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Koscher in Europa

Rabbiner Dr. Israel Meir Levinger
Rabbiner der Israelitischen Gemeinde Basel

Die Jüdische Schlachtmethode
— das Schächten

I. Die religiösen Grundlagen

Das Schlachten von Tieren ist an sich ist in jeder Methode grausam. Die Begriffe "human" und "schlachten" oder "schächten"1 können daher eigentlich nicht auf einen Nenner gebracht werden.2 Als notwendiges Übel soll es aber wenigstens so schonend wie möglich durchgeführt werden. Unter Einhaltung bestimmter Vorschriften erlaubt auch das jüdische Gesetz das Schlachten von gewissen Tieren.

Das jüdische Gesetz beschreibt in schriftlich und mündlich überlieferten Ge- und Verboten Inhalt und Führung des jüdischen Lebens. Es basiert auf dem geschriebenen Text der Torah 3, der Propheten und der Schriften.4 Dieses Fundament kann freilich ohne entsprechende Erläuterung nicht zur praktischen Anwendung gelangen. Diese praktische Ergänzung findet sich in der "mündlichen Tora". Beide, die schriftliche und die mündliche Tora, wurden Moses am Berge Sinai übergeben.5

In der Natur mündlicher Tradition liegt die Anlage zur Weiterentwicklung. Bedingt durch historische Ereignisse, wie die Vertreibung der Juden aus ihrer Heimat und das Aufkommen des Christentums, waren die Juden gezwungen, die mündliche Lehre in der Mischnah (ca. im Jahr 180 der allgemeinen Zeitrechnung) und später im Talmud (ca. im Jahr 500) niederzuschreiben. Diese Texte bilden daher eine heilige und unverrückbare Grundlage der jüdischen Religion.

Als Religion für ein ständig Veränderungen unterworfenes Leben ist das Judentum offen für eine weitere Entwicklung, die durch die Rabbinen geleistet und in verschiedenen Formen festgehalten wird. Dieses gesamte Gebilde wird Halacha genannt.
6

Eine Anweisung erlangt halachische Verbindlichkeit, wenn sie sich auf eine lange Tradition und eine anerkannte Autorität stützen kann; auch ein Schriftbeweis alleine genügt nicht, wenn nicht zugleich die genannten Kriterien erfüllt sind. Daraus folgt, dass sich die Halacha sehr bedächtig und behutsam entwickelt.

Die wichtigsten rabbinischen Sammlungen der Halacha sind die Mischnah, die Tossefta, die halachischen Midraschim und der Talmud, sowie aus späterer Zeit die Mischne Tora von Maimonides (ca 1160) und der Schulchan Aruch von Josef Karo (ca 1575). Erst das Verständnis um Entstehung, Inhalt und Wirkung dieser verpflichtenden Kodizes eröffnet den Weg jüdischen religiösen Denkens.

Hartinger
7 sowie Rowe et alii 8, die in ihren Schriften gegen das Schächten auftreten, argumentieren nun richtig, dass eine Vorschrift über das Betäuben vor dem Schächten weder in der Bibel noch im Talmud zu finden sei.

Dieses Argument stimmt und muss stimmen, weil zur Zeit der Niederschrift der Bibel und des Talmuds eine der heutigen Form vergleichbare Betäubung vor dem Schlachtvorgang gar nicht bekannt war. Vielmehr war durch die extrem strenge Regelung des Schächtens selbst die äußerste Schmerzminimierung der Schlachttiere angestrebt und gewährleistet.

Die schriftliche Tora bietet lediglich einen kleinen Hinweis auf das Schächten. So heißt es in Dewarim (Deuteronomium) 12,21: "Du sollst von Deinem Großvieh und Kleinvieh schlachten, so wie ich Dir befohlen habe".

Die Worte "wie ich Dir befohlen habe" sind sehr interessant, denn da wir in der ganzen Bibel keinen weiteren Hinweis finden, weisen sie auf eine dahinterliegende Schicht, auf eine noch ältere Vorschrift, auf die mündliche Lehre.
9 Diese ist in die spezifischen Gesetze über das Schächten eingegangen, die wir im Talmud (Traktat Chulin 1-2) in Maimonides' Mischne Tora (Sefer Keduschah) und in Karos Schulchan Aruch (Jore De'a 1-28) finden.

Diese halachischen Vorschriften bestimmen ein exaktes Verfahren für das Schächten, wie es unten noch beschrieben wird. Eine zweite, dem Schächtschnitt vorangehende Betäubung würde dem Tier Verletzungen zufügen und es trefa (unrein) machen. Sie stünde daher im Widerspruch zur jüdischen Religion.

Dafür dass die jüdische Religion das Schächten als die ideale Schlachtmethode betrachtet, lassen sich wichtige Gründe ins Treffen führen: die Heiligkeit des Lebens, die Psychologie des Schächters und auch die Fleischqualität.

Die Rettung von Leben ist sehr essentiell in der jüdischen Lehre.
10 Wenn es dabei um ein Menschenleben geht, dürfen alle Gesetze der jüdischen Religion mit Ausnahme von Mord, Götzendienst und Ehebruch übertreten werden. Auch das Leben eines Tieres hat eine große Bedeutung im Judentum.11 Es gibt eine Reihe von Gesetzen in der Tora, im Talmud oder den nachtalmudischen Kodizes, die den Tierschutz zum Gegenstand haben.12
Die strengen Vorschriften des Schächtens stehen ebenfalls im Zeichen des Tierschutzes. So darf das Schächten nur durch qualifizierte Personen ausgeführt werden. An einen Schochet (Schächter) werden dieselben hohen ethischen Anforderungen gestellt wie an einen Rabbiner.
13

Der Schochet muss die Schächtung bewusst ausführen. Er darf dabei nur solche Apparate verwenden, die durch Menschenkraft angetrieben werden, nicht jedoch mechanisch-automatische Apparate mit Wasser-, Wind- oder elektrischem Antrieb. Schächtet ein Schochet unqualifiziert, lastet die volle Verantwortung für das Töten des Tieres auf seinem Gewissen.14

Das Schlachten ist nur erlaubt zur Versorgung des Menschen und muss daher Fleisch von höchster Qualität in bester Ausbeute bringen. Falls es zu wenig Fleisch ergäbe, müssten weitere Tiere geschlachtet werden, was im Gegensatz zum Prinzip der Schonung und des Tierschutzes stünde. Die Fleischqualität ist nach dem Schächten besonders gut, weil das Tier wegen des Weiterfunktionierens des Herzens optimal ausblutet.

>> 2.Teil - Vorbereitung und Methode

  1. Hebräisch Schechitah. Vgl. ausführlicher und mit weiteren Nachweisen I.M.Levinger, Schechita im Lichte des Jahres 2000, Jerusalem 1996.
  2. Trotz des Versuchs in den USA, die entsprechende rechtliche Reglung als Humane Slaughter Act zu bezeichnen; vgl unten R. Kuppe, Schächten und Tieropfer im Recht der Vereinigten Staaten von Amerika (in "religionsrechtliche schriften 2- Schächten. Religionsfreiheit und Tierschutz Plöchl-Kovar) 183 ff.
  3. Pentateuch, 5 Bücher Moses.
  4. Altes Testament.
  5. Schmot 1 Exodus 24,12.
  6. Das hebräische "halakh" bedeutet "gehen" und deuet auch im Namen auf den Entwicklungsprozess hin.
  7. W Hartinger, Das Tier in der Thora, Tenach und Talmud, München oJ (1991).
  8. H. T Rowe. L K. Skriver & U. Wenzel, Quälen für den Glauben, Du und das Tier 23, (1991)3. 8.
  9. Dies ist einer der Hinweise, dass die mündliche I..ehre ebenso alt ist wie die schriftliche, dh von der Uebergabe der Torah am Sinaj.
  10. Talmud, Joma 82a.
  11. B. E. Jizchak, Ziwchei Tamim (Ohel Jizchak), Wilna 1885.
  12. Vgl Levinger, Schechita 2000, 14 ff.
  13. Vgl. J.J. Grunwald, The Shochet and Shechita in rabbinic literature, New York 1955.
    Diese Anforderungen sollen dem Trend entgegenwirken, dass Menschen, die sich mit Töten beschäftigen, grob sind und das Leben verachten. Im Talmud (Kidduschin 82a) heißt es dazu: "Der Beste der Schächter ist der Partner Amaleks."
  14. J.Karo, Schulchan Aruch. Jore De'a, 7:1.

Quelle:
religionsrechtliche schriften 2
Schächten - Religionsfreiheit und Tierschutz
Herausgeber: Potz, Schinkele, Wieshaider
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