevölkerung hat seine Wurzeln nicht in Europa, sondern in islamischen Ländern. Und gerade die Israelis europäischer Herkunft waren es, die sich zunächst am wenigsten eine Vertiefung der Beziehungen zwischen ihrem Staat und der Europäischen Union vorstellen konnten oder auch - eingedenk gewisser Erfahrungen - vorstellen wollten. So kam es, dass sich viele Israelis nach der Staatsgründung von Europa abwandten, insbesondere auch die von dort stammenden, die damals die große Mehrheit der Bevölkerung bildeten. Die Ursachen lagen teilweise weit zurück, teils bestanden sie aus jüngeren Einzelschicksalen oder wenigstens aus deren Kenntnis. Erinnerungen an positive Erfahrungen, die immerhin auch zur jüdischen Geschichte in Europa gehören, verblassten, insgesamt überwog das Gefühl der Enttäuschung.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, noch unter dem Schock des Holocaust, kehrten in Israel die alten Konflikte mit den Engländern zurück. Sie wirkten bedrückend, zumal sich herausstellte, dass die gemeinsame Gegnerschaft gegen Nazi-Deutschland nur kurzzeitig von den Ursachen der früheren Fehden abgelenkt hatte, ohne das gespannte Verhältnis zwischen der britischen Mandatsmacht und der jüdischen Bevölkerung Palästinas auch nur im Entferntesten zu ändern. Sobald der Krieg vorbei war, brachen die Gegensätze wieder auf. Tatsächlich haben die Briten sich als stärkste Widersacher des entstehenden jüdischen Staates erwiesen, ganz offensichtlich vor allem in der Behinderung der Hilfe für überlebende KZ-Opfer. Selbst nach dem Abzug ihrer Truppen aus Palästina nahm die Regierung in London gegenüber Israel noch jahrelang eine betont zurückhaltende, wenn nicht feindselige Haltung ein.

Wenig ermutigend im Blick auf eine im Geist freundschaftlicher Verständigung gestaltete Zukunft hat sich auch das Verhältnis zu anderen europäischen Staaten entwickelt. Kurze Flitterwochen mit der Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg gingen alsbald in erbitterte Feindschaft über, und die anfangs erfreuliche Zusammenarbeit mit Frankreich erlitt 1967 einen Bruch, der lange fortwirkte. Auch er trug dazu bei, dass Israel sein Interesse an allem, was mit Europa zusammenhing, weitgehend verlor, sich enttäuscht von der Alten Welt ab- und vermehrt den Vereinigten Staaten zuwandte.

Ein Leidensweg führt durch Europa

An diesem Prozess, der sich über längere Zeit hinzog, war zweifellos auch das Geschichtsbild beteiligt, mit dem jedes israelische Schulkind aufwächst. Es ist, unter anderem, das Bild der sich über die zweitausend Jahre des Exils erstreckenden Geschichte des eigenen Volkes mit den immer wiederkehrenden Epochen der Erniedrigung und Vertreibung, die wiederum Teile der europäischen Geschichte sind. Der längste und qualvollste Leidensweg, den die Juden zurücklegten, führt durch Europa. Er beginnt nicht erst mit den Kreuzfahrern, die im 11. Jahrhundert aufbrachen, um das Heilige Land von den Moslems zu befreien und deren Hass auf "Ungläubige" so zügellos war, dass sie ihn unterwegs schon an Juden ausließen. Die ältesten jüdischen Gemeinden in Deutschland - Mainz, Speyer und Worms - verloren durch blindwütige Gemetzel Tausende ihrer Mitglieder. Gelegentlich versuchten Bischöfe und Kardinale, dem Morden Einhalt zu gebieten und verfolgte Juden zu schützen, die gewöhnliche Priesterschaft dagegen hat die grausamen Ausschreitungen gegen Wehrlose eher noch geschürt.

Nicht sehr viel glimpflicher ist, was das Schicksal der hier ansässigen Juden angeht, die europäische Geschichte der folgenden Jahrhunderte verlaufen. Kaum hatten sich irgendwo mit Genehmigung der jeweiligen Städte und Landesherren jüdische Gemeinden gebildet, wurden sie wieder aufgelöst, ihre Angehörigen für rechtlos erklärt und ausgewiesen. Obwohl in ihrem Gastland total integriert, musste gegen Ende des 15. Jahrhunderts die auf ihre Anerkennung stolze jüdische Gemeinschaft in Spanien die Heimat verlassen. Bleiben durfte nur, wer sich taufen ließ, der Übertritt zum Christentum aber bewahrte die Zurückgebliebenen keineswegs vor den Schrecken der Inquisition: Konvertiten machten sich der Glaubensunehrlichkeit verdächtig, des heimlichen Praktizierens ihrer früheren Religion.

In der Ukraine gilt Bogdan Chmelnizkij heute noch als Volksheld, weil er mit seinen Kosaken erfolgreich gegen Polen zu Felde zog und 1654 die Vereinigung seines Landes mit Russland erreichte. Dass er auch als einer der berüchtigtsten Judenverfolger in die Geschichte einging, hat Chmelnizkijs Ruhm jahrhundertelang kaum geschmälert. Dabei hatten die Juden, die zu Tausenden ermordet wurden, mit der Fehde zwischen den Polen und Ukrainern nicht das geringste zu tun, denn im Grunde ging es um einen Glaubenskampf zwischen der römisch-katholischen und der griechisch-orthodoxen Kirche. Der Hass, den auch die Polen auf die Juden ausweiteten, machte vor keinem Ghetto und keiner Synagoge halt.

Als zweihundert Jahre später der Ausbruch der Französischen Revolution Europa erschütterte, wirkte er auf die meisten Juden wie ein großer, gewaltiger Befreiungsschlag. Die Hoffnungen jedoch, die das Ereignis weckte, hielten der Wirklichkeit nicht lange stand. Die öffentlich verkündete Emanzipation scheiterte allzubald an der Hartnäckigkeit alter Vorurteile, eine neue judenfeindliche Front formierte sich, ein Rassismus namens Antisemitismus, der sich in den Gehirnen festsetzte und sie anfällig machte für absurde Ideen, die das traditionelle, religiös motivierte Feindbild ergänzten. In Osteuropa zumindest gehörten tätliche Judenverfolgungen weiterhin zum Alltag.

In unserem Jahrhundert dann der Holocaust, die größte, furchtbarste Tragödie in der Geschichte der Juden. Der millionenfache Mord wurde zwar von Deutschen initiiert und mit deutscher Gründlichkeit durchgeführt, er fand aber in allen von den Nazis besetzten Ländern erschreckend viele Mithelfer, die ihr Werk mit Leidenschaft betrieben.

Drei weniger schwerwiegende, über längere Zeit aber gleichfalls als typisch empfundene Schlüsselerfahrungen, die das Europabild der Israelis trübten, wurden schon genannt; die unselige Einwanderungspolitik der Engländer nach dem Zweiten Weltkrieg in Palästina, das Zerwürfnis mit der Sowjetunion und die Abkühlung der Beziehungen mit Frankreich. Im Rückblick wird man sich vor einer Überbewertung des einen oder anderen dieser Vorgänge und seiner Folgen hüten müssen, wie ja auch keineswegs nur negative Eindrücke aus früheren Jahrhunderten der jüdischen Diaspora in Europa ihre Spuren im kollektiven Gedächtnis der Israelis hinterlassen haben. Oberhand aber behielt letztlich doch das Wissen um die dunkelsten Perioden in der Leidensgeschichte der europäischen Juden - ein sich über Generationen fortsetzendes Trauma, das zur allmählichen Abkehr von Europa beitrug, während das Verhältnis zu den Vereinigten Staaten sich in gleichem Maß enger und freundschaftlicher gestaltete.

In den ersten Jahren nach der Staatsgründung Israels ließ sich dieses Verhältnis durchaus nicht so einträchtig an. Gelegentlich, wenn auch nicht offiziell, wurde Israel sogar von den USA boykottiert. Erst nach dem Sechstagekrieg, 1967, genau zu dem Zeitpunkt, als sich die Beziehungen zu Frankreich merklich abkühlten, setzte jene Vertiefung der Kontakte ein, die seither allen Belastungsproben standgehalten hat. Es sind auf politischer Ebene die bei weitem wichtigsten Kontakte, die Israel nach außen unterhält. Ihres besonderen Ranges ist sich denn auch jeder israelische Bürger bewusst, der sogenannte einfache Mann auf der Straße ebenso wie der Wissenschaftler, Techniker und Intellektuelle.

Israelische Hochschullehrer halten einen Aufenthalt in den USA für einen unverzichtbaren Markstein ihrer Karriere. Als ich nach meiner Wahl zum Vizepräsidenten der Hebräischen Universität in Jerusalem eine Namensliste jener Professoren erhielt, die damals, 1991, ein sogenanntes Sabbatjahr im Ausland verbrachten, stellte ich fest, dass es unter 130 Lehrkräften nur zwei gab, die es im Unterschied zu den übrigen 128 nicht nach Amerika gezogen hatte, und auch diese beiden hielten sich nicht in Europa auf, sondern sonstwo auf der Welt. Es mag Zufall gewesen sein, dass die Zahl derer, die sich für ein Jahr in die USA verabschiedet hatten, so extrem hoch lag; typisch für die Stimmung an den Hochschulen und die allgemeine Hinwendung zu Amerika aber war sie allemal. Dorthin richteten sich die Blicke aller, denen neben der eigenen Zukunft auch die ihres Landes am Herzen lag. Überall, in jedem Berufszweig, interessierte man sich fast nur noch für parallele Entwicklungen und deren Neuerungen in der weltstärksten Handels- und Industrienation.

Der Tourismus von Israel in Richtung Europa blieb davon weitgehend unberührt. Dafür sorgten wohl auch die im Vergleich zu den USA geringeren Entfernungen und die entsprechend niedrigen Reisekosten, aber es fiel auf, dass die Besucher aus Israel nur wenig Interesse für das wirkliche Europa zeigten, für den Alltag der Völker, für aktuelle politische Fragen und Meinungstrends. Eher schien es, als bewegten die Reisenden sich in einem Museum oder einem Kasino.

Die allzu einseitige Ausrichtung nach Amerika als dem vermeintlich einzigen Zentrum der Welt wurde weder den Realitäten in Israel noch den eigentlichen Interessen des jungen Staats gerecht. Wirkliche Bedürfnisse kamen zu kurz, und die Lösung künftiger Entwicklungsaufgaben konnte man nicht allein der eigenen Kraft und der Hilfe des großen Bruders überlassen. Was fehlte, war eine ähnlich starke Annäherung an Europa, eine Orientierung Israels auch an der Alten Welt, möglichst auf der Basis wechselseitiger Beziehungen. An Ansatzpunkten dazu herrschte kein Mangel, und das gilt auch heute noch.

Es wird oft leicht vergessen, dass Israel jahrzehntelang um seine Akzeptanz in der Völkergemeinschaft kämpfen musste, teilweise sogar heute noch um internationale Anerkennung ringt. Im Gegensatz zu fast allen anderen Staaten, die nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Unabhängigkeit erlangten, fiel Israel die Souveränität nicht wie selbstverständlich zu. Es war schwierig genug, Regierungen in aller Welt davon zu überzeugen, dass an dieser Souveränität nicht zu rütteln war, allen Zweifeln und Vorbehalten zum Trotz. In den fünfziger Jahren bemühte Israel sich um die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Ländern wie Birma oder Ghana, um gleichzeitig feststellen zu müssen, dass es solche Beziehungen noch nicht einmal mit allen westeuropäischen Staaten unterhielt: Weder mit Spanien und Portugal noch mit Griechenland war damals dieses offizielle Netz schon geknüpft, auch nicht mit Deutschland. Dabei konnte Israel wegen des Belagerungszustands, in dem es sich befand, auf die Solidarität Westeuropas nicht verzichten. Von den kommunistisch beherrschten Ländern weitgehend isoliert, von den islamischen bekämpft und von der Dritten Welt größtenteils boykottiert, musste es sich von der Vorstellung lösen, die Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten allein genüge als Garantie für seine Zukunft.

Die Notwendigkeit, Brücken auch nach Westeuropa zu schlagen, wurde in Israel von niemandem ernsthaft bestritten. Die Frage war nur, welchen Rang diese Verbindungen erhalten, wie umfassend und tragfähig sie sein sollten. Sofern man sich über die Art der Konstruktion überhaupt Gedanken machte, dachte man mehr an eine beiläufige, oberflächliche Form der Zusammenarbeit. In geradezu visionärer Vorschau aber erkannten bereits in den fünfziger Jahren einige wenige Fachleute, welche Entwicklungen sich in Europa anbahnten und welcher Wert ihnen im Hinblick auf Israels Rolle in einer sich zunehmend rascher verändernden Welt beizumessen sei. Sie beobachteten das schrittweise Entstehen der Europäischen Gemeinschaft und zogen daraus die richtigen Schlüsse. Ihnen wurde klar, welche Chance die künftige EG für Israel darstellte, welche wirtschaftlichen und außenpolitischen Stabilisierungspotentiale sie einmal anzubieten hätte, allerdings auch, welches Maß an Risiken in einer künftigen Zusammenarbeit steckte, falls sie zustande kommen sollte. Auf jene wenigen vorausblickenden Experten wirkte das Zusammenwachsen der Gemeinschaft, zumal in der noch embryonalen Phase, wie ein verheißungsvolles Signal.

Mitunter meint es die Geschichte gut mit einem Volk, indem sie ihm Persönlichkeiten mit Instinkt und Weitblick schenkt, Wegweiser in die kommenden Jahrzehnte. Mit Beharrlichkeit gelingt es ihnen, die Regierung und Bevölkerungsmehrheit ihres Landes auf Bahnen zu führen, deren Verlauf kaum überschaubar, ja letztlich so ungewiss ist wie das Ziel, das auch jene wenigen nur mehr ahnen als kennen. Im allgemeinen wurden Nachrichten, die das Entstehen der EG betrafen, in Israel zunächst mit ziemlicher Gleichgültigkeit behandelt, man nahm sie zwar zur Kenntnis, legte ihnen aber selbst in Regierungskreisen keine größere Bedeutung bei. Das änderte sich erst, als die Regierung in Jerusalem sich von Experten bewegen ließ, die Vorgänge in Europa aufmerksamer zu verfolgen.

1958, als die Römischen Verträge von den Parlamenten der sechs Gründerstaaten "der EG gebilligt worden waren, nahm Israel mit der Gemeinschaft diplomatische Beziehungen auf. Nur zwei weitere Staaten unternahmen damals den gleichen Schritt: Griechenland, das ernsthaft einen Beitritt zur Gemeinschaft anstrebte, und die Vereinigten Staaten, die als größte Weltmacht dafür bekannt waren, dass sie ohne Zögern diplomatisch anerkannten, was sich auf der Erde an Neugründungen auch nur regte und bewegte. Die meisten Staaten, die heute der EU angehören, haben der Gemeinschaft seinerzeit ihre Anerkennung versagt, sie im Gegenteil sogar teilweise zu bekämpfen versucht. So war die 1960 gegründete Freihandelsassoziation, die EFTA, den Bestrebungen der im Entstehen begriffenen EG deutlich entgegengerichtet.

Großbritannien, das zur Freihandelsassoziation gehörte, erwies sich als besonders hartnäckiger und kompromissloser Gegner der Gemeinschaft. Natürlich wurde es zur Teilnahme an den Verhandlungen geladen, die dem Abschluss der Römischen Verträge vorausgingen, von Anfang an aber ließen die Briten nicht den geringsten Zweifel an ihrer tiefen Abneigung gegen das geplante Vertragswerk. Ein Zeuge, Jean-Francois Deniau, der 1956 auf französischer Seite an den Verhandlungen teilnahm, erinnert sich an seinen britischen Kollegen: "Nie hat der würdige Vertreter des Vereinigten Königreichs während der Verhandlungen seinen Mund aufgemacht, es sei denn, um sich eine Pfeife anzustecken. Endlich - eines Tages und zur Überraschung aller Beteiligten bat er um das "Wort, und das auch nur, um eine kurze Abschiedsrede zu halten. Er sagte: "Herr Vorsitzender, meine Herren, ich möchte mich für Ihre Gastfreundschaft bedanken und Ihnen versichern, dass sie ab heute beendet sein wird... Ich habe mit Interesse Ihre Arbeit verfolgt, und ich muss Ihnen sagen, dass der künftige Vertrag, von dem Sie sprechen und von dem Sie die Pflicht haben, ihn zu entwerfen, a) keine Chancen hat, jemals vollendet zu werden; b) wird er trotzdem vollendet, hat er keine Chance, gebilligt zu werden; c) wird er gebilligt, hat er keine Chance, in die Tat umgesetzt zu werden. Wäre es trotzdem so, würde er auf jeden Fall für Großbritannien vollkommen inakzeptabel sein". Deniau erwähnt auch die öffentliche Erklärung eines britischen Ministers, der an den Verhandlungen teilnahm. Nach dessen Ansicht handelte es sich bei dem Plan zur Schaffung einer europäischen Gemeinschaft im Grunde um das Werk von Besiegten. Unter denen habe aber England nichts zu suchen. Statt den Widerstand gegen die Europäische Gemeinschaft aufzugeben, verstärkten die Briten ihr Engagement in der EFTA, vornehmlich auf die Wahrung ihrer nationalen Interessen bedacht.

Um so höher muss man wohl, gerade aus heutiger Sicht, den nüchternen Realitätssinn jener Israelis einschätzen, die trotz starker gegenläufiger Strömungen im eigenen Land in der Verbindung zur EG große wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten für ihren Staat sahen. Zunächst erhofften sie sich eine durchgreifende Modernisierung der Wirtschaft und eine gesellschaftliche Liberalisierung. Unter dem Einfluss sozialistischer Ideen und infolge des permanenten Kriegszustands hatte sich in Israel nicht nur eine zentralistische Wirtschaftsform, sondern auch eine ähnlich konzentriert gesteuerte Verwaltungsbürokratie etabliert, Systeme, die eine Zeitlang und bis zu einem gewissen Maß zweckmäßig, vielleicht sogar unentbehrlich gewesen waren, sich aber zunehmend als Hemmnisse für die freie Entfaltung innovativer Kräfte herausstellten. Die Bevölkerung hatte sich an die vermeintlichen Segnungen des Zentralismus gewöhnt; sie war weder willens noch praktisch in der Lage, sich über kurz oder lang auf alternative Experimente einzulassen. Auf die erstarrten, blockierenden Strukturen des Zentralismus ließ sich Erfolg versprechend nur von außen einwirken. Nicht als Patentrezept, wohl aber als ein sicherlich hilfreiches Mittel erschien ihren Befürwortern eine enge Zusammenarbeit mit der Europäischen Gemeinschaft.

Die Zukunft hat bestätigt, dass die Visionäre von damals keinen falschen Vorstellungen folgten. Ihr Kalkül erwies sich als zutreffend, auch im Hinblick auf die erwarteten positiven Folgen der Partnerschaft mit der EG für Reformen in Israel. Die Wirkung glich in etwa derjenigen, die in den letzten beiden Jahren in Italien im Zusammenhang mit dem Streit um die Kriterien der Aufnahme in die Währungsunion eingetreten ist. Mahnende Hinweise vor allem von Seiten der Bundesrepublik, Italien müsse zunächst Ordnung in seine Finanzen und seine Verwaltung bringen, bevor man über die Einbeziehung des Landes in die geplante Gemeinschaft entscheiden könne, fanden durchaus Gehör; Italien aber mahnte seinerseits: Erst wenn es überzeugende Beweise dafür gebe, dass man Italiens Mitgliedschaft wirklich und uneingeschränkt wolle, werde sich die gewünschte Ordnung herstellen lassen. Das eine wie das andere ist inzwischen geschehen. Nach gelungenen Reformen, die manche für ein Wunder halten, steht dem Anschluss Italiens an die Währungsunion nichts mehr im Wege. Um die Maastrichter Kriterien erfüllen zu können, bedurfte es nur eines nachdrücklichen Vertrauensschubs.

Seit es 1958 diplomatische Beziehungen mit der EG aufgenommen, 1964 mit ihr das erste Handelsabkommen unterzeichnet und 1975 nach mehrjährigen Verhandlungen den begehrten Freihandelszone-Vertrag geschlossen hat, nimmt Israel unter den Vertragspartnern der Gemeinschaft eine Sonderrolle ein. Sie beruht nicht nur darauf, dass Israel als nichteuropäisches Land und ohne Mitglied der EG zu sein dennoch eng mit ihr verbunden ist. Entscheidend ist vielmehr das Prinzip vollkommener Gegenseitigkeit, auf das sich das Abkommen über die Freihandelszone gründet. Später geschlossene EG-Verträge mit anderen Staaten, auch mit solchen im Mittelmeerraum, enthalten Bestimmungen, die diesem Prinzip nicht entsprechen.

Der Vertrag mit Israel verfolgt mit der Aussicht auf alle Vorteile für beide Seiten nicht allein wirtschaftliche Ziele. Die EG hat zwar von Vorteilen profitiert, die ursprünglich nicht einkalkuliert waren, die Überlegungen jedoch, die zum Abschluss der Vereinbarungen führten, waren überwiegend politischer Art. Obgleich die EG sich von Anfang an als europäische Wirtschaftsmacht verstand und diese Funktion auch bis heute erfüllt, ließen sich ihre Gründungsväter hauptsächlich von gemeinsamen politischen Überzeugungen leiten. Kriege auf dem Kontinent sollten künftig verhindert, Konflikte friedlich beigelegt, äußere Sicherheit durch ein enges Verteidigungsbündnis gewährleistet werden. Kurz nach dem Zweiten Wellkrieg standen die europäischen Völker Plänen zu einer derartigen Gemeinschaft größtenteils ablehnend, zumindest skeptisch gegenüber. Das Fernziel der politischen Einigung versuchte man deshalb zunächst mit der schrittweisen Errichtung eines gemeinsamen Marktes anzusteuern. Jeder weiß im übrigen, dass in aktuellen wirtschaftlichen Beschlüssen, die die EU betreffen, fast immer auch politische Erwägungen zum Tragen kommen, die wiederum nicht unbeeinflusst sind von der jeweiligen öffentlichen Meinung.

Mit dem Abschluss des Freihandelszone-Abkommens gewann der Handelsverkehr zwischen den EG-Staaten und Israel neuen Auftrieb. Ende der siebziger Jahre umfasste er in beide Richtungen vierzig Prozent von Israels Welthandel, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Ein- und Ausfuhr, das sich damals aber schon merklich verschlechterte: Israel importierte zunehmend aus der EG, konnte aber seinen Export dorthin so gut wie nicht ausbauen. Heute liegt die Ausfuhr von Waren und Gütern - Dienstleistungen ausgeklammert - bei kaum elf Milliarden Mark pro Jahr, während die jährliche Wareneinruhr aus den fünfzehn EU-Ländern einen Wert von 25 Milliarden Mark ausmacht. Das große Handelsdefizit lässt sich nur ertragen, weil Israel im Verkehr mit anderen Staaten Überschüsse erzielt, besonders in Geschäften mit den Vereinigten Staaten, aber auch im Handel mit einem Land wie Japan, das aus Israel sogar Komponenten der Hochtechnologie bezieht.

Der Handelsverkehr, den Israel betreibt, hat in den letzten Jahren weiter zugenommen und erreichte mittlerweile Dimensionen, die - gemessen an der geringen Größe des Landes - gewaltig sind. Vom Gesamtvolumen, 94 Milliarden Mark, entfallen 66 Prozent auf den Handel mit der Europäischen Union. Gegenüber den siebziger Jahren stark gewachsen ist allerdings auch das Außenhandelsdefizit im Warenaustausch mit der Europäischen Union, der ehemaligen EG. Zum Teil geht es auf die Unausgewogenheit der Bilanz des Handels mit Deutschland zurück, teilweise war es das Ergebnis von Lücken, Versäumnissen und korrekturbedürftigen Formulierungen des Vertrags aus dem Jahr 1975.

Globalisierung

Seit Israel damals das Freihandelszone-Abkommen unterzeichnete, hat nicht nur die Europäische Gemeinschaft eine andere Gestalt angenommen. Verändert hat sich die gesamte Weltlage, mit dem Wegfall alter Märkte und dem Entstehen neuer Absatzgebiete auch das Kraftfeld, in dem sich wirtschaftliche Entwicklungen vollziehen. Neue Technologien haben in den letzten zwei, drei Jahrzehnten zur weiteren Internationalisierung der Finanz- und Handelsbeziehungen beigetragen; "Globalisierung", auf die Wirtschaft gemünzt, ist das Stichwort für den Wandel herkömmlicher, allzu vertrauter Strategien.

Das Abkommen von 1975 sollte regelmäßig aktualisiert werden, die Anpassung unterblieb jedoch aus politischen Gründen. Israels Situation war gegen Ende der siebziger und während der achtziger Jahre alles andere als beneidenswert. Die Folgen des Jom-Kippur-Krieges 1973, die Ölkrise, der anhaltende Druck der arabischen Staaten, die dank ihrer Ölvorkommen weit selbstbewusster und anspruchsvoller als früher auftraten, letztlich auch die Intifada - alles dies brachte Israel in Bedrängnis, verschaffte ihm wirtschaftliche Nachteile und schwächte hier und da auch sein politisches Ansehen in der internationalen Völkergemeinschaft. Der jüdische Staat verlor an Durchsetzungskraft. Die Positionen, die er vor einem günstigen Zeithintergrund einmal hatte einnehmen können, begannen Schaden zu nehmen. Der Vertrag, der Israel an der EG-Freihandelszone beteiligte, erwies sich nach einiger Zeit als überholt; die Vorteile, die er zunächst geboten hatte, verringerten sich mehr und mehr. Die Folge war, dass sich das Defizit im Handelsverkehr mit den Europäern zunehmend vergrößerte.

Ein rein technischer Ergänzungsvertrag mit dem EG-Ministerrat, den ich 1987 als Botschafter in Brüssel unterzeichnete, war das Ergebnis intensiver Verhandlungen. Der Eintritt Spaniens und Portugals in die Gemeinschaft im vorausgegangenen Jahr erforderte einige Änderungen des Vertrags von 1975. Die notwendige Billigung dieser Änderungen durch das Europäische Parlament war jedoch unversehens in Frage gestellt, als im Dezember 1987 die Intifada losbrach, der Aufstand der Palästinenser in den israelisch besetzten Gebieten. Schon in den vorausgegangenen Jahren, vor allem nach dem Libanon-Krieg 1982, hatte sich unter den Europa-Abgeordneten eine von Zweifeln und Misstrauen genährte Stimmung gegen Israel bemerkbar gemacht, die sich nun, mit dem Beginn der Unruhen, derart verschärfte, dass die Billigung des Vertrags durch das Parlament nicht mehr gewährleistet schien. Erst in den folgenden zehn Monaten gelang es, die Bedenken auszuräumen und eine Abstimmungsmehrheit für die notwendigen Ergänzungen zu sichern. Unter den gegebenen Umständen bestand jedoch kaum Hoffnung auf künftige Verhandlungen mit dem Ziel, den Vertrag fortlaufend den jeweiligen Erfordernissen anzugleichen.

Oslo

Erst 1991, während des Golfkriegs, setzte ein allgemeiner Stimmungswandel zugunsten Israels ein. Um die westlich orientierte arabische Allianz nicht zu gefährden, ergriff die Regierung in Jerusalem weder Vorbeugungs- noch Vergeltungsmaßnahmen gegen den Irak, der Israel aus einer Entfernung von tausend Kilometern mit Raketen beschoss. Die bewusste Zurückhaltung zahlte sich aus, auch im Hinblick auf das Verhältnis zu den Europäern. Der Gemeinschaft war sehr an der Teilnahme an der sich relativ früh abzeichnenden Friedenskonferenz gelegen, sie benötigte dafür aber die Zustimmung aller Partner, einschließlich Israels. So gewann der Dialog zwischen verschiedenen Gremien der EG auf der einen Seite und Israel auf der anderen allmählich wieder an Inhalt. Auf einer vollkommen sachlich-konstruktiven Ebene wurden dann die Verhandlungen gerührt, die mit den Gesprächen in Oslo begannen. Auch das Abkommen, das 1995 die zwanzig Jahre zuvor geschlossenen Vereinbarungen über die Freihandelszone ergänzte und aktualisierte und Israel in die europäische Wissenschafts- und Forschungsgemeinschaft einband, kam im Geist gegenseitiger Verständigungsbereitschaft und einhelligen Vertrauens zustande.

Leider war der Zustand, der mit dem Abkommen erreicht war, nur von kurzer Dauer. Nach der Welle der Terroranschläge, unter der Israel Anfang 1996 zu leiden hatte, und dem folgenden Regierungswechsel geriet der Friedensprozess im Nahen Osten ins Stocken. Daraus ergaben sich Belastungen für das Verhältnis zu den europäischen Partnern, zeitweilige Spannungen, Verstimmungen und Irritationen auf beiden Seiten. Zwar ist in der EU das Verfahren, das der Billigung des Abkommens vorauszugehen hat, nicht unterbrochen worden, doch ruht seither die Diskussion über die inhaltliche wie auch praktische Erfüllung des privilegierten Status, der Israel 1994 vom Europarat zuerkannt worden ist. Allerdings wird es sich hier nur um eine Pause handeln. So unumkehrbar, trotz aller Unterbrechungen und Krisen, der Friedensprozess im Nahen Osten ist, so sehr darf man hoffen, dass die Beziehungen Israels zur Europäischen Union sich weiter verfestigen werden.

Was erwartet Israel von der Union?

Was erwartet Israel von der Union, welche Rolle, welche Aufgaben sollten oder könnten die Europäer im Nahen Osten übernehmen? Verträge allein reichen nicht aus, um den Beziehungen zwischen Israel und der EU künftig den erforderlichen Rückhalt zu geben und dem Verhältnis Dauer und Stabilität zu garantieren. Alle Übereinkünfte spiegeln zeitbedingte und zeitlich begrenzte Interessen und so allgemeine Erwartungshaltungen wider wie den Wunsch, bisherige Beziehungen zu beiderseitigem Nutzen fortzusetzen, miteinander auf irgendwelchen Gebieten zu kooperieren, einvernehmlich Konfliktlösungen anzustreben und dergleichen mehr. Seine offizielle Laufzeit ändert nichts daran, dass ein Vertrag nur solange in Kraft bleibt, bis er zumindest für einen der Partner keine Bedeutung mehr hat. Die vereinbarten Rechte und Pflichten gelten dann mit der Sache, auf die sie sich beziehen, als überholt.

Israel wird, wenn es mit seinen Nachbarn, die Palästinenser eingeschlossen, endgültig Frieden geschlossen hat, ein anderer Staat sein als heute. Worin er sich vom gegenwärtigen unterscheiden wird, lässt sich kaum voraussagen; nach einem mehr als fünfzigjährigen Kriegszustand lässt sich über das künftige friedliche Zusammenleben ehemals verfeindeter Völker nur spekulieren. Eines aber ist heute schon gewiss: Um ihres Bestandes willen muss jede Friedensregelung auf die elementaren Bedürfnisse der Völker abgestimmt sein. Für Israel bedeutet dies, dass es offene Grenzen garantieren, diplomatische Beziehungen zu den Nachbarn unterhalten, ungehinderten Tourismus ermöglichen und, nicht zuletzt, Projekte entwickeln wird, deren Realisierung in gegenseitigem Interesse liegt.

Die Israelis sind allerdings ein kleines und eigenständiges Volk, angesiedelt inmitten einer Region, die von mehreren Völkerschaften mit gemeinsamer Geschichte, Religion und Sprache bewohnt ist, ethnisch und kulturell zusammengehörig und mit ähnlich stark ausgeprägten Lebensgewohnheiten, wie sie der Bevölkerung des jüdischen Staates eigen sind. Die Unterschiede lassen sich nicht einfach ignorieren. Israel wird eines Tages mit den insgesamt um vieles größeren übrigen Staaten des Nahen Ostens friedlich und gedeihlich zusammenarbeiten. Allerdings wird es seine Identität und kulturelle Eigenständigkeit wahren müssen, ebenso sein wirtschaftliches Niveau und seinen hohen Entwicklungsstand im Bereich der Technologie und der wissenschaftlichen Forschung. Ein zugegeben schwieriges Problem, an dem aber kein Weg zum Frieden vorbeirührt.

Andererseits können sich heute selbst erheblich größere Länder als Israel nicht der Einsicht verschließen, dass ihr Kräftepotential zu schwach ist, um sich auf Dauer selbständig in einer Welt fortschreitender Globalisierung behaupten zu können. Den Vereinigungsbestrebungen in Europa liegt - unter anderem - wesentlich auch diese Erkenntnis zugrunde. Auch in Israel ist man sich grundsätzlich bewusst, dass aller Fortschritt, dass jede der Errungenschaften, auf denen das bisherige Wachstum des Landes beruht, sich nur in enger Verbundenheit mit einem wirtschaftlich möglichst starken Partner kontinuierlich erneuern kann. Mit der Hilfe der USA, seinem mächtigsten Freund und Förderer, wird der jüdische Staat wohl noch lange rechnen dürfen, nicht aber mit der Einbeziehung in das amerikanische Wirtschaftsgefüge. Die Interessen der Vereinigten Staaten konzentrieren sich mehr auf Nord- und Lateinamerika, auf Freihandelszonen mit der Europäischen Union und Südwestasien, nicht aber auf den Nahen Osten. Der erscheint heute politisch wichtig, auch die dortigen Erdölvorkommen bieten amerikanischen Konzernen Anreiz genug. Darüber hinaus aber verfolgen die USA in dieser Region keine besonders ehrgeizigen Wirtschaftsziele.

Es bleibt also, da auch Japan aus mehreren Gründen ausscheidet, als starker Bezugspunkt für Israel nur Europa, die Europäische Union. In ihr wünscht Israel verankert zu werden, in einer dauerhart institutionalisierten Art, die Turbulenzen standzuhalten vermag und von keinen nur beiläufigen und vorübergehenden Interessen bestimmt wird.

Besondere Hoffnungen setzt Israel auf Deutschland. Die angestrebte Vertiefung der Beziehungen sollte aber Hand in Hand gehen mit einem gleichartigen Prozess im Verhältnis zwischen Israel und der Europäischen Union. Er würde der Auffassung Helmut Kohls entsprechen, wonach der Staat Israel "auf zwei Beinen stehen" müsse. "Heute steht er auf dem amerikanischen Bein", sagte der Kanzler mir einmal. "Das ist gut so, und das soll auch so bleiben. Aber Israel braucht, um vollkommen stabil zu sein, ein zweites Bein, und das soll das europäische sein." Die Bundesrepublik, ergänzte Kohl, werde der "Motor" sein in der EU, um dieses Ziel zu erreichen.

Im Geist dieser Zusicherung kam es dann unter deutscher Präsidentschaft beim EU-Gipfeltreffen im Dezember 1994 zu jenem einstimmigen Beschluss, der Israel in seinen Beziehungen zur Europäischen Union einen privilegierten Status zuerkennt. Der Begriff lässt vielerlei Auslegungen zu. Er regt zu spekulativen Hoffnungen und Erwartungen an und gibt beiden Seiten hinreichend Freiraum für die Formulierung von Ansprüchen, die - wie immer in solchen Fällen - miteinander in Einklang zu bringen sind, wenn sie zu konkreten Ergebnissen führen sollen. Was hat die Europäische Union von Israel, was hat sie vom Nahen Osten überhaupt zu erwarten?

Vom Handelsverkehr mit Israel profitieren die Unternehmer in den EU-Mitgliedsstaaten nicht unerheblich. Aus ihren Exportgeschäften im Wert von fast 25 Milliarden Mark jährlich und den Wareneinfuhren von nur elf Milliarden Mark ergeben sich beträchtliche Überschüsse zu ihren Gunsten. Hinzu kommen für die Europäer Vorteile, die sie aus der Forschungsarbeit, einem erfolgreichen und zukunftsorientierten Wissenschaftssektor in Israel, ziehen. Den positiven Erfahrungen vor allem deutscher Wissenschaftler schlössen sich ähnlich erfreuliche Resultate der Zusammenarbeit zwischen französischen und israelischen Kollegen an. Sie überzeugten die EU vom Nutzen solcher Kooperation, zumal sie auch finanziell ertragreich ist. Alles dies ist allerdings, gemessen an den Dimensionen der europäischen Forschung und Wirtschaft, für die Interessen Gesamteuropas letztlich nur eine Nebensächlichkeit.

Die Notwendigkeit, sich im Nahen Osten politisch zu engagieren und nach Möglichkeit auf den Friedensprozess einzuwirken, wird hingegen in der Europäischen Union klar erkannt. Während ihre Aktivitäten auf wirtschaftlichem und wissenschaftlichem Gebiet eher zurückhaltend erscheinen, sieht sie sich als im Entstehen begriffene Supermacht von den politischen Problemen geradezu herausgefordert. Tatsächlich stellt die Instabilität in dieser Region auch für die EU eine Gefahr dar und berührt unmittelbar eigene Interessen. Auswirkungen der sozialen und wirtschaftlichen Lage im Nahen Osten und in Nordafrika machen vor den Toren Europas nicht halt, wie - ob legal oder illegal - die Einwanderung von Arbeitssuchenden zeigt. Allerdings ist der Zeitpunkt noch nicht gekommen, da die Union ihre Einflussmöglichkeiten voll wahrnehmen kann. Die Chancen werden sich voraussichtlich nach Einrührung der gemeinsamen Währung erhöhen, erst recht natürlich dann, wenn den europäischen Regierungen die Mittel einer gemeinsamen Außen- und Verteidigungspolitik zur Verfügung stehen.

Die Länge der Zeit, über die sich der europäische Einigungsprozess hinzieht, lässt manchen verzweifeln. Bereits 1948 wurde der Beschluss zur Gründung des Europarats gefasst. 1951 ist als erste übernationale Organisation die Montanunion ins Leben gerufen worden, die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, die ein Jahr später ihre Arbeit aufnahm. 1958 traten die Römischen Verträge in Kraft, die Einigung selbst aber lässt immer noch auf sich warten. Es ist aber wohl gerade die Langwierigkeit des Verfahrens, die ihm letztlich Erfolg im Sinne einer krisenunauffälligen Stabilität garantiert. Rasch, unter Druck oder gar gewaltsam erzwungene Zusammenschlüsse zerfallen in der Regel mit der Macht, die sie herbeirührten. Die Sowjetunion und Jugoslawien sind dafür eklatante Beispiele.

Der Konsens, auf dem die Europäische Union beruht, ist nicht immer leicht zu erreichen. Erforderlich sind Beharrlichkeit, Geduld und Zeit, der gelassene, lange Blick auf das gemeinsame Ziel. Es liegt nahe, die EU mit einer Schildkröte zu vergleichen, die sich langsam und vorsichtig, doch unbeirrt voranbewegt, die Ruhepausen einlegt, ohne indes rückwärts zu gehen. Alles, was bisher in der Union mit Einigungsschritten erreicht wurde, ist ein "Aquis Europeen", ein dauerhafter, solider Grund, auf den sich weiter aufbauen lässt. Mir selber will das künftige Europa wie eine große Schweiz erscheinen - eine freiwillige Föderation verschiedener Sprach- und Kulturgruppen unterschiedlicher Größe, die sich nicht bedrohen, sondern in Eintracht miteinander leben und sämtlich vom sozialen System der Subsidiarität profitieren.

Europas Rolle im Friedensprozess

Bis Europas künftige Rolle im Nahen Osten wirksam zum Tragen kommen kann, dürfte also noch einige Zeit vergehen. Ungeduld wäre sicherlich fehl am Platz, auch sind gegenwärtig zu diesem Punkt die Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Union noch zu groß. Überdies darf man nicht vergessen, dass im Friedensprozess bereits die Amerikaner als Vermittler am Zuge sind, und das schon seit geraumer Zeit. Allenthalben herrscht Einmütigkeit darüber, dass sie allein schon die Summe ihrer bisherigen Erfahrungen legitimiert, ihre Vermittlerrolle ungeteilt beizubehalten. Wenn dies aber so ist und vorläufig bleiben soll, welche Aufgaben gibt es dann noch für die Europäer?

Die Frage lässt sich zunächst nur mit dem Hinweis auf das doppelte Gleis der Verhandlungen beantworten, die mit dem Ziel eines Friedensabkommens zwischen Israel und seinen Nachbarn geführt werden. Neben den bilateralen, die jeweils zwischen Israel und Ägypten, Jordanien und den Palästinensern stattfinden und zu denen hoffentlich einmal auch Gespräche mit Syrien und dem Libanon kommen, laufen Verhandlungen auf multilateraler Ebene. An ihnen beteiligen sich sowohl Amerikaner und Kanadier wie Europäer, Japaner, Israelis, Palästinenser und Partner aus den Nachbarstaaten. Hauptthema dieser Verhandlungen ist die Frage der Friedenssicherung: Wie lässt sich der Frieden im Nahen Osten nach der Unterzeichnung entsprechender Abkommen auf lange Sicht gewährleisten? Welche praktischen Schritte werden nötig sein, um die Verträge allmählich so mit Leben zu erfüllen, dass der Ausbruch neuer Konflikte vermieden, das Misstrauen zwischen ehemaligen Feinden allmählich abgebaut und ein Zustand erreicht wird, wie er heute etwa zwischen früheren Kriegsgegnern in Westeuropa besteht?

Ein geeignetes Mittel wäre die gemeinsame Ausarbeitung überregionaler Entwicklungspläne, deren Realisierung, auf eine gesunde finanzielle Basis gestellt, Vorteile für alle Beteiligten bringen würde. Solche Gemeinschaftsprojekte, wer sie auch initiiert, würden vor allem zunächst verbindende Interessen schaffen. Dies allein schon wäre eine Garantie für die Realität, die Glaubwürdigkeit und Dauerhaftigkeit des Friedens. Darüber hinaus würden die Projekte zum wirtschaftlichen Aufschwung der gesamten Region beitragen. Denn deren Länder sind allesamt zu klein und zu arm, als dass ein einzelnes sich im Alleingang den Luxus kostspieliger Unternehmungen in Größenordnungen leisten könnte, die jenseits seiner Zahlungskraft liegen. Die Verwirklichung gemeinsamer Entwicklungspläne würde zu einem schrittweisen Ausgleich des Lebensniveaus der Israelis auf der einen und der Araber auf der anderen Seite führen. Langfristig muss sich die in dieser Hinsicht bestehende Kluft, wenn sie nicht aufgehoben wird, auf den Frieden verhängnisvoll auswirken. Um den Nahen Osten in eine moderne, wirtschaftlich florierende Entwicklungsregion wie Südostasien zu verwandeln, fehlt es zur Zeit allerdings noch an den wichtigsten Voraussetzungen.

Gerade hier aber setzen die multilateral geführten Gespräche an. Sie drehen sich zwar um Zukunftsprojekte, gehen aber von heutigen Notlagen und Mängeln aus, beispielsweise von der unzureichenden Wasserversorgung, ein in den Ländern des Nahen Ostens besonders relevantes Problem. Den Mehrbedarf an Wasservorräten dadurch zu sichern, dass man wie bisher um die spärlichen Ressourcen kämpft, macht keinen Sinn. Abhilfe könnte hauptsächlich der Bau moderner, leistungsfähiger Entsalzungsanlagen schaffen.

Weitere überregionale Aufgaben liegen im Bereich des Verkehrs. Im Nahen Osten fehlt ein durchgehendes Eisenbahnnetz mit Schnellverbindungen. Systeme wie der deutsche ICE oder die französische TGV haben, nur in einem Land eingesetzt, keine reelle Chance. Auch die Infrastruktur für den Straßen- und Luftverkehr lässt sich, wenn sie künftigen Entwicklungen vorausgreifen soll, nur in engem Kontakt mit allen nahöstlichen Ländern planen und gestalten.

Ähnliches gilt für größere industrielle Vorhaben und für Projekte auf dem Gebiet des Umweltschutzes. Der Tourismus schließlich, der heute überall in meist großem Maßstab betrieben wird, bietet ein nahezu unbegrenztes Feld für gemeinsame Initiativen. dass ein Land, das soviel Attraktionen zu bieten hat wie Israel - Sonne und Strande, berühmte historische Stätten -, trotz aller Bemühungen jährlich nicht mehr als zwei Millionen Besucher anzieht, während manche europäischen Länder pro Jahr zwischen vierzig und sechzig Millionen verzeichnen, hängt hauptsächlich mit seiner geringen geographischen Größe zusammen. Angebote von "touristischen Paketen" in Form von Rundreisen durch den gesamten Nahen Osten würden sicherlich den Zustrom von Besuchern aus aller Welt nicht nur in Israel anschwellen lassen, sondern die ganze Region nach und nach für den internationalen Reiseverkehr erschließen helfen - vorausgesetzt natürlich, es herrschte endlich Frieden unter den Völkern.

Der gute Wille, diesen Frieden allein durch Verhandlungen zu erreichen, wird nicht genügen. Parallel dazu müsste die grundsätzliche Bereitschaft zur Zusammenarbeit an Projekten gestärkt werden, die von sich aus schon friedensstiftend sind. Deren Durchführbarkeit aber setzt Hilfe von außen voraus: Ohne ausländische Investitionen wird sich kein größeres Gemeinschaftsvorhaben in Angriff nehmen, geschweige denn zuendeführen lassen. Und da es immerhin auch um Renditen geht - was liegt näher, als kapitalkräftige private Investoren in Europa für solche Pläne zu interessieren? Jede langfristige Kapitalanlage würde sich lohnen, selbst die in den Bau von Filtrierwerken zur Aufbereitung von Wasser mit hohem Salzgehalt. Das gewonnene Produkt ließe sich wie jedes andere absetzen, und kein Hersteller müsste sich angesichts der enormen Nachfrage um den Verkauf sorgen. Um aus dem Elend, in dem sie leben, herauszukommen, müssten die Palästinenser dringend eine eigene Volkswirtschaft aufbauen. Die Abhängigkeit von der Arbeit in Israel kann allenfalls eine vorübergehende Lösung sein, nicht nur im Hinblick auf die Absperrungen, die gewöhnlich nach jedem Terroranschlag angeordnet werden.

Im Rahmen der multilateralen Verhandlungen ist Israel auch mit den Palästinensern im Gespräch. So wird beispielsweise über sogenannte Industrieparks verhandelt. Die bisher vorliegenden Pläne sehen entlang der Grenze die Errichtung von Industrieanlagen vor, zu denen die Palästinenser aus ihren Gebieten Zugang haben sollen, ohne israelischen Boden betreten zu müssen. Umgekehrt können die Israelis ebenso direkt aus ihrem Hoheitsgebiet zu den Anlagen gelangen. Weder politische Unruhen noch Ausgangssperren würden die Produktion behindern. Auch dieses Projekt, mit dessen Ausführung noch vor dem Abschluss eines endgültigen Friedensvertrags begonnen werden kann, bietet Anreiz vor allem für private Unternehmer: Sie würden gleichermaßen von den billigen, aber erfahrenen Arbeitskräften, von der israelischen Infrastruktur und von der Kompetenz gut ausgebildeter Techniker und Ingenieure profitieren. Darüber hinaus leisteten sie - mit positiven Rückwirkungen auf Europa - einen wertvollen Beitrag zur Sicherung des Friedens an einem traditionell riskanten Unruheherd.

Europäische Unternehmer, die heute mit Investitionen die wirtschaftliche Entwicklung des Nahen Ostens fördern, schaffen sich damit sichere und lukrative Absatzmärkte für morgen. Die Risiken, die sie eingehen, sind ungleich geringer als die Aussicht auf Rentabilität und auf langfristige geschäftliche Kontakte, aus denen sich zu beiderseitigem Nutzen echte Partnerscharten bilden können. Ein solches Dauerverhältnis ergab sich übrigens aus dem deutsch-israelischen Wiedergutmachungsabkommen: Israel ist seither ein zuverlässiger Kunde der deutschen Industrie.

Es gibt weitere Beispiele, die die Europäische Union ermutigen könnten, in den multilateralen Verhandlungen über die Zukunft des Nahen Ostens die Führungsrolle zu übernehmen. Nicht kurzlebiger Erfolge wegen, die sich rasch von selber aufheben, sondern in realistischer Einschätzung der derzeitigen politischen Situation im Nahen Osten und im Bewusstsein der Mitverantwortung für das Gelingen des Friedensprozesses. dass sich aus einem solchen Engagement der EU mit der Anmeldung wirtschaftlicher Interessen auch Möglichkeiten der politischen Einflussnahme ergeben, liegt auf der Hand. Richtig genutzt, können sich diese Chancen für die gesamte Region nur zum Vorteil auswirken. Jedenfalls würde auch in diesem Fall gelten, dass derjenige, der den stärksten wirtschaftlichen Einfluss ausübt, sich auch politisch Geltung verschafft.

Hierin, im Mitgestalten der zukünftigen Entwicklung im Nahen Osten, liegt eine der vielleicht sinnvollsten Aufgaben der Europäischen Union. Sinnvoll, weil sie den eigenen Beziehungs- und Handlungsrahmen öffnen und Elemente der Entspannung und Sicherheit in ein heillos zerrüttetes Gebiet dieser Erde tragen würde. Wird die Aufgabe angenommen, entschädigt sie gewissermaßen für die Vermittlerrolle der Amerikaner und wird dieser mindestens ebenbürtig sein. Jedenfalls wird sie keine zeitlich begrenzte Herausforderung darstellen, Friedenssicherung ist nicht an Fristen gebunden. Sie bedarf permanenter Bemühungen und ähnlich bedachtsam gewählter Schritte wie der Aufbau eines vereinigten Europa. Je überlegter und sorgfältiger das eine wie das andere verwirklicht wird, desto haltbarer, desto weniger krisenanfällig werden die Resultate sein.

Der lange, steile und steinige Weg nach Europa, den Israel vor vierzig Jahren mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur EG betreten hat, sollte dem Land zumindest zu einem Privileg verhelfen: als Brücke zu dienen zwischen der Europäischen Union und einem künftig in Frieden lebenden Nahen Osten.

Das Kapitel "Herausforderung an Europa" ist Avi Primors Buch "Europa, Israel und der Nahe Osten", ersch. bei Suhrkamp, entnommen.

Siehe auch - Die EU-Beziehungen zu Israel:
Von Europa mit Sympathie
EU-Kommissar Chris Patten schreibt in Jedioth achronoth...


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