Eine rabbinische Perspektive:
Pluspunkt Deutsch für jüdische Einwanderer
Von Gesa S. Ederberg
Seit fünfzehn Jahren kommen jüdische Zuwanderer aus den
GUS-Staaten nach Deutschland. Die jüdischen Gemeinden in Deutschland wachsen
schneller als irgendwo sonst in der Welt – und sie leiden gewaltig an
Wachstumsschmerzen.
Häufig hört man: "Die Zuwanderer kommen nicht aus Interesse
am Judentum nach Deutschland oder in die Gemeinden – sie suchen nur Hilfe in
anderen Angelegenheiten."
Jedoch: auch in die USA oder nach Israel sind die Menschen
nicht primär aus religiösen Gründen eingewandert! Der wichtigste Unterschied
zwischen damals und heute ist, dass die Zuwanderer nach Deutschland kein
intaktes jüdisches religiöses Wissen und noch viel weniger Erfahrung mit
gelebtem Judentum mitbringen.
Als Rabbinerin freue ich mich, wenn Menschen in die Jüdische
Gemeinde kommen, weil sie eine Arbeit oder Wohnung suchen, Hilfe mit
deutschen Ämtern, oder einfach Gemeinschaft mit anderen in der gleichen
Situation. Das bedeutet nämlich, dass sie etwas ganz Wesentliches verstanden
haben: Die Jüdische Gemeinde ist für sie da, wenn sie etwas brauchen, sie
ist eine relevante und lebensnotwendige Adresse in ihrem Leben.
Und wenn die Menschen erst einmal da sind, ist es die Aufgabe
einer funktionierenden Jüdischen Gemeinde, sie willkommen zu heißen und
ihnen auch das anzubieten, nach dem sie nicht unbedingt gefragt haben: Eine
Auseinandersetzung mit ihrer eigenen jüdischen Identität, eine Einladung,
Judentum als für sie persönlich relevant zu erleben.
Selbstverständlich ist auch, dass sie diese ersten
Erfahrungen nicht ohne weiteres im regulären Gottesdienst machen können: Der
Gottesdienst ist auf Hebräisch. Sich zurechtzufinden fällt schwer, und
selbst wenn man den Ablauf und die Texte verstehen würde, sind sie doch sehr
weit weg von der eigenen Lebenswirklichkeit. Auch die intellektuelle
Auseinandersetzung mit jüdischen Texten und Inhalten ist zwar für viele
Zuwanderer interessant, hat aber verständlicherweise nicht die höchste
Priorität in einer Zeit der Integration in eine neue Gesellschaft.
Rabbinische Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass das
religiöse Leben und Lernen das Herz des Gemeindelebens bildet, von dem aus
die anderen Bereiche der Sozialarbeit und der kulturellen Veranstaltungen
belebt und befruchtet werden. Zum Glück sind Rabbiner keine
Religionsverwalter, sondern zuallererst Lehrende. Und deshalb ist es nur
natürlich, das zu lehren, was die Menschen in einer bestimmten Situation am
meisten brauchen.
Mit dem ersten Kurs habe ich erlebt, wie befruchtend und
motivierend die Kombination von Deutschunterricht und jüdischen Inhalten
ist: Gerade wird noch radebrechend über die philosophischen Gründe für
koscheres Essen diskutiert (kurze Ausflüge ins Russische werden dabei
"verziehen"), um dann wieder die grammatisch korrekte Verwendung der
Modalverben "können – dürfen – müssen" zu diskutieren. Daraus ergibt sich
logischerweise die nächste Diskussion: "Können, dürfen oder müssen wir unser
Judentum als etwas Lebendiges wahrnehmen, das unseren Alltag prägt und
mitgestaltet?"
Rabbinerin Gesa S. Ederberg ist Rabbinerin der Jüdischen
Gemeinde Weiden/Oberpfalz und Direktorin von Masorti e.V. – Verein zur
Förderung der jüdischen Bildung und des jüdischen Lebens mit Sitz in Berlin.
Von ihr stammt die Idee zu Pluspunkt Deutsch für jüdische Einwanderer, und
gemeinsam mit Frau Gabriele Brenner ist sie dessen Autorin.
Beispiel Weiden:
Integration von jüdischen Zuwanderern
Juni 2005 - Zuwanderung von osteuropäischen Juden
wird reglementiert - ddp - Die Zuwanderung von
Juden aus der GUS nach Deutschland ist künftig an strengere
Voraussetzungen als bisher geknüpft. Die Innenministerkonferenz (IMK)
und der Zentralrat der Juden in Deutschland legten am Freitag in
Stuttgart ein Eckpunktepapier vor, das als Grundlage für eine
Neuregelung des Aufnahmeverfahrens dient. Die Eckpunkte, die vom
schleswig-holsteinischen Innenminister Ralf Stegner (SPD) und dem
Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan Kramer, präsentiert
wurden, sehen vor, dass die jüdischen Zuwanderer grundsätzlich in der
Lage sein sollten, ihren Lebensunterhalt auf Dauer eigenständig zu
sichern.
Jüdische Zuwanderung aus den ehemaligen Staaten der Sowjetunion:
Verständigung über
Eckpunkte erzielt
"Als fairen Kompromiss" begrüßte der Präsident des Zentralrats
der Juden, Paul Spiegel, die zwischen den Innenministern von Bund und
Ländern gefundene Verständigung für die Regelung der jüdischen
Zuwanderung aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion – mit Ausnahme
der baltischen Staaten...
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Union progressiver Juden begrüßt Einigung:
Weiterhin jüdische
Zuwanderung möglich
Jüdische Zuwanderer aus den Ländern der früheren UdSSR werden weiterhin
Aufnahme in Deutschland finden und damit zur Stärkung der hiesigen
jüdischen Gemeinschaft beitragen...
Innenministerkonferenz:
Jüdische Einwanderung
Die Überlegungen zur Begrenzung einer Einwanderung für
Juden und Menschen aus jüdischen Familien wurden auf der
Innenminister-konferenz eingeschränkt durchgesetzt...
Jüdische Zuwanderer:
Grüne
begrüßen Einigung
Volker Beck, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer, erklärt: Wir
begrüßen die Einigung der Innenminister bei diesem sensiblen Thema.
Wichtig ist, dass sowohl der Zentralrat als auch die Union der liberalen
Juden den Kompromiss akzeptieren...
Zur Neuregelung des Aufnahmeverfahrens:
Es gibt kein
deutsches Judentum mehr
Der Historiker Julius Schoeps hält die Einigung für akzeptabel
und begrüßt die Einführung von Härtefallklauseln...
Heikle Probleme bei der Zuwanderung:
Jüdischer
Vater, jüdische Mutter
Einen Eklat lösten die Innenminister der Länder
im letzten Herbst aus, als sie überraschend restriktive Bedingungen für
die Zuwanderung von Juden aus Russland und anderen Ländern der
ehemaligen Sowjetunion verhängen wollten... |
hagalil.com 30-06-2004 |