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Aus dem Nahostlexikon von Gernot Rotter und Schirin Fathi, erschienen im Herbst 2001 beim Palmyra Verlag... [Rezension lesen] [Bestellen]...

Hamas
(Arab. »religiöser Eifer« oder »Enthusiasmus«, Abk. für arab. Harakat al-Muqawama al-Islamiya, Islamische Widerstands-bewegung)

Die Hamas wurde im »» Gazastreifen von Scheich Ahmed Jassin gegründet und erwuchs aus der Organisation der »» Muslimbrüder. Eine Woche nach Ausbruch der »» Intifada im Dezember 1987 gab sie ihren ersten öffentlichen Aufruf heraus. Finanziell wird die Hamas von Exilpalästinensern unterstützt, aber auch von Kuwait und Saudi-Arabien sowie vermutlich vom Iran und dem Sudan.

Zu Recht wird vermutet, daß »» Israel ursprünglich der Entstehung der Hamas wohlwollend gegenüberstand, da es sich davon eine Schwächung des palästinensischen Widerstands und der »» PLO erhoffte. Sehr schnell stellte sich jedoch heraus, daß die Hamas Israel gegenüber eine weit unversöhnlichere Haltung einnimmt als die PLO. So weigert sich die Hamas bis heute, Israel (den »hebräischen Staat« oder das »zionistische Gebilde«) anzuerkennen und eine politische Lösung oder Zweistaatenregelung anzunehmen. Für sie gilt das gesamte Gebiet »» Palästinas als islamisches waqf, als ein heiliges, den Muslimen auf ewig gestiftetes Land, das ihnen bis zum jüngsten Gericht vorbehalten ist. Daher steht Palästina auch nicht für Verhandlungslösungen zur Verfügung und kann nur im Kampf befreit werden. Die »» Friedensverhandlungen lehnt die Hamas kategorisch ab, da sie einen Ausverkauf unveräußerlicher Rechte der muslimischen Bevölkerung Palästinas bedeuten würden.

Ziel der Hamas ist es, in ganz Palästina, Israel eingeschlossen, einen islamischen Staat zu errichten. Gemäß den ideologischen Vorgaben islamistischer Bewegungen führt der Weg zur Befreiung Palästinas nur über die Befreiung der Gemeinschaft der Gläubigen. Der Jihad (»» Islamismus), der heilige Kampf, ist demnach in erster Linie der Kampf zur Rechtleitung und Besinnung jedes einzelnen Muslims. Erst dann folgt der bewaffnete Kampf gegen Israel und gegen moderate säkulare Palästinenser.

Scheich Jassin gründete schon 1973 ein islamisches Zentrum (Al-Mujamma al-Islami) in Gaza, aus dem 1978 die Islamische Universität von Gaza - heute die größte der palästinensischen Universitäten (»» Bir-Zeit-Universität) - hervorging. Das Zentrum erfüllte karitative, kulturelle und religiöse Aufgaben, soziale Dienste also, die auch das Betätigungsfeld anderer islamistischer Bewegungen kennzeichnen. Es entwickelte sich allmählich von einer Wohlfahrtseinrichtung zu einer mächtigen Institution, die für einen Großteil der Bevölkerung im Gazastreifen unentbehrlich wurde. Der Scheich betätigte sich jedoch nicht nur philanthropisch. Mitte der achtziger Jahre entstand eine militante islamistische Bewegung, Jihad Islami, zu deren Umfeld Scheich Jassin gerechnet wurde, als er 1984 wegen Waffenbesitzes von israelischen Sicherheitskräften verhaftet wurde. Nach elf Monaten Haft kam er im Rahmen eines Häftlingsaustauschs mit dem PFLP-Generalkommando (»» PLO) von Ahmed Jibril wieder frei.

Der Ausbruch der Intifada zwang die islamistischen Bewegungen, sich neben ihren rein sozialen Aufgaben auch aktiv am Widerstand zu beteiligen. So entstand - in Konkurrenz zur PLO, aber auch zum Jihad Islami - die Hamas, die eigene Flugblätter herausgab, eigene Streiktage ausrief und ihre Ideologie mit nationalistischen Argumenten anreicherte. Die Bewegung etablierte sich recht schnell und wurde straff organisiert in einen politischen Arm, der für die Beteiligung an der Intifada und Propaganda zuständig war, einen in Untergrundzellen organisierten militärischen Arm und einen Sicherheitsapparat. Eine Sondereinheit, die extremistischen Izzedin-al-Qassam-Brigaden (Kataib Izzedin al-Qassam), die hauptsächlich für die Terroranschläge und Selbstmordattentate verantwortlich war und ist, wurde Ende 1991 gegründet. Sie machte durch die Serie der Selbstmordanschläge 1996 von sich reden, die als Rache für die Ermordung des »Ingenieurs« Yahya Ayasch verübt wurden.

Im Mai 1989 wurde Scheich Jassin zusammen mit 250 anderen Hamas-Aktivisten im Zuge eines israelischen Versuchs, die Organisation zu zerschlagen, erneut gefangengenommen und zu lebenslanger Haft verurteilt. Ein Versuch der Izzedin-al-Qassam-Brigaden, ihn gegen einen 1992 gekidnappten israelischen Soldaten freizupressen, schlug fehl. Trotz seiner zahlreichen Gebrechen - seit früher Jugend ist er vollkommen gelähmt und während der Haft erblindet - hielt Scheich Jassin acht Jahre lang im Gefängnis an seinen Überzeugungen fest und galt weiterhin als spiritueller Führer der Hamas. Er kam 1997 auf Druck König Husseins (»» Hussein Ibn Talal) frei, und zwar im Rahmen eines Austauschs mit zwei israelischen Mossad-Agenten (»» Geheimdienste), die in »» Jordanien ein gescheitertes Attentat auf den Leiter des politischen Büros der Hamas in Amman, Khaled Mashai, verübt hatten. Israelische Anstrengungen, die Bewegung während Jassins Inhaftierung zu schwächen oder gar zu zerschlagen, wie z.B. die Deportation von 415 Hamas- und Jihad-Islami-Aktivisten in das Niemandsland zwischen dem »» Libanon und Israel im Dezember 1992, zeitigten keinen Erfolg. Im Gegenteil: Die Deportation schadete Israels Ruf und konnte für die Hamas dank des Sprechers der Deportierten, Abdel-Aziz Rantisi, als Public-Relations-Sieg verbucht werden.

Die islamistischen Gruppierungen bilden heute das Rückgrat der Opposition innerhalb der palästinensischen Gesellschaft. Sie haben somit die radikalen und linken säkularen Strömungen in der palästinensischen Nationalbewegung abgelöst, da diese keine überzeugenden Alternativen zum moderaten Kurs des Friedensprozesses von »» Arafats Al-Fatah (»» PLO) anbieten konnten. Der Jihad Islami und die Hamas entstanden zwar beide aus der Organisation der Muslimbrüder, jedoch unterscheiden sie sich deutlich voneinander. Jihad Islami, eine radikale und ebenso militante Gruppe wie die Hizb at-Tahrir al-Islami, die in den fünfziger Jahren unabhängig von den Muslimbrüdern im »» Westjordanland gegründet wurde, beabsichtigt nicht, eine Massenpartei zu sein. Vielmehr macht sie es sich zur Aufgabe, die Verwundbarkeit der israelischen Armee aufzuzeigen und medienwirksame Angriffe auszuführen.

1995 verübte der Jihad Islami zwei Selbstmordanschläge in Israel und mehrere Attentate im Gazastreifen als Reaktion auf die Ermordung ihres Führers Fathi Shikaki. Die Hamas hingegen, die auch als Arm der Muslimbrüder in den besetzten Gebieten angesehen wird, tritt als kampfbereite Basisorganisation auf und versucht, der Al-Fatah ihre politische Rolle streitig zu machen.

Zusammen mit zehn anderen palästinensischen Gruppen, der Allianz Palästinensischer Kräfte (Palestinian Forces Alliance) in Damaskus hat sich die Hamas gegen die »» Oslo-Abkommen ausgesprochen. Seither verübt sie immer wieder Anschläge in Israel, um die »» Friedensverhandlungen zu untergraben. Das Kräftemessen zwischen der PLO (vor allem Al-Fatah) und der Hamas geht zurück auf die Anfangsphase der Intifada und wurde während des »» Golfkriegs, der der Hamas ein finanzielles Monopol verschaffte, verstärkt. Der zunehmende Einfluss der Hamas, der sich bei Wahlen in den Berufsverbänden, Studentenorganisationen und Handelskammern äußerte, bewog die Al-Fatah, Versuche zu unternehmen, sie in die PLO einzugliedern. Doch die Bedingungen der Hamas waren unannehmbar, so wollten sie z.B. 40 Prozent der Sitze im Palästinensischen Nationalrat (Palestinian National Council, PNC). Die Spannungen verstärkten sich dahingehend, dass mit Errichtung der »» Palästinensischen Nationalbehörde bürgerkriegsähnliche Zustände befürchtet wurden. Je hoffnungsloser die Situation erscheint, z.B. in Zeiten des stagnierenden Friedensprozesses, desto größer ist der Zulauf für die Hamas. Die Popularität der Bewegung beruht auch auf der Tatsache, dass ihre Führer als unbestechlich und integer gelten - ein Vorbild, mit dem sich die Al-Fatah Arafats schwer messen kann. Die Wahlen zum ersten Palästinensischen Legislativrat im Januar 1996 hat die Hamas trotz Aussichten auf Erfolg aus prinzipiellen Gründen boykottiert, um dem Friedensprozess die Legitimation zu verweigern.

Trotz der Differenzen versuchen sowohl die Al-Fatah als auch die Hamas, weiterhin im Dialog zu bleiben. Nachdem Arafat mit drastischen Mitteln, z.B. der Massenverhaftung von Hamas-Führern und -Aktivisten, die Gewaltspirale nicht durchbrechen konnte, hat er einen versöhnlicheren Kurs eingeschlagen unter der Bedingung, dass die Hamas die Legitimität der palästinensischen Verwaltung anerkennt und sich an die Vereinbarungen mit den Israelis hält. Dazu gehört auch, dass keine Anschläge in den Palästinensischen Gebieten verübt werden. Die Schwierigkeit in den Verhandlungen besteht jedoch auch darin, dass die Führung der Hamas stark dezentral organisiert ist und somit zum Teil widersprüchliche Meinungen vertreten werden. Im allgemeinen ist die interne Führung im »» Gazastreifen pragmatischer und eher bereit, einen Kompromiss mit der PLO und sogar einen »Waffenstillstand« mit Israel zu vereinbaren, während die Exilführer, die im November 1999 aus »» Jordanien ausgewiesen wurden, eine weit unversöhnlichere Haltung einnehmen und an Gewaltanwendungen festhalten wollen. Mehrere Selbstmordanschläge der Hamas und von Jihad Islami trugen demgemäß im Frühjahr 2001 zu einer weiteren Konflikteskalation im Rahmen der »» Al-Aqsa-Intifada bei.

s. auch: [abu mazen] [arafat] [hamas] [plo]
Stand 30-06-2001

»» verweist auf Einträge im Nahostlexikon...

Gernot Rotter / Schirin Fathi:
Nahostlexikon
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