Zum Mord an Ilan Halimi:
"Marsmenschen" oder Juden?
Überlegungen zu einem
Verbrechen an der Schnittstelle zwischen moslemischem Judenhass und
zunehmend barbarischer Jugendkriminalität in Frankreich
Von Danny Leder, Paris
"Diese Leute sind von einer derartig begrenzten
Intelligenz, dass sie auch einen Marsmenschen entführt hätten, wenn
man ihnen eingeredet hätte, dass alle Marsmenschen reich wären." So
urteilt ein Polizist über die festgenommenen Mitglieder und
Mitwisser jener Pariser Vorstadtbande, die einen jungen Juden, Ilan
Halimi, zwecks Erpressung eines Lösegelds entführt, drei Wochen
gefangen gehalten und schließlich zu Tode gequält hatte.
Der Spruch des Polizisten ist zutreffend. Die mentale Verwirrung,
Verwahrlosung und Verrohung eines Teils der Jugendlichen an den
sozialen Rändern der französischen Gesellschaft hatte sich ja auch
bei den Ausschreitungen in den Vororten im November gezeigt, während
derer Brandanschläge auf Wohnhäuser der eigenen Nachbarschaft und
auf vollbesetzte Linienbusse verübt wurden. Dass dabei, unter den
Fahrgästen deutlich erkennbar, auch verschleierte Muslimminen nur
knapp dem Tod entringen konnten, zeigt, wie wahllos diese Gewalt
ausfallen kann, die von einem kleinen, abgedrifteten Teil der
franko-arabischen und franko-afrikanischen Jugendlichen ausgeht.
Auch seither, nach dem Ende der Unruhen, vergeht kaum eine Woche, in
der nicht in einem Vorort die Feuerwehr attackiert wird oder Lehrer,
als Reaktion auf einen tätlichen Angriff durch Schüler, in den
Streik treten. Bei Konflikten zwischen Banden von Halbwüchsigen, die
jeweils eine Siedlung als ihr "Territorium" betrachten, werden auch
immer häufiger Schusswaffen eingesetzt und gelegentlich reale oder
vermeintliche Angehörige der "Gegenseite" zu Tode geprügelt.
Die besondere Besorgnis der rund 600.000 Juden Frankreichs (die
größte jüdische Bevölkerung Europas) beruht freilich darauf, dass
ein nicht geringer Teil von ihnen inmitten moslemischer
Migranten-Familien (Frankreich hat mit fünf Millionen auch den
größten Moslemanteil Europas) leben, wobei beide Gruppen
mehrheitlich aus den Exkolonien in Nordafrika stammen. Immer aufs
neue genährt von arabischen TV-Sendern und Predigern ist der Hass
auf die jüdische Minderheit aus Nordafrika nach Frankreich
übersiedelt und in Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt und der
Sozialkrise in Frankreich potenziert.
Um auf obigen Spruch des Polizisten zurückzukommen: Es sind nicht
"Marsmenschen", die wütenden Jugendlichen als Zielscheibe ihres Hass
und Sozialneids eingeflüstert werden, sondern jüdische Nachbarn,
ungeachtet des Umstands, dass ein Viertel der französischen Juden in
der Armutsfalle festsitzen. Deswegen wurde ja auch der Sohn einer
allein erziehenden Mutter dreier Kinder mit einem kleinen
Angestelltengehalt entführt. Und als diese das Lösegeld nicht gleich
auftreiben konnte, wurde erwartet, dass das "reiche Judentum"
einspringen würde. Und deswegen war seiner Mutter, Ruth Halimi, die
sich über die Stimmungslage der Entführer keine Illusionen nährte,
im voraus klar, dass ihr Sohn "weil Jude keine Überlebenschance
hatte".
Dass Ilan Halimi genau aus diesem Grund zu Tode gefoltert wurde, ist
jetzt wohl auch die Überzeugung, zu der sich ein großer Teil der
französischen Öffentlichkeit, nach anfänglichem Zögern,
durchgerungen hat, wie die einmütige Reaktion der französischen
Staatsführung und Linksopposition zeigt, die auf Seiten der
jüdischen und antirassistischen Verbände, zu Massenmärschen am
Sonntag aufrufen.
Partout en France s’organisent des
rassemblements citoyens pour rendre
[HOMMAGE AU JEUNE ILAN HALIMI]...
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und bettelt in euren Synagogen!"...
Neue Entwicklung im Mordfall Ilan Halimi:
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Staatspräsident Jacques Chirac rief am Dienstag persönlich die
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Frühere Artikel:
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Im Stich gelassen:
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Juden und Moslems in Frankreich:
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Juden und Araber in Frankreich:
Eine
gefährliche Nachbarschaft?
In Frankreich ereigneten sich die meisten antijüdischen Vorfälle,
die in Europa seit fünf Jahren verzeichnet wurden. In Frankreich
leben auch die meisten Moslems (5 Millionen) und Juden (600.000)
Europas, oft Tür an Tür. Beide Gruppen stammen mehrheitlich aus
Frankreichs Ex-Kolonien im Maghreb, dem arabischen Nordwestafrika... |