
Einsatzgruppen
Die Einsatzgruppen wurden im Frühjahr 1941 mit dem Zweck
gebildet, während des Rußlandfeldzuges die sogenannte
'jüdisch-bolschewistische Intelligenz' zu beseitigen. Schnell wurde der
Kreis der Opfer erweitert: Zuerst nur die Politfunktionäre, dann folgten
alle Beamten, dann alle Partisanenverdächtigen und schließlich jeder
einzelne Jude, erst die Männer, dann auch Frauen und Kinder.
Im März 1941 äußerte sich Hitler das erste Mal zu General Jodl über die
Notwendigkeit, daß Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei (SD) entstehen
sollen und eine Vereinbarung mit Heydrich über die Rolle dieser
Einsatzgruppen im Ostfeldzug getroffen werden müsse. Die Wehrmacht
erklärte sich mit einer freien und unbegrenzten Tätigkeit dieser
Einsatzgruppen einverstanden. Einen Befehl zur Endlösung hatte es noch
nicht gegeben. Dieser kam am 21. Januar 1942 während der
Wannsee-Konferenz, nachdem schon vorher während des Rußlandfeldzuges
(Operation Barbarossa) fast eine Million Juden ermordet worden waren.
Im Mai '41 hatte Heydrich ungefähr 3000 Mann beisammen, die in vier
Einsatzgruppen eingeteilt wurden:
- Die Einsatzgruppe A sollte der Heeresgruppe Nord in die Baltischen
Staaten bis nach Leningrad folgen und wurde von Stahlecker kommandiert.
- Die Einsatzgruppe B, von Nebe geleitet, folgte der Heeresgruppe Mitte
mit dem Operationsraum zwischen den Baltischen Staaten und Ukraine.
- Die Einsatzgruppe C führte Rasch. Sie operierte westlich und nördlich
von der Heeresgruppe Süd.
- Die Einsatzgruppe D unter Ohlendorf operierte zwischen Bessarabien und
dem Krimgebiet, im Süden der Heeresgruppe Süd.
Die Einsatzgruppen hatten Bataillonsstärke und setzten sich ähnlich wie
die Gruppe A zusammen: Männer der Gestapo (9%), des SD (3,5%), der
Kriminalpolizei (4,1%), der Ordnungspolizei (13,4%), ausländischer
Hilfspolizei (8,8%) und der Waffen-SS (34%). Den Rest bildeten
technisches und Schreibpersonal. Jede Einsatzgruppe hatte zwei
Abteilungen: Einsatz- und Sonderkommandos mit 70 bis 120 Leuten und
Teilkommandos mit 20 bis 30 Mann.
Ende Mai rief Heydrich die 120 Führer der Einsatzgruppen und
Einsatzkommandos in Pretzsch an der Elbe zusammen, wo sie immer
deutlicher auf den Massenmord getrimmt wurden. Auch wenn es wenig
schriftliche Befehle gab, die Männer wußten, was von ihnen erwartet
wurde.
Mit dem Anfang der Operation Barbarossa (22.6.1941) "brachen Heydrichs
Todesboten zu ihrem grauenhaftesten Abenteuer auf: 3000 Männer jagten
Rußlands 5 Millionen Juden." (Heinz Höhne, "Der Orden unter dem
Totenkopf", S.330)
Die russischen Juden traf dies völlig unvorbereitet. Kaum jemand kannte
die Gefahr des deutschen Antisemitismus. Die antijüdische,
stalinistische Presse berichtete kaum darüber.
Die Einsatzgruppen folgten direkt der Wehrmacht und nutzten dadurch den
Überraschungseffekt. Kaum war eine Stadt erobert, mordeten schon die
Verausabteilungen der Einsatzgruppen. Eine "Erfolgsmeldung" folgte der
anderen. Nach späteren gerichtlichen Ermittlungen wurden z.B. in Kowno
in mehreren Aktionen vom 29.6.41 an über 2500 Juden ermordet. Die
Meldung vom Einsatzkommando III unter Jäger berichtet von den in den
ersten Juli-Tagen ermordeten 2930 Juden und 47 Jüdinnen. Andere
Kommandos waren genauso "fleißig". Zitat aus der Ereignismeldung der
Einsatzgruppe B vom 13. Juli:
"Die Tätigkeit aller Kommandos hat sich zufriedenstellend entwickelt.
Vor allem haben sich Liquidierungen eingespielt, die jetzt täglich in
größerem Maße erfolgen!" (Jäckel, "Der Mord an den Juden im zweiten
Weltkrieg", S.95)
Für die Mitglieder der Einsatzgruppen wurde mit der Zeit immer
deutlicher, daß nicht nur jüdische Kommunisten, sondern alle Juden,
später auch jüdische Frauen und Kinder gemeint waren. Anfangs wurden
vorwiegend zwei Arten von Rechtfertigungen als Vorwand benutzt: Sorge
vor Seuchengefahr und Abwehr jeder Zusammenarbeit der Juden mit dem
Feind. Es kamen "Angriffe auf die Wehrmacht", "Brandstiftung" und
"Oppositionsgeist" hinzu. So heißt es in der Meldung der Einsatzgruppe
C: "Zur Beseitigung der Seuchengefahr wurden vom Kommando 4a 1107
erwachsene Juden und von der ukrainischen Miliz 661 jugendliche Juden
erschossen."
"Bis zum 6.9.41 hat dieses eine Kommando 4a insgesamt 11328 Juden
ermordet", heißt es weiter in der Meldung.
In Kiew, berichtet die Einsatzgruppe C, wurde die jüdische Bevölkerung
zur Umsiedlung aufgefordert. Man rechnete mit etwa 5000, es kamen aber
30.000 Juden, die bis unmittelbar vor ihrer Exekution noch tatsächlich
an eine Umsiedlung geglaubt hatten.
Solche Beispiele könnte man fortführen. Auf jeden Fall meldeten bis zum
Winter 1941/42 die Einsatzgruppe A 249.420, die Einsatzgruppe B 45.467,
Gruppe C 95.000 und Gruppe D 92.000 'liquidierte Juden'.
Das Morden ging weiter. Bald kam als Rechtfertigungsgrund die These
dazu, alle Juden seien Partisanen. Diese These gehörte zu einem neuen
Vernichtungsprogramm, das Anfang '42 begann: Der Judenmord wurde jetzt
unter dem Namen des Kampfes gegen die Partisanen begangen und zog auch
die Wehrmacht durch gemeinsame Aktionen in die Schuldfrage des
Verbrechens hinein. Die Einsatzgruppen verwandelten sich in stationäre
Kommandostellen der Sicherheitspolizei und des SD. In verschiedenen
Aktionen wurden hunderttausende von Juden ermordet. Insgesamt waren von
2,5 Millionen Juden 900.000 liquidiert worden.
Obwohl die Endlösung der Judenfrage offiziell erst am 20.1.1942 während
der Wanseekonferenz bekannt gegeben wurde, muß man davon ausgehen, daß
die allgemeine Judenvernichtung bereits am Anfang des Rußlandfeldzuges
im Juni '41 beschlossene Sache war.
Wochen danach wurden die Einsatzgruppen nach und nach informiert, daß
alle Juden zu vernichten seien. (Aug.-Sep.'41)
Die Einsatzgruppen arbeiteten anfangs in Unkenntnis der Tatsache, daß
sie Vorreiter der Endlösung waren. Ab Herbst war die Lage für sie klar.
Ab 20.1.1942 ging es dann um die Ausrottung der Juden in allen von
Deutschland besetzten Gebieten Europas.
Die Verfolgung wird auf ganz Europa ausgedehnt
Noch bevor die Judenvernichtung in Rußland beendet worden war, befahl
Himmler, zu einer neuen Phase des Massenmordes überzugehen. Es
entstanden stationäre Todesfabriken. An Stelle der Erschießungen wurden
Vergasungen eingeführt.
Die Juden, die in den Ghettos immer noch lebten, wurden in die
Konzentrationslager gebracht. Ein Lager entstand nach dem anderen. Schon
in Rußland wurden einige Male Gaswagen zur Tötung von Juden eingesetzt
und erprobt.
Das erste richtige Vernichtungslager entstand nicht weit von
Litzmannstadt (Lodz) in Kuhnhof. Es wurden aber noch herkömmliche
Methoden angewendet, die Vergasung funktionierte nicht immer. Doch
schnell wurde das Verfahren perfektioniert, indem Blausäuregas Zyklon B
(aus deutscher Erfindung und Produktion) benutzt wurde.
Von den 3 Millionen Juden, die in Polen vor dem Kriege lebten, sind 2,3
Millionen während der deutschen Herrschaft vernichtet worden. Fast alle
mußten in den ersten Monaten in die Ghettos ziehen, die als Sammelplätze
der Judenauswanderung getarnt waren. Seit Anlaufen der Endlösung wurden
sie zu Warteräumen auf den Tod.
Am 19.4.1942 schreibt Himmler: "Ich ordne an, daß die Umsiedlung der
gesamten jüdischen Bevölkerung des Generalgouvernements bis zum 31.
Dez.1942 durchgeführt und beendet ist." (H.Höhne, S.347) Daraufhin
bewegten sich die Züge planmäßig in die Mordfabriken. Ein Ghetto nach
dem anderen wurde geleert. Bis Ende '42 waren 3/4 der polnischen Juden
ermordet.
Transporte in den Tod
Der Weg in den Tod begann für die mittel- und westeuropäischen Juden
auch schon vor der Wannseekonferenz. Im Oktober 1941 wurden von
SS-Obersturmbannführer Eichmanns Mitarbeitern zum ersten Mal Transporte
in den Tod geschickt. Im November kamen Juden aus dem Altreich und
Österreich in den zu Tode verurteilten Ghettos von Minsk, Riga und
Litzmannstadt an. Nächste Opfer waren die niederländischen Juden. Ab '42
mußten sie den gelben Stern tragen, ab Juli rollten die Todestransporte
nach Osten. Von 110.000 Deportierten überlebten 6000.
Danach kamen Frankreich und Belgien. Aber hier wurde die Arbeit für
Eichmanns Leute schwieriger. Als Militärbefehlshaber war in Belgien und
Nordfrankreich General von Falkenhausen eingesetzt. Der wehrte sich bis
zu seiner eigenen Verhaftung im Juli '44 erfolgreich gegen Eingriffe der
Sicherheitspolizei. Die Judenvernichtung verlangsamte sich dadurch. Von
den 52.000 Juden, die in Belgien lebten, kamen 24.000 ums Leben, kaum
aber einer, der eine belgische Staatsangehörigkeit besaß. In Frankreich
verlief es ähnlich. Und auch die italienischen Militärs in ihrer
französischen Besatzungszone verboten Aktionen gegen Juden. Erst
Italiens Kapitulation im Sommer 1943 nahm den französischen Juden ihren
Beschützer. Auch in Italien selbst bekamen Eichmanns Leute
Schwierigkeiten. In den Balkanstaaten war die Wehrmacht williger Helfer
der Endlösung. Fast alle Juden endeten in den Vernichtungslagern. In
Frankreich aber entgingen 80% der Juden dem Tod.
Das Programm der Judenvernichtung ließ sich immer schwieriger
verwirklichen. Dies hing mit zwei Ereignissen zusammen: Mit Hitlers
sinkendem Kriegsglück und mit den Nachrichten über die wahre Natur der
Judenumsiedlung, die sich in der ganzen Welt verbreiteten.
Die Bilanz der 'Endlösung der Judenfrage' ist unfaßbar: Fast 6
Millionen Morde!
Ein Deutschreferat zum Themenbereich: Juden im 3.Reich
von Jurek R.
Bibliographie:
- "Brockhaus Enzyklopädie" in 24 Bänden/19. Auflage / F.A.
Brockhaus, Mannheim
- Heinz Höhne, "Der Orden unter dem Totenkopf" / Wilhelm
Goldmann Verlag
- "Der Mord an den Juden im zweiten Weltkrieg" / Herausgegeben
von E. Jäckel und J.Rohwer / Fischer Taschenbuch Verlag
- Eugen Kogon, "Der SS-Staat" / Kindler-Verlag 1974
haGalil onLine: Juni
98 |