Die Bundesregierung in Bonn weigerte sich
jahrzehntelang, Renten an Opfer der Shoah in Osteuropa zu bezahlen. Erst
im Vorjahr wurde mit der Jewish Claims Conference ein Kompromiss zur
Rentenzahlung an Überlebende erzielt. Die nunmehrige Entscheidung,
Freiwilligen der Waffen-SS aus Lettland Renten auszuzahlen, würde
bedeuten, sie offiziell zum Bestandteil der deutschen Erinnerung erster
Güte zu erklären. Die wenigen Überlebenden der Mordaktionen des Arajs
Kommando und der Polizeibatallione im Baltikum (welche in die im Jahre
1943 gebildeten SS-Einheiten integriert wurden), als Fußnote der
Geschichte weiterhin darben müssen.
Mehr als 94% der 70.000 Juden in Lettland
wurden durch die Nazis und ihre Helfer ermordet. Aus ganz Europa wurden
Juden nach Lettland gebracht und dort ermordet. Ähnlich war es in
Litauen, von 220.000 Juden am Anfang des Krieges wurden mehr als 93%
ermordet. Sowohl in Litauen, wie auch in Lettland, geschah dies oft
bevor die Deutschen überhaupt eintrafen.
Unser Appell an Roman Herzog: Setzen
Sie diesem unendlichen Skandal ein Ende!!! Keine Rente aus Deutschland
für die Schergen der Nazis und ihren Mitläufern!!!
Die "Humanitären Gesten", die Deutschland
bisher setzte, hatten mit den Opfern der Shoah nichts zu tun. Im
Gegenteil: Ein Heim in Litauen wird in hoher Wahrscheinlichkeit eher den
Tätern zugute kommen, die nunmehr "Helden im Kampf gegen das
Sowjetsystem" werden (laut Diktion der gültigen Rechtsprechung in
Litauen).
GENUG DAMIT!!!
Keine Rente für
SS-Veteranen in Lettland
Noch immer werden Opfer
des Nazi-Terrors schäbig behandelt, noch immer müssen beispielsweise
ehemalige Zwangsarbeiter aus Osteuropa auf eine ohnehin nur symbolische
Entschädigung warten. Derweil haben Osteuropäer, die damals mit den
Deutschen gemeinsame Sache machten, beispielsweise als Angehörige der
einstigen Waffen-SS, gute Chancen, von der Bundesrepublik noch eine
Rente zu bekommen. Nach der jüngsten Entscheidung des
Bundessozialgerichts sogar mehr denn je.
Die Kasseler Richter haben jetzt
entschieden: Wer als Angehöriger der Waffen-SS im Kriegseinsatz verletzt
worden ist, muß nach dem Bundesversorgungsgesetz eine Entschädigung
erhalten wie jeder Soldat der Wehrmacht auch. Das gelte gerade auch für
Letten, die sich damals freiwillig zur Waffen-SS gemeldet hatten. Nur
bei ausländischen Verbänden, die auf deutscher Seite gekämpft, aber
''andere, selbständige Ziele'' verfolgt hätten, gelte etwas anderes. Das
Landessozialgericht Baden-Württemberg hatte das in den Jahren 1996 und
1997 noch anders gesehen. Offenkundig unter dem Eindruck der damals
entbrannten öffentlichen Diskussion über die so unterschiedliche
Behandlung von Opfern und Tätern hatten die Stuttgarter Richter zwei
Letten eine Kriegsopferrente verweigert. Dabei sind die Stuttgarter, wie
jetzt auch die Kasseler Richter, mit keinem Wort auf die verwerfliche
Rolle der Waffen-SS eingegangen. Sie versuchten vielmehr, den
Rentenanspruch mit einer sehr formalen Argumentation abzuweisen. Die
SS-Truppen, so die Stuttgarter damals, seien kein Teil der Wehrmacht
gewesen. Für einen ''militärähnlichen Dienst für eine (andere) deutsche
Organisation'' gebe es aber nach dem Bundesversorgungsgesetz keine
Entschädigung. So glaubten sie, die Zahlungen an SS-Angehörige begrenzen
zu können, ohne allzutief in eine inhaltliche Diskussion einsteigen zu
müssen.
Der 9. Senat des Bundessozialgerichts
folgte dieser Argumentation jetzt nicht. Das oberste Sozialgericht
verweist darauf, daß der Gesetzgeber seit Anfang 1998 sogar ausdrücklich
die Angehörigen der Waffen-SS in den Kreis der Versorgungsempfänger
einbezogen hat, die früher dort vorsichtshalber nicht namentlich
aufgeführt waren. Vollzogen wurde diese Änderung ausgerechnet bei dem
Versuch, dem einen oder anderen Übeltäter die Rente nachträglich
streichen zu können. Dies kann jedoch nur geschehen, wenn dem einzelnen
die Beteiligung an Verbrechen gegen die Menschlichkeit nachgewiesen
werden kann - auch bei Angehörigen der Waffen-SS. Daß Mitglieder der
Waffen-SS Anspruch auf eine Rente haben, ist ständige Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts gewesen. Und: ''Es besteht kein Anlaß, diese
Rechtsprechung aufzugeben'', heißt es jetzt trotzig und ostentativ in
der Urteilsbegründung des Kasseler Gerichts, das um die politischen
Folgen seiner Entscheidung sehr wohl weiß.
In einer Presseerklärung des
Stuttgarter Anwaltsbüros Schnabel und Heinz, das Kläger aus Lettland
vertreten hat, steht denn auch: ''Darüber hinaus dürfte das
Urteil in seinem sachlichen Gehalt auch zu einer erheblichen
Versachlichung der Diskussion über die Rolle der Waffen-SS...beitragen.''
Die Gerichte hätten übrigens nicht
zwingend so grundsätzlich über die Anträge der Kläger aus Lettland
entscheiden müssen. In der ersten Instanz war einer der Kläger
beispielsweise schon mit der Begründung abgelehnt worden, es sei
keineswegs nachgewiesen, daß die Gesundheitsschädigungen, insbesondere
eine erst Jahrzehnte später aufgetretene Epilepsie, überhaupt Folgen von
Kriegsverletzungen seien. Die übergeordneten Instanzen wollten aber
erkennbar ausgerechnet an diesem Beispiel zwei - einander nun
widersprechende - Grundsatzentscheidungen fällen.
Was die aus der Ferne klagenden,
lettischen SS-Männer damals genau gemacht haben, spielte in allen drei
Instanzen übrigens keine Rolle; ihre persönliche Lebensgeschichte ist
den anderen Verfahrensbeteiligten unbekannt. Die Fälle sind jetzt an das
Stuttgarter Landessozialgericht zurückverwiesen worden. Es geht dabei
nicht um weltbewegende Summen, um eine Rente von wenigen hundert Mark im
Monat, was sich aber rückwirkend bis zum Zeitpunkt der Antragstellung
Anfang der neunziger Jahre auch jeweils zu einem Betrag von mehreren
10.000 Mark summieren würde. Das ist in Lettland viel Geld. Und
es ist weit mehr, als irgendein Zwangsarbeiter, sofern er denn vor
seinem Tod überhaupt noch eine Entschädigung erhält, je erhoffen dürfte.
Formaljuristisch mag man so
argumentieren wie das Bundessozialgericht, und man kann auch darauf
verweisen, daß die Leistungen im Sozialrecht nach formalen Kriterien
ohne moralische Wertung zu gewähren sind. Bemerkenswert ist aber schon,
welcher Menschen sich die deutsche Justiz nachhaltig und effektiv
annimmt und welche Menschen sie zur selben Zeit - bis hinauf zum
Bundesverfassungsgericht - abweist oder aber auf den
Sankt-Nimmerleins-Tag vertröstet. Die neue Diskussion um eine
Entschädigung der Zwangsarbeiter jedenfalls ist erst angestoßen worden,
nachdem die von der deutschen Justiz bitter enttäuschten Kläger begonnen
haben, ihr Recht anderswo zu suchen. Die Justiz kann, wenn sie denn
will, durchaus über den Einzelfall hinaus etwas bewirken.
(Hervorhebungen: haGalil onLine)