[Unterwegs
zum 14. Mai 1948]
In unserer Reihe mit Berichten deutschsprachiger Zeitzeugen zur
Entstehung des Staates Israel, bringen wir auch den Bericht des
damals in Haifa lebenden Eli Erich Lasch, der, 1929 in Hamburg
geboren, schon 1936 mit seinen Eltern nach "Eretz Israel /
Palästina" kam. Bekannt wurde er vor allem als israelischer Leiter
beim Aufbau einer modernen medizinischen Versorgung in Gaza.
Hierüber erfahren Sie mehr in seinem Buch "Das
Wunder von Gaza".
Für uns war die Situation klar und einfach:
Die Zeit vor der Staatsgründung
Eli Lasch erinnert sich an die Zeit vor der
Staatsgründung Israels
Für uns war die Situation 1948 klar und einfach: Nach zweitausend
Jahren Exil und besonders nach dem Holocaust wollten wir unsere
historische Heimat wieder haben, und jeder, der versuchte das zu
verhindern, war automatisch unser Feind.
Wir fühlten uns nicht als
Kolonialisten, wie die Araber uns gerne bezeichnen, sondern als
diejenigen, denen das Land gehört und auch immer gehört hat. Für uns
hat es auch niemals ein "Palästina" gegeben, denn das war der Name,
den der römische Kaiser Hadrian unserem Land nach dem Aufstand Bar Kochbas im zweiten Jahrhundert u.Z. gegeben hatte. Für uns gab es
nur ein "Eretz Israel", das Land Israel, die ewige Heimat, die das
jüdische Volk direkt von Gott bekommen hat. Im Gegensatz zu vielen
Völkern der Antike, die von der Oberfläche der Welt verschwunden
sind, fühlten wir uns heute noch als die direkten Nachkommen und
Erben der Bewohner des Landes, die von den Römern vor zweitausend
Jahren verjagt worden waren. Deshalb haben wir auch unser Anrecht
auf das Land niemals aufgegeben. Solange wir nicht die Macht hatten,
was uns gehörte zurückzugewinnen, konnten wir nur über die
Zerstörung trauern, an der (Klage-)Mauer über unser Schicksal klagen,
und jedes Jahr aufs Neue betonen, dass wir "im nächsten Jahr in
Jerusalem" sein werden.
Einerseits waren wir überall fremd, weil wir
es so wollten, aber andererseits hat man es uns auch nicht
ermöglicht, irgendwo Fuß zu fassen. Die beiden einzigen Versuche uns
an die lokale Bevölkerung anzupassen, in Spanien und in Deutschland,
endeten in Katastrophen. So blieb eben unsere (historische) Heimat
2000 Jahre lang das Land, das die Welt Palästina nannte, und daran
hatte sich nichts geändert. Der einzige Unterschied zwischen uns und
unseren Vorfahren bestand darin, dass wir nicht mehr bereit waren
auf den Messias zu warten, um in unser Land zurückzukehren. Dieses war von Anfang an das
einzige Ziel der zionistischen Bewegung und ist es auch bis heute
geblieben.
Solange die Engländer bereit waren uns bei der
Verwirklichung dieses Zieles zu helfen, waren sie unsere Verbündeten
und Freunde. Als sie anfingen uns dabei zu stören, verwandelten sie
sich automatisch in unsere Feinde. In den Jahren vor dem
UNO-Teilungsbeschluss 1947 waren es deshalb die Engländer, die wir
als unsere Feinde ansahen und nicht die arabische Bevölkerung. Diese
wurde in unseren Augen erst zum Feind, als sie nicht bereit war die
Teilung des Landes hinzunehmen und sich aktiv dagegen wehrte.
In den 30 Jahren des Mandats hatte sich natürlich auch die
arabische Bevölkerung Palästinas sehr verändert. Während sich die
jüdische Bevölkerung in diesen Jahren um das Zehnfache, von 60.000
auf 600.000, vermehrt hatte, hatte sich die arabische Bevölkerung
verdoppelt (von 630.000 auf ca. 1.3000.000) und war viel
selbstbewusster geworden. Für sie war die Situation wahrscheinlich
genau so klar wie für uns. Palästina war IHR Land, das Land, in dem
sie und ihre Vorfahren schon immer gelebt hatten, und inzwischen
gibt es auch Indizien, die darauf hinweisen, dass viele Araber,
insbesondere diejenigen, die in den Bergen ansässig sind, die
Nachkommen der Einwohner Judäas sind, die nicht ins Exil gegangen
waren. Als das byzantinische Reich, dem das Land angehörte,
christlich wurde, traten sie nach und nach zum Christentum über und
als das Land von den Mohammedanern erobert wurde, zum Islam.
Da der
ganze Nahe Osten in den letzten 2.000 Jahren immer eine politische
und demographische Einheit war, die sich seit über 1.000 Jahren als
arabisch definiert, sahen sich die Bewohner Palästinas als Araber an
und nicht spezifisch als Palästinenser. Sie waren Ansässige, die
sich ihrer Identität sehr bewusst waren. Aber das trifft nicht auf
alle zu. Es gab auch einen Prozess, der parallel zur jüdischen
Einwanderung lief. Laut dem türkischen Zensus lebten 1870 in
Palästina nur 367.000 Muslime. In einigen Quellen wird sogar
behauptet, dass es im Jahre 1882 weniger als 150.000 Araber in
Palästina gab. Reisende wie Alphonse Lamartine im Jahre 1832 und
Mark Twain im Jahre 1867 beschrieben das Land als leer und brach
liegend.
Um Walid, den Sohn eines muslimischen Schullehrers aus
Bethlehem zu zitieren: "Während ich in Palästina lebte, konnte
jeder, den ich kannte, seine Herkunft zurückverfolgen bis zu dem
Ursprungsland, aus dem seine Urgroßeltern kamen. Jeder wusste, dass
er nicht von den
Kanaanitern abstammte, aber
ironischerweise wird solches Zeug heutzutage an den Schulen im
Mittleren Osten gelehrt. Tatsache ist, dass die Palästinenser von
heute Einwanderer aus den umgebenden Nationen sind!" Das wurde
auch von vielen Forschern bestätigt. Ende des 19. Jahrhunderts
wanderten viele Zehntausende Bauern aus Nordafrika, Ägypten,
Bosnien, Kurdistan und dem Kaukasus ein sowie beduinische
Stämme. Viele von ihnen gründeten neue Dörfer, insbesondere in den
spärlich besiedelten Küstengebieten und Hügeln Galiläas, und gaben
ihnen Namen, die auf ihre Herkunft hinwiesen.
Das wirtschaftliche Aufblühen des Landes und insbesondere der
Großstädte infolge der jüdischen Einwanderung bewirkte den Zuzug
einer weiteren Welle von arabischen Immigranten aus den arabischen
Anrainerländern. Selbst Churchill, der bestimmt nicht sehr
pro-zionistisch war, erklärte 1939: "Nicht nur, dass die Araber
nicht verfolgt wurden, sondern sie sind massenweise in das Land
eingewandert und haben sich so vermehrt, dass das ganze jüdische
Volk das nicht aufholen kann."
Die Tatsache, dass das Land vernachlässigt, verwildert und
versumpft war, hat sie nicht besonders aufgeregt, denn so sah der
ganze Nahe Osten damals aus. Während sie zum Boden gehörten, gehörte
der Großteil des Bodens nicht ihnen. Bis zum Ende des 19.
Jahrhunderts herrschte im Nahen Osten noch der Feudalismus und die
Böden gehörten zum großen Teil abwesenden Effendis. Die Teilung des
Nahen Ostens in die Staaten, die wir heute kennen, ist ein
Vermächtnis der Kolonialmächte und geschah erst nach dem Ersten
Weltkrieg, um die Söhne der haschemitischen Verbündeten zu belohnen,
die inzwischen aus ihrem Königreich auf der arabischen Halbinsel
vertrieben worden waren.
Ein eigenes Nationalgefühl entwickelte sich
erst zur gleichen Zeit wie der Zionismus, und wie schon Amos Elon
in seinem Buch "die Israelis" bemerkte, ist es fast ironisch, dass
es der jüdische Zionismus war, der einen arabischen "Zionismus" in
die Welt gesetzt hat. Jetzt ist er aber da und besteht auch weiter.
Zwei Völker, die um denselben Fetzen Land und um dieselben heiligen
Orte kämpfen...
Aus Eli
Lasch:
Das Wunder von Gaza
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