Vorbemerkung
Juden haben sich mit der Geschichte Jesu kaum
beschäftigt, obschon sie größtes Interesse an ihr haben sollten. Schließlich
wurden Juden viele Jahrhunderte um Jesu willen verfolgt. Es gab hierfür
vielerlei Gründe, die an dieser Stelle nicht erörtert werden können. Auf
einen der Gründe soll hier kurz eingegangen werden.
Die Verfolgungen der Juden hatten in der Regel zwei Ausgangspunkte: Es waren
einerseits theologische, politische und wirtschaftliche Interessen, die
Anlass und Antrieb für die Verfolgungen gaben, wobei diese entsprechend vom
kirchlichen, politischen oder wirtschaftlichen Establishment ausgingen.
Andererseits spielte das Vorurteil des christlichen Volkes, genährt und
flankiert vom erwähnten Establishment, eine entscheidende Rolle bei den
einzelnen großen Verfolgungsereignissen (Pogrome etc.), wie auch bei der
fortwährenden Diskriminierung der Juden im so genannten Alltagsleben in den
christlichen Ländern.
Die Kreuzigung Jesu beeinflusste zwar wie kaum ein anderes das Schicksal der
Juden in den vergangenen zweitausend Jahren, die gegen sie erhobenen
Vorwürfe wurde für sie jedoch kein Gegenstand der Forschung. Und in der Tat,
was gab es da zu forschen? Für Juden war der Fall Jesus klar, nicht sie
haben ihn gekreuzigt sondern die Römer und auch nicht sie haben die
Kreuzigung veranlasst.
In den letzten Jahrzehnten haben die christlichen Kirchen ihre Einstellung
zur Schuld der Juden an dem "Mord" Christi teilweise zurückgenommen. Das
offizielle Christentum ist der ganzen Problematik gegenüber etwas
aufgeschlossener. Die Vorurteile der Gläubigen werden aber wahrscheinlich
noch lange anhalten; sie werden in den Evangelien gepredigt und sind somit
Bestandteil des Glaubens.
Diejenigen unter den Christen, für die nicht jedes Wort des Neuen Testaments
sakrosankt ist und die neugierig genug sind, geschichtliche Überlieferungen
zu überdenken und sie zu hinterfragen, können in der Erforschung, vielmehr
in der Lektüre der Forschungsarbeit über den Prozess Jesu, einige wichtige
Entdeckungen machen. Es sei hier auch gleich vorweggesagt: selbst wenn die
Erkenntnisse der neueren Forschung vieles bisher geglaubte in Frage stellen,
den christlichen Glauben können sie weder mindern noch erschüttern;
schließlich hat Jesus Liebe gepredigt, Vorurteile und Hass sind für den
christlichen Glauben kein Erhaltungs- und Stabilisierungsfaktor.
Das
Buch liest sich wie ein spannendes Kreuzverhör der Evangelien. Chaim Cohn,
ehemals oberster Richter Israels, setzt sich mit der historisch wie
theologisch brisanten Frage nach der jüdischen Rolle beim Prozeß und bei der
Kreuzigung des Juden Jesus von Nazareth auseinander.
In den letzten Jahrzehnten hat sich ein namhafter israelischer Jurist –
Richter am Obersten Gerichtshof – mit den Berichten und Erzählungen zum
Prozess und zur Kreuzigung Jesus beschäftigt. Als geschulter Jurist hat er
sich nicht die Frage gestellt, ob die heute bekannten Informationen stimmen
und inwiefern sie stimmen, sondern wie die Ereignisse nach damaligem
Jüdischen und Römischen Recht hätten ablaufen müssen und wie sie nicht
abgelaufen sein konnten. Seine Analyse erstreckt sich über 500 gedruckte
Seiten.
Das Buch -
Chaim Cohn, Der Prozess und Tod Jesu aus jüdischer Sicht - wurde im
Fachbereich Rechtswissenschaft der J. W. Goethe Universität (Frankfurt/M.)
im Seminar über Geschichte des Jüdischen Rechts besprochen und eine kurze
Zusammenfassung zu den rechtlichen Fragen erstellt. Diese soll dem
Interessierten den Einstieg in die komplexe Problematik erleichtern.
- Einführung
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