[Die
Jüdische Schlachtmethode]
(Teil 2 von 6)
II. Das Schächten
Rabbiner Dr. Israel Meir Levinger
Rabbiner der Israelitischen Gemeinde Basel
Als Schächten wird die Methode
bezeichnet, nach der jene Säugetiere und Vögel geschlachtet werden, welche
zum Genuss erlaubt sind.
Nur lebende
und gesunde Tiere dürfen geschächtet werden. Falls das Tier
nicht vollkommen gesund oder vor dem Schächten behandelt worden
ist, muss sich der Schochet vergewissern, dass es wirklich durch
den Schnitt getötet wurde. Dies kann er nur durch die Bewegung
des Tieres nach dem Schlachten kontrollieren. Schon deshalb kann
praktisch keine Methode der Betäubung vor dem Schächten
verwendet werden.
Nach Levy wird der
Schächtvorgang der besseren Uebersicht wegen in vier Phase
eingeteilt: (15)
- · Vorbereitung
- · Operation
- · Ruhe nach dem Schnitt
- · Reflektorische
Bewegungen
Diese Phasen sollen in der
Folge näher dargestellt werden.
1. Vorbereitung
Die Vorbereitungen zum
Schächten enthalten den Tiertransport, die Haltung im
Schlachthof, das Führen der Tiere in die Schlachthalle sowie das
Immobilisieren des Tieres und das Fixieren des Kopfes vor dem
Schächtschnitt.
Da das Schächten am
gesunden unbetäubten Tier durchgeführt werden muss, muss das
Tier immobilisiert werden. Diese Vorbereitungen waren auch
tierschützerischer Haupteinwand gegen das Schächten, von
Baransky (1887)16
bis Seiferle
(1991) 17.
So schreibt etwa Rohner
18:
"Schon die Vorbereitungen vor dem Schächten sind Grund genug,
das Schächten zu verbieten." Heute wissen wir freilich auch,
dass Tiertransporte und das Führen in die Schlachthalle weitaus
größere Probleme darstellen.
19
Daher werden sogleich zum
besseren Verständnis die verschiedenen Methoden des
Immobilisierens des Tieres beschrieben. Dabei ist hervorzuheben,
dass wir in der jüdischen Literatur dazu das Gebot der möglichst
großen Schonung und Schmerzfreiheit finden, jedoch keine
weiteren besonderen Vorschriften.
a) Schächten am liegenden Tier
In der alten Welt wurden die Tiere
einfach umgeworfen. In der Halacha wird vorgeschlagen, nur zwei, eventuell
auch drei Gliedmassen zu binden, keinesfalls aber vier, damit das Tier zu
Boden gleitet und nicht fällt, weil dieser Sturz möglicherweise zu
Knochenbrüchen führen könnte.
Mit der Zeit wurden immer wieder neue
Methoden entwickelt, das Tier umzudrehen
20. Eine der ersten Methoden ist
nach Hess benannt
21
und beschreibt das Binden eines Strickes an die Hörner des Großviehs. Er
wird dann dreimal entlang des Körpers um das Tier gedreht, einmal in der
Halsregion, das zweite Mal hinter den Vordergliedmassen und das dritte Mal
vor den hinteren Gliedmassen. Wenn der Strick dann (von hinten) angezogen
wird, legt sich das Tier hin. Wenn das Tier einmal liegt, werden die
Gliedmassen zusammengebunden, der Hals gestreckt und das Tier ist zum
Schächten vorbereitet.
Parallel dazu wurde eine andere
Methode entwickelt: Mit einer Gurte wird das Tier hochgehoben. Die vier
Gliedmassen werden einzeln gefesselt und dann zu einem Flaschenzug gebunden.
Nach dem Hochheben des Tieres werden die Füße zusammengezogen. Dann wird das
Tier vorsichtig hingelegt. Diese Methode war sehr modern zu Beginn des
20.Jahrhunderts
22
und wurde später durch die rotierenden Apparate ersetzt.
b) Schächten am durch
Spezialapparate umgelegten Tier
Im Jahr 1927 wurde der "Weinbergsche
Umlegeapparat" konstruiert. Durch seinen Einsatz kann sowohl auf das
Umwerfen als auch auf das Binden der Gliedmassen verzichtet werden. Der
Apparat besteht aus einer Box, in der Dach und Wände verschoben und an das
Tier angepasst werden können. Danach wird die Box um 180° gedreht. Der Kopf
des Tieres zeigt sodann nach unten, die Füsse nach oben. Das Tier ist für
das Schächten bereit. Diese ganze Prozedur dauert keine 30 Sekunden.
In verschiedenen Ländern wurden
bessere Mechanismen zur Verstellung des Daches und der Wände entwickelt und
elektrische oder hydraulische Vorrichtungen zur Einstellung oder für das
Umdrehen der Box eingebaut. Es gibt eine deutsche, französische und eine
neuseeländische Version des Apparates. Beim südafrikanischen Modell, in dem
das Tier um 1100 rotiert, wird der Schächtschnitt von der Seite ausgeführt.24
c) Schächten am
stehenden Tier
In der letzten Zeit wurden
spezielle Fixierungsapparate konstruiert, die ein Schächten
stehender Tiere ermöglichen. Am bekanntesten wurde der "Kill
Pen" von Schmidt & Co. Er ist auch als "A.S.P.C.A. Pen" bekannt,
weil es von der American Society for Prevention of Cruelty to
Animals geprüft und empfohlen wurde. Die wichtigste Verbesserung
liegt darin, dass der Schächtschnitt in einem Winkel von 45°
aufwärts durchgeführt wird. Dies erspart dem Tier den Stress der
Umdrehung, der auch im Weinbergschen Apparat, vor allem in
dessen alten Modellen, groß war. Allerdings stellt sich hier die
Frage, ob der Schächtschnitt in dieser Position auch optimal
geführt werden kann. Die halachische Beurteilung dieser Methode
wird daher noch diskutiert."
25
d) Doppelschiene
Die heute oft verwendete
Doppelschiene (Double Rail) ist eine Weiterentwicklung der
Methode des Schächtens am stehenden Tier.26
Dabei wird das Grosstier in einer Bahn geführt, die in eine
Doppelschiene übergeht, auf der das Tier bis zur Schächtstelle
weiterfährt. Dort wird automatisch sein Kopf hochgehoben und der
Schächtschnitt kann vorgenommen werden. Diese Methode vermeidet
auch den Stress des Tieres beim Hereinführen.
e) Schlussfolgerung
Um die Vorbereitungen zum
Schächten im Sinne des Tierschutzes, der Fleischqualität und der
Halacha zu verbessern, müssen stets die neuesten technologischen
und wissenschaftlichen Erkenntnisse herangezogen werden.
Alle Methoden der Fixierung —
liegend, hängend und stehend — können solcherart gehandhabt werden, dass dem
Tierschutz weitestgehend Rechnung getragen werden kann
27. Gleichzeitig ist darauf zu
drängen, die Bedingungen des Transports sowie des Auf- und Abladens der
Tiere in den Schlachthöfen zu verbessern. Diese Bereiche, völlig unabhängig
davon, ob ein Tier danach rituell oder nicht rituell geschlachtet werden
soll, werfen heute weitaus größere Probleme der Tierquälerei auf als das
Schächten oder die Fixierung als Vorbereitung dazu im engeren Sinn.
3.Teil -
Durchführung
- Levy, Die Schächtfrage
unter Berücksichtigung der neuen physiologischen Forschungen, Berlin
1927, 21929;
J. Levy, Nachwort zur Schächtfrage der Tierschutzvereine vom
Jahre 1927, Berlin 1930.
- A. Baranski, Anleitung zur
Vieh- und Fleischbeschau, Wien—Leipzig, 1887.
- E. Seiferle, Zum
sogenannten Schächtverbot, Neue Zürcher Zeitung 24. 2. 1965.
- W Rohner, Zur humanen
Tötung von Haustieren, Diss. Zürich 1957.
- Vgl. Wiener Tierschutzverein,
Ergebnisse. Arbeitskreis: Schächten. Tierfreund 148 (1994) 1-2, 6.
- I. M. Levinger, Non-Jewish
influence on the procedure of Shechita, Koroth 6 (1973) 194.
- H. Frick, Tierärztliche
Operationslehre, Berlin 1921.
- R. Guggenheim. Zur
Physiologie des Schächtens, Jüdisches Jahrbuch der Schweiz 1921, 153.
- T C. Hall, Demonstration
of a new Jewish method of casting and slaughering animals for food,
Veterinary record 1927, 765.
- Koorts, Improvement ot
restraining systems for kosher slaughtering for South African
conditions, Protocol 1990.
- M. Feinstein, Igrot Moshe,
New York 1960. Kapitel 13; Z P. Frank,
Har Zvi, Jerusalem, 1958, Kapitel 18; Z. Sorotzkin, Beinyan
shechita betsavar lemaala vesakin lemata, In Maasaf Shaare Tora,
Jerusalem 1961,45; Y T Teitelbaum,
Levushei Yom Tov, Par 20.
-
T Grandin, Double rail
restrainer for livestock handling, Journal of Agricultural and
Engineering Research 41(1988) 3
-
D. Fluss, The slaughter of
animals, Veterinary Record 78 (1969) 54
Quelle:
religionsrechtliche schriften 2
Schächten - Religionsfreiheit und Tierschutz
Herausgeber: Potz, Schinkele, Wieshaider
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