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Koscher leben...
 
 

Nachdem aus den im Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) verwalteten Mitteln zur Bekämpfung von Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus eine Publikation hervorging, die die Behauptung "die Juden haben Christus umgebracht" ausdrücklich als richtig bezeichnet, sehen wir uns veranlasst noch einmal deutlich und ausdrücklich darauf hinzuweisen: Die Juden sind nicht schuld am Tod des Jesus von Nazareth - ganz im Gegenteil - doch lesen Sie selbst...

[Der Prozess Jesu aus Sicht des Jüdischen Rechts]

G. Miller

  1. Einführung
  2. Die Verhaftung Jesu
  3. Im Hause des Hohepriesters
  4. Thesen zur Aufrechterhaltung der Theorie eines jüdischen Prozesses
  5. Schlusswort

3. Teil zum Prozess Jesu aus jüdischer Sicht:
Im Hause des Hohenpriesters

Obwohl Jesus von römischen Soldaten verhaftet worden war, wurde es den jüdischen Tempelpolizisten gestattet, Jesus zum Haus des Hohenpriesters zu bringen.

Dort soll dann folgendes geschehen sein: der Hohepriester hat den Großen Sanhedrin in jener Nacht in seinem privaten Haus zusammengerufen. Dort sei Jesus aufgrund jüdischen Rechts wegen des Vorwurfs der Gotteslästerung vor Gericht gestellt, aufgrund seines eigenen Bekenntnisses dieses Verbrechens für schuldig befunden und zum Tode verurteilt worden (Mk 14, 53 ff.; Mt 26, 57 ff.).

Diese Darstellung der Geschehnisse erweist sich als unvereinbar mit vielen alten Bestimmungen des jüdischen Rechts. Auf diese Bestimmungen soll im Folgenden eingegangen werden.

3.1. Der Ort des Verfahrens

Der Große Sanhedrin durfte nicht außerhalb des Tempelbezirks, also nicht in einem Privathaus als Strafgericht tagen und Kriminalfälle behandeln. Diese Regel folgt direkt aus dem Deuteronomium (Dtn 17, 8) "Wenn eine Sache vor Gericht dir zu schwer sein wird, […] so sollst du dich aufmachen und hinaufgehen zu der Stätte, die der Herr, dein Gott, erwählen wird." Der von Gott erwählte Ort indes ist der Tempel und nur dort soll der Sanhedrin sich versammeln und Recht sprechen. Aus Dtn 17, 10 lässt sich folgern, dass Entscheidungen, Erlasse, Urteile nur dann bindend waren, wenn der Sanhedrin im Tempel getagt und seine Sitzungen abgehalten hat. In diesem Vers steht, dass "…du dich an den Spruch halten [sollst], den sie dir an dieser Stätte, die der Herr auswählt, verkünden, und du sollst auf alles, was sie dich lehren, genau achten und es halten." Es wird noch einmal explizit auf diesen besonderen, nämlich vom Herrn erwählten Ort hingewiesen. Also nur dann, wenn Erlasse, Urteile und ähnliches auf Sitzungen im Tempel vom Hohen Rat erlassen wurden, entfalteten diese eine Bindungswirkung und waren durchsetzbar (vgl. B Sanhedrin 41b).

3.2. Die Zeit des Verfahrens

Ein Strafprozess, wie er gegen Jesus stattgefunden haben soll, durfte nicht während der Nacht stattfinden, sondern mussten während des Tages begonnen und abgeschlossen werden. Diese Regel ergibt sich aus der Mischna (Sammlung der mündlichen Gesetzesüberlieferungen aus den Jahren 0-200 n. Chr.): "Verhandlungen über Geldsachen werden am Tage geführt und können nachts geschlossen werden, Verhandlungen über Todesstrafsachen werden am Tage geführt und müssen auch am Tage geschlossen werden. Bei Geldsachen wird das Urteil am Tage der Verhandlung gefällt, ob zugunsten oder zuungunsten, bei Todesstrafsachen aber kann das Urteil am selben Tag nur zugunsten gefällt werden, zuungunsten aber erst am folgenden Tage. Daher wird weder am Vorabend des Sabbats noch am Vorabend des Festes Gericht abgehalten" (M Sanhedrin IV, 1).

3.3. Kein Strafprozess an Feiertagen oder am Vorabend eines Feiertages

Aus dem unter 3.2. zitierten Auszug aus der Mischna ergibt sich eine weitere Regel: Gegen keinen Menschen durfte an Feiertagen oder am Vorabend eines Festes ein Strafprozess durchgeführt werden. Nach Markus (Mk 14, 1) wollten die Hohenpriester und die Schriftgelehrten Jesus töten. Die Verhaftung Jesu fand am Vorabend des Passahfestes statt. Da nach der oben genannten Regel bei Todesstrafsachen das Urteil zuungunsten erst am nächsten Tag gefällt werden durfte, hätte dieses am ersten Tag des Passahfestes geschehen müssen.

3.4. Verurteilung aufgrund von Zeugenaussagen, nicht wegen eigenen Geständnisses

Kein Mensch durfte aufgrund seines eigenen Zeugnisses oder kraft seines eigenen Geständnisses verurteilt werden. Ein Mensch durfte nur aufgrund des Zeugnisses (mindestens) zweier rechtsfähiger Augenzeugen wegen eines Kapitalverbrechens verurteilt werden. Diese Vorschriften folgen, wie schon die Regel über den Tempel als Gerichtsort, aus dem Buch Deuteronomium. Im Vers Dtn 17, 6 steht geschrieben: "Wenn es um Leben oder Tod eines Angeklagten geht, darf er nur auf die Aussage von zwei oder drei Zeugen hin zum Tode verurteilt werden. Auf die Aussage eines einzigen Zeugen hin darf er nicht zum Tod verurteilt werden." Diese Vorschrift wird wiederholt in Dtn 19, 15: "Wenn es um ein Verbrechen oder ein Vergehen geht, darf ein einzelner Belastungszeuge nicht Recht bekommen, welches Vergehen auch immer der Angeklagte begangen hat. Erst auf die Aussage von zwei oder drei Zeugen darf eine Sache Recht bekommen." Zu den Unterschieden zwischen Zivilfällen und Strafprozessfällen gehört, dass ein Mensch zwar in Zivilfällen durch sein eigenes Geständnis gebunden ist, nicht aber in Strafprozessen; jedes Bekenntnis, ob innerhalb oder außerhalb des Gerichts, ist als Beweismaterial gegen ihn unzulässig (vgl. T Schebuot III, 8).

Nach den Überlieferungen von Matthäus und Markus trug sich indes folgendes zu: obwohl eine Vielzahl von Zeugen aufgeboten wurde, widersprachen sich deren Aussagen, so dass diese nicht geeignet waren, um eine Verurteilung aussprechen zu können (Mt 26, 59, 60; Mk 14, 55, 56). Daraufhin wurde Jesus selbst befragt und legte ein "Geständnis" ab. Dieses "Geständnis" soll zu dem Ausspruch des Hohenpriesters geführt haben "Das ist eine Gotteslästerung! Wir brauchen keine Zeugen mehr! Ihr habt es ja selbst gehört" (Mt 26, 65; Mk 14, 63, 64). Ob tatsächlich eine Gotteslästerung durch Jesus vorgelegen hat (dazu später unter 3.6. Das Kapitalverbrechen der Gotteslästerung), kann an dieser Stelle dahinstehen, denn das Erfordernis, dass ein Mensch nur aufgrund der Aussagen von mindestens zwei Augenzeugen verurteilt werden darf, nicht aber aufgrund eigenen Geständnisses, galt auch für das Verbrechen der Gotteslästerung.

3.5. Warnung des Täters vor dem Kapitalverbrechen und dessen Folgen

Kein Mensch durfte wegen eines Kapitalverbrechens verurteilt werden, solange nicht zwei rechtsfähige Zeugen Zeugnis dafür ablegten, dass sie ihn zunächst vor dem verbrecherischen Charakter der Handlung und der dafür vorgeschriebenen Strafe gewarnt hätten. Das Gericht muss beweisen, dass der Verbrecher das Verbrechen begangen hat und dass er zuvor gewarnt worden ist, dass er sich die Todesstrafe zuziehe, sofern er die Tat begehe (B Sanhedrin 8b, 80b; T Sanhedrin XI, 1). Diese wichtige Regel des jüdischen Strafprozessrechts bleibt in den Schilderungen des Prozesses gegen Jesus in den Evangelien von Matthäus und Markus völlig unerwähnt.

3.6. Das Kapitalverbrechen der Gotteslästerung

Das Kapitalverbrechen der Gotteslästerung bestand im Aussprechen des Namens Gottes, Jahwe, der nur einmal im Jahr von dem Hohenpriester im Allerheiligsten des Tempels ausgesprochen werden durfte. Es war irrelevant, welche Gotteslästerungen geäußert wurden, solange dabei nicht der göttliche Name ausgesprochen wurde. Dies folgt aus einem Vers des Buches Levitikus (Lev). Nach Lev 24, 15, 16 "soll seine Schuld tragen, wer seinem Gott flucht. Wer des Herrn Namen lästert, der soll des Todes sterben; die ganze Gemeinde soll ihn steinigen. Ob Fremdling oder Einheimischer, wer den Namen lästert, soll sterben". Es wird klar unterschieden zwischen dem Vergehen der Verfluchung Gottes, dass nicht mit dem Tode bedroht war, und der Lästerung Gottes durch das Aussprechen seines unaussprechlichen Namens, wofür die Todesstrafe vorgesehen war. Der Unterschied besteht darin, dass der Gotteslästerer, der "nur" Gott flucht, seine Schuld tragen soll, während der todeswürdige Gotteslästerer zusätzlich zu dem Fluch den Namen Gottes lästert. Demnach wurde folgendes als Gesetz festgelegt: "Der Gotteslästerer ist nur dann strafbar, wenn er den Gottesnamen ausgesprochen hat" (M Sanhedrin VII, 5). Gott zu verfluchen oder zu lästern, ohne den Namen auszusprechen, indem man einen der vielen beschreibenden bzw. umschreibenden Beinamen verwendet, ist lediglich mit Auspeitschung zu bestrafen (B Sanhedrin 56a).

Nach Mt 26, 64; Mk 14, 62 sagt Jesus: "[…] Ich bin es, und ihr werdet sehen, wie der Menschensohn an der rechten Seite des Allmächtigen sitzt und mit den Wolken des Himmels kommt!" Hier hat Jesus sicher Gott gelästert, indem er sich selbst als Gottes Sohn bezeichnet und von sich behauptet, er werde zur rechten Seite Gottes sitzen. Indes, das todeswürdige Verbrechen der Gotteslästerung bestand, wie oben bereits erwähnt, im Aussprechen des Namens Gottes, der nur einmal im Jahr von dem Hohenpriester im Allerheiligsten des Tempels ausgesprochen werden durfte. Diesen Namen hat Jesus jedoch nicht ausgesprochen. Doch nur das wäre mit dem Tode zu bestrafen gewesen (vgl. zum gesamten Punkt 3 auch C. Cohn: Der Prozess und Tod Jesu aus jüdischer Sicht, S. 140 ff.).

>> 4.
Thesen zur Aufrechterhaltung der Theorie eines jüdischen Prozesses

[Eingangsseite zur Rubrik "Frag' den Rabbi"...]
haGalil onLine 15-01-2008



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