Wenn ich heute versuche mich in die Zeit des ersten Krieges, an
dem ich persönlich teilgenommen habe, zurückzuversetzen, fällt mir
als erstes der völlige Mangel an persönlicher Angst auf. Wir waren
damals unserer Aufgabe und ihrer Notwendigkeit so sicher, dass so
etwas wie Angst garnicht zur Sprache kam. Zwar wusste keiner von uns, ob er
persönlich überleben würde, aber über den Ausgang des Krieges hatten
wir keine Zweifel. Wir wussten, dass wir siegen würden, weil wir
wussten, dass wir siegen müssen.
Wir kannten die Lebensphilosophie
und die Gewohnheiten der irregulären arabischen Guerillabanden und
wir sahen die Verstümmelung derjenigen von unseren Kameraden, die
das Unglück hatten ihnen lebendig in die Hände zu fallen. Deswegen
drückten wir bei einem Rückzug denen, die wir zurücklassen mussten,
eine entsicherte Granate in die Hand. Das war für uns die
Wirklichkeit. Wir waren uns klar darüber, dass keiner von uns oder
von unseren Familien am Leben bleiben würde, wenn die Araber
siegten, und so hieß unsere Geheimwaffe "Ein Breira": Wir haben
keine Wahl, für uns gibt es keinen anderen Weg. Dahinter standen
natürlich auch die Bilder von Auschwitz und den anderen Lagern.
Was mich anbetrifft, so steckte ich am Anfang des Krieges in der
Uniform der englischen Polizei. Das kam folgendermaßen zustande: Als
wir im Sommer 1947 die Schule beendeten und uns zum "inoffiziellen
Militärdienst" meldeten, ging ich, wie der Rest meiner Gruppe, zum
Palmach, den jüdischen Kommandotruppen, um dort meine Ausbildung als
Offizier zu beenden. Stattdessen schickte man mich zur Polizei, um
in diesem Rahmen die Dressur von Kampfhunden zu lernen. Das passte
mir ganz gut, denn ich liebte Hunde sehr, und obwohl ich nie einen
eigenen gehabt hatte, verstand ich mich wunderbar mit ihnen. Ich
dachte sogar an die Möglichkeit, Tierarzt zu werden. Außerdem
glaubte niemand daran, dass alles so schnell gehen würde. Als der
Krieg nun doch ausbrach, war ich in dieser Position gestrandet, denn
noch beherrschten die Engländer das Land, und ich hatte mich für ein
ganzes Jahr verpflichtet. Hinzu kam noch, dass wir englische
Vorgesetzte hatten, die sehr scharf auf uns aufpassten, damit wir
nicht etwa ihre Waffen "missbrauchen" würden, was ihnen natürlich
nicht viel geholfen hat.
Abb.: "Als Soldat mit Schaitan, 1948"
Während des Tages war ich "sehr brav" und
erfüllte alle meine Pflichten, aber in den Nächten, in denen ich
frei hatte, war ich immer zur Stelle, wo ein Kampfhund und ein
zusätzliches und noch dazu legales Gewehr gebraucht wurden. Legal
war das, was ich tat, zwar auch nicht, aber gerade an der Naht
zwischen den jüdischen und den arabischen Vierteln Haifas erwies
sich die Verbindung aus einem Gewehr und einem schwarzen Boxer, den
die Araber als eine Inkarnation des Teufels betrachteten und der deshalb
auch Schaitan hieß, als sehr effektiv. Wir hatten viel interessante
Erlebnisse zusammen. Da ich sehr blond war, fließend Englisch sprach und eine englische
Uniform trug, trat ich oft als englischer Offizier auf und konnte
deshalb ungeschoren in arabische Viertel eindringen, um
Informationen zu sammeln. Eine genauere Untersuchung seitens der
Araber wurde gewöhnlich von Schaitan verhindert.
Einmal landete ich doch im englischen Gefängnis, und zwar ergab
ich mich den Engländern, um einen höheren Offizier der Haganah
entkommen zu lassen. Den Engländern erzählte ich dann, dass ich mich
auf dem Weg nach Hause verirrt hätte, aber ich bin nicht sicher,
dass sie mir glaubten. Am Ende rettete mich wieder Schaitan. Der
machte nämlich im Gefängnis so einen Radau und verängstigte dermaßen
die anderen Häftlinge, dass man mich am nächsten Morgen laufen ließ...
Dieser Beitrag ist Teil unserer Reihe mit Berichten deutschsprachiger Zeitzeugen zur
Entstehung des Staates Israel. Hier die Berichte des
damals in Haifa lebenden Eli Erich Lasch, der, 1929 in Hamburg
geboren, schon 1936 mit seinen Eltern nach "Eretz Israel /
Palästina" kam. Bekannt wurde er vor allem als israelischer Leiter
beim Aufbau einer modernen medizinischen Versorgung in Gaza.
Hierüber erfahren Sie mehr in seinem Buch "Das
Wunder von Gaza".
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