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Judentum und Israel
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[Unterwegs zum 14. Mai 1948]

Vor sechzig Jahren:
Für mich begann der Krieg am 28.März 1948

Eli Lasch

... Erst am 28.März 1948 wurde der Krieg für mich wirklich ernst. Das war der Tag, an dem ich meine beiden nächsten und wahrscheinlich einzigen wahren Schulfreunde verlor. Beide fielen am selben Tag, einer im Norden und der andere in der Nähe von Jerusalem. Beide fielen bei der Verteidigung von Autokarawanen, die Proviant in abgeschnittene jüdische Siedlungen bringen wollten und in arabische Hinterhalte gerieten.

Wie sich später herausstellen sollte, war dieser Tag nicht nur mein persönlicher Wendepunkt, sondern derjenige des ganzen Krieges. Das war der Tag, an dem das Oberkommando der Haganah zu der Einsicht kam, dass wir den Kampf um die Verkehrsadern, welche die jüdischen Siedlungen miteinander verbanden, verloren hatten - in dieser Art zu kämpfen waren uns die Araber überlegen. Sie beherrschten die Überlandstraßen und es wurde immer schwerer, die Siedlungen zu versorgen.

Am gefährdetsten war der Weg nach Jerusalem und genau wie 1900 Jahre vorher war die größte und wichtigste jüdische Stadt, das Symbol und Herz des jüdischen Volkes, wieder belagert und in Hungernot. Auch in den Vereinten Nationen hatten sich die Stimmung und die positive Einstellung uns gegenüber verändert. Insbesondere die Vereinigten Staaten versuchten jetzt den Beschluss vom 29. November rückgängig zu machen. Alles war wieder in der Schwebe. Nur die Russen standen noch auf unserer Seite -was man heute kaum nachvollziehen kann.

Das war der Augenblick, in dem sich die obersten Befehlshaber der Haganah an das erinnerten, was sie von Wingate, dessen Schüler sie alle gewesen waren, gelernt hatten, und zur Offensive übergingen. Statt mit viel Aufwand und Opfern Karawanen durch arabische Gebiete zu schleusen, wurden von dem Tag an die arabischen Dörfer erobert, die die Straßenverbindungen und dadurch das Überleben des Jischuws (die jüdische Bevölkerung in Palästina) bedrohten.

Die erste große Operation war die Entlastung Jerusalems, das sich in einer verzweifelten Lage befand. Zu der Zeit war Jerusalem nur durch eine Straße mit dem Rest des Jischuws verbunden. Diese Straße verlief durch ein enges Tal, dessen Eingang die Araber mit schweren Steinblöcken verrammelt hatten. Den Engländern, die noch in Jerusalem waren, erlaubte man, um die Barriere herumzufahren. Dieser Engpass wurde "Bab El-Wad" genannt und ist unter diesem Namen in den Mythos dieses Krieges eingegangen und lange Jahre besungen worden.

Der erste Schritt dieser Operation war dieses Hindernis zu beseitigen und die Berge auf beiden Seiten zu erobern. Dabei fielen viele meiner Kameraden. Der nächste Schritt war die Eroberung der anrainenden Dörfer. Auch dabei kam es zu schweren Kämpfen. In einem von ihnen, dem Kampf um die alte Kreuzritterfestung El-Kastel, kam der Oberkommandierende der arabischen Kämpfer, Abdel Khader al Husseini, der Neffe des Mufti von Jerusalem, ums Leben. Danach brach der Widerstand zusammen. Trotz gemischter Gefühle von Seiten der Haganah blieb ihr keine andere Wahl, als die besetzten Dörfer zu sprengen und zu zerstören. Die Einwohner waren so und so schon während der Kämpfe in die umliegenden Berge geflohen. Diese Vorgehensweise war notwendig, denn sonst hätte wahrscheinlich das englische Militär, das nichts tat um die Verkehrswege offen zu halten oder das jüdische Jerusalem zu verproviantieren, die mit viel Blut eroberten Gebiete den Arabern zurückgegeben. Da etwas Ähnliches schon einmal in Jerusalem selbst geschehen war, wurde alles getan um eine Wiederholung zu verhindern. Das war der Anfang des Flüchtlingsproblems, das noch bis heute anhält. Man darf aber andererseits nicht vergessen, dass die Bewohner dieser Dörfer aktiv beteiligt waren, als es darum ging, jüdische Autokarawanen anzugreifen; die Wracks der vielen ausgebrannten LKWs, die bis heute den Rand der Hauptstraße nach Jerusalem säumen, sprechen für sich.

Wie schon erwähnt, war auch für mich persönlich dieses Datum ein Wendepunkt. Erst in diesem Augenblick wurden die Araber für mich wirklich zum Feind. Alles, was ich wollte, war Rache.



Abb.: In der Schule 1947 (Eli Lasch 3. von rechts; die beiden ersten von rechts sind die hier erwähnten Freunde, die 1948 als Beschützer von Karawanen am gleichen Tag gefallen sind).

Ich wollte mich an denen rächen, die mir die wichtigsten Menschen meines Lebens genommen hatten, sodass ich wieder alleine war. Ich beschuldigte dafür nicht den Krieg, das war mir zu abstrakt, sondern die Araber. Ich wollte unter allen Umständen an die Front gelangen, desertierte deshalb nach kurzer Zeit von der Polizei und ging dahin, wo ich eigentlich hingehörte: zum Palmach. Da ich einen Haganah-Befehlshaberkurs absolviert hatte und noch dazu fließend Deutsch und Englisch sprach, wurde ich sofort nach meiner Ankunft zum Kommandanten einer Truppe von Auslandsfreiwilligen ernannt. Ich sollte sie in kürzester Zeit militärisch ausbilden, sie etwas Hebräisch lehren und sie dann an die Front bringen.

Dieses, mein erstes Kriegszeitkommando, war eine richtig zusammengewürfelte Truppe: sie bestand aus 30 Männern, die aus sieben Ländern stammten und weitaus älter und erfahrener waren als ich. Im Gegensatz zu mir hatten fast alle schon jahrelang als Frontsoldaten gedient, und es stellte sich heraus, dass einer von ihnen sogar ein Offizier der Roten Armee gewesen war. Diese Männer, die sieben verschiedene Sprachen sprachen, sollte ich nun "ausbilden" und in eine kämpfende Einheit verwandeln. Um das zu erreichen stand mir genau eine Woche zur Verfugung. Dann sollten wir nämlich an der Front gegen die irakischen Truppen eingesetzt werden. Der Mangel an erfahrenen Kämpfern war damals so akut, dass ich auf keinerlei Hilfe hoffen konnte. Zum Glück bekamen wir damals gerade neue Waffen aus der Tschechoslowakei, die den Männern meiner Truppe nicht unbekannt waren. Hier möchte ich noch kurz einflechten, dass die Tschechoslowakei damals das einzige Land der Welt war, das bereit war, uns Waffen zu liefern. Und diese Waffen haben uns gerettet. Ich glaube, es ist kaum nötig zu erwähnen, dass das nur mit russischer Genehmigung möglich war.

Ich stand also alleine vor dreißig Menschen, die sieben Sprachen sprachen und mich, den jungen Israeli, sehr neugierig beäugten -schließlich war ich doch ihr Befehlshaber. Ich war auch neugierig, aber als Israeli fühlte ich mich diesen Neueinwanderern gegenüber sehr selbstsicher. Glücklicherweise stellte sich heraus, dass einige von ihnen Deutsch sprechen konnten, andere wiederum Englisch. So gab ich einen Befehl auf Hebräisch, wiederholte ihn auf Deutsch und wartete dann bis er ins Russische, Polnische und Rumänische übersetzt wurde. Das Gleiche tat ich dann mit Englisch, worauf mein Befehl dann ins Französische und Ungarische übersetzt wurde. Dann gab ich wieder den Befehl auf Hebräisch und konnte nur hoffen, dass er auch verstanden und sogar ausgeführt würde. Zu meiner größten Überraschung funktionierte das System weitaus besser, als ich gehofft hatte.

Meine Soldaten, ihrerseits weihten mich in die Geheimnisse der neuen Waffen ein. Es entwickelte sich zwischen uns eine wunderbare Beziehung und ich glaube, dass sie in mir eher einen Talisman als einen Offizier sahen. Nicht dass ich ihnen viel Glück gebracht hätte, denn später brachte ich sie nach Jerusalem, als Verstärkung für die sehr geschwächten Palmach-Truppen. Das war die schwerste und gefährlichste Front, die es damals gab: Dort stand uns die Elite des arabischen Militärs gegenüber, die regulären, transjordanischen Truppen, die Arabische Legion, die über viele Jahre von englischen Berufsoffizieren ausgebildet worden waren und auch von ihnen kommandiert wurden. Das waren weder Freischärler noch ungebildete ägyptische Bauern, sondern hoch trainierte und motivierte Beduinen, die im Krieg ihre Berufung sahen. Gegen diese Truppen kam selbst der Palmach nicht an, und ihretwegen blieben die Altstadt Jerusalems und der direkte Weg zwischen Jerusalem und Tel Aviv bis 1967 in arabischen Händen.

Nur nebenbei möchte ich hier erwähnen, dass der englische Befehlshaber der Altstadt von Jerusalem ein Colonel Lasch war.

Das war die Front, die ich erreichen wollte, als ich die Polizei verließ. Das war der Ort, wo auch meine Kameraden kämpften und wo ihr Regiment aufgerieben wurde, sodass ich bis zum Ende des Krieges auch den Rest der Kameraden meiner Jugend verloren hatte. Nachdem die Zukunft des jüdischen Teils von Jerusalem gesichert war, wurden wir in ein Panzerregiment umgewandelt und in den Süden geschickt, um gegen die Ägypter zu kämpfen. Einmal sind wir sogar tief in den Sinai eingedrungen und haben dort ein ganzes Regiment ägyptischer Soldaten gefangen genommen, ohne dass wir auch nur einen Schuss abgeben mussten. Unser Anblick genügte, die Offiziere in die Flucht zu schlagen, und als wir in die Offiziermesse eindrangen, fanden wir noch Teller mit heißem Essen vor. Die einfachen Soldaten ergaben sich sofort. Während dieser Zeit wurde ich zweimal verwundet und am Ende des Krieges als Kriegsinvalide entlassen. Ich möchte hier noch einen Punkt erwähnen: Obwohl mein Regiment oft auf zerstörte und verlassene Dörfer traf, hatte ich das "Glück", nicht ein einziges Mal an der Räumung eines Dorfes oder einer Stadt teilnehmen zu müssen. Als mein Regiment einmal an so einer Operation beteiligt war, lag ich "zufällig" mit einem schweren Infekt im Krankenhaus. Mein Krieg richtete sich immer gegen die regulären Armeen der arabischen Staaten, die in mein Land eingefallen waren, um uns zu zerstören. Deswegen hatte ich auch nie moralische Bedenken. Das erleichterte mir später meine Arbeit im Gazastreifen. Auf die Hintergründe des Flüchtlingsproblems, wie es entstanden ist, werde ich später noch einmal genauer eingehen.


Dieser Beitrag ist Teil unserer Reihe mit Berichten deutschsprachiger Zeitzeugen zur Entstehung des Staates Israel. Hier die Berichte des damals in Haifa lebenden Eli Erich Lasch, der, 1929 in Hamburg geboren, schon 1936 mit seinen Eltern nach "Eretz Israel / Palästina" kam. Bekannt wurde er vor allem als israelischer Leiter beim Aufbau einer modernen medizinischen Versorgung in Gaza. Hierüber erfahren Sie mehr in seinem Buch "Das Wunder von Gaza".

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Die Tragödie um die Exodus war der Anfang vom Ende des britischen Mandats. Am 29.11.1947 war unser großer Tag...

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Wenn ich heute versuche mich in die Zeit des ersten Krieges, an dem ich persönlich teilgenommen habe, zurückzuversetzen, fällt mir als erstes der völlige Mangel an persönlicher Angst auf. Wir waren damals unserer Aufgabe und ihrer Notwendigkeit so sicher, dass so etwas wie Angst garnicht zur Sprache kam...

Vor sechzig Jahren:
Für mich begann der Krieg am 28.März
Erst am 28.März 1948 wurde der Krieg für mich wirklich ernst. Das war der Tag, an dem ich meine beiden nächsten und wahrscheinlich einzigen wahren Schulfreunde verlor. Beide fielen am selben Tag, einer im Norden und der andere in der Nähe von Jerusalem...

hagalil.com 28-03-2008


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