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Ein Dorf in der Stadt

«Er war kein Geograph, aber er hatte mit quasi wissenschaftlicher Exaktheit herausgefunden, dass die Mitte der Welt gerade unter der Metrostation Saint-Paul lag. Vielleicht ein bisschen rechts von der Rue Saint-Antoine, in Richtung der Rue Caron, wo er wohnte. Aber sicher nicht weit davon. Richtung Bastille, nein, das war eine andere Welt. Und zum Châtelet hin bloß noch Dschungel.»
Cyrille Fleischman, "Rendez-vous au métro Saint-Paul."

Wo beginnt das Pletzl und wo endet es? Keiner weiß es.
Dieses kleine Stück Polen, mitten ins Marais verpflanzt, ist nach einem Wort von Jeanne Brody "eine Kreuzung, die quer wandert".
Photo Zucca, 1941.
(© Zucca/BHVP)

Klatsch und Tratsch

Warum woanders suchen, was man zu Hause hat? Die Bewohner des Marais wagten sich selten aus ihrem Viertel hinaus. In den engen Gassen unterhielt man sich von Fenster zu Fenster und das tägliche Leben ähnelte dörflichen Gepflogenheiten und hatte sogar viel vom Familienleben - anstatt den Rhythmus der Hauptstadt aufzunehmen. "Jeder lebte mit offenen Fenstern. Man wusste immer, was bei dem oder dem so passierte. Da kam sogar mal ein Paar vor, das ein 'Duchgangszimmer' hatte: Da war Bewegung drin! Aber heute haben die Leute ihre Vorhänge zugezogen, man weiß gar nicht mehr, was bei den Nachbarn los ist", bedauert Jean Dizambourg.

Die großen Höfe der alten Paläste des Viertels dienten als Gärten für Alle, wo die Kinder spielten und die Alten miteinander schwatzten. "Als die Nachbarin zu Hause ihren Sohn gebar, hat sie sich ans Fenster gestellt und ihn den Nachbarn gezeigt. Alle haben applaudiert", erinnert sich Lina Zajac. Es wäre es schwierig gewesen, sein Leben nicht unter den Augen der Anderen zu verbringen. Vor Allem spielte die unvermeidliche Concierge von Herzen gern ihre Rolle als Wächter über das anständige Betragen der Mieter: "Nach zehn Uhr Abends musste man bei der Concierge klingeln, sich gut die Schuhe abstreifen, seinen Namen und 'cordon s'il vous plaît' rufen. Wenn ich spät Abends nach Hause kam, ging ich mit meinen Schuhen in der Hand die Treppen hoch, aber so gut wie immer erwischte mich eine beißende Bemerkung von hinten. Die Concierge schätzte meine nächtlichen Ausflüge gar nicht", erinnert sich Alphonse Halter.

Auch nicht das diskreteste Ereignis im Leben der Bewohner "ihres" Hauses entging ihr. Der unbezähmbare Zerberus war konkurrenzlos im Erkunden verschlossener Briefumschläge. Sie übergab einem die Post immer mit nettem Kommentar. Wehe, es waren Steuerforderungen oder Mietrückstände...

Die Kinder durften sich frei bewegen: Da war immer ein Nachbar, der aufpasste. "Meine Mutter", erstaunt sich noch heute Henri Margulies, "hat immer nach ein paar Minuten gewusst, welche Dummheiten ich gerade wieder gemacht hatte. Die Schnelligkeit der Übertragung hat mich immer ganz schön beeindruckt."

Der Buchhändler Rosenberg in der Rue des Écouffes stellte sich gern vor seine Ladentür, um besser "die Geschehnisse" zu beobachten - zum besonderen Leidwesen von Charles Schonbuch, der im Haus gegenüber wohnte: "Wenn man mal eine Freundin mitnahm, sofern die Elten nicht zu Hause waren, tat er lauthals über die Straße hinüber sein Missfallen kund. Heimlichkeiten waren schwierig."
...

Die Concierge scheint keine Einblick-Probleme zu haben! Innenhof des Hôtel de Sully, Rue Saint-Antoine, Foto Seeberger, um 1920.

(© Arch. Phot. Paris/Spadem)

Übersetzung: Robert Cohn

Integration ist nicht Assimilation:
Gedanken zur Geschichte der Juden in Frankreich
nach Esther Benbassa

Bernadette Costa:
Je me souviens du Marais
Avant-propos...

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hagalil.com 24-06-2004


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