Mörderische
Antisemiten?
"Geht und bettelt in euren Synagogen!"
Ilan Halimi (23), lebte in einem Pariser Vorort und war
Angestellter in einem kleinen Laden für Mobiltelefone. Er wurde entführt
und von seiner Familie wurden 450.000 Euro Lösegeld gefordert. Eine so
hohe Summe könnten sie unmöglich aufbringen, antworteten die
Angehörigen, worauf die Erpresser spotteten: "Geht und bettelt in euren
Synagogen!" Ein Verdächtiger erklärte später der Untersuchungsrichterin:
"Der war Jude, und die Juden haben viel Geld und halten sehr eng
zusammen".
Frankreichs Innenminister Nicolas Sarkozy: "Die Gangster waren gierig nach
Geld - und sie waren der Überzeugung, dass 'Juden Geld haben', und dass,
selbst wenn die Opfer selbst kein Geld hätten, die Familie und die
jüdische Gemeinschaft zusammenhalten würden. Das nennt sich
Antisemitismus durch Amalgambildung."
Der stellvertretende Vorsitzende der Organisation SOS Racisme, Patrick
Klugmann, konstatierte mit Bitterkeit: "Wenn man sagt, wir packen uns
einen Juden, weil es da Geld zu holen gibt, dann ist das wohl noch nicht
antisemitisch genug".
Die Rassismus-Expertin des Institut d'Etudes Politiques, Nonna Mayer,
stimmt dem zu, denn "wenn die Täter ihrem Opfer eine Eigenschaft
zugeschrieben haben - dass also Juden immer viel Geld haben - weil sie
sie seiner Religionsgruppe zuschreiben: Ja, dann ist das
Antisemitismus".
Und der Vorsitzene des Crif Roger Cukierman wiederholt: "Zu sagen, dass
Juden reich sind und mehr Geld haben als andere, ist eine antisemitische
Aussage!"
Ruth Halimi, die Mutter des Opfers: "Ilan wäre nicht getötet worden, wenn
er kein Jude wäre, sie haben ihn von Anfang an verurteilt".
Frankreichs Politiker fürchten die Auseinandersetzung mit diesem
Antisemitismus, da sie, nach drei Wochen andauernden Unruhen im November
2005, Angst vor neuem Aufruhr haben. Diese Angst geht aber von falschen
Zusammenhängen aus.
Die Unruhen sollte man mit dem Verbrechen dieser "Gang der Barbaren" nicht
vermischen. Die dringend notwendige Auseinandersetzung mit dem
Antisemitismus in Europa sollte man nicht sogleich mit Angriffen auf
eine bestimmte Gruppierung verwechseln. Das wäre eine "Entsorgung" des
Problems, bevor man es überhaupt angeht. Es sind wahrhaftig nicht nur
Muslime, die am Vorurteil, Juden seien eine besonders reiche und
verschworene Gesellschaft, festhalten.
Es gibt inzwischen schon Stimmen, die auf eine Auseinandersetzung mit dem
Islam an sich hoffen. Es waren aber auch bei den Unruhen im November
nicht alle Beteiligten "muslimisch". Einige waren es - jedenfalls auf
dem Papier, was nicht bedeutet, dass sie auch gläubig seien, andere
dagegen nicht. Es waren auch "weiße" Jugendliche, deren Eltern
französisch-christlich sind, dabei. Beispielsweise hat jener junge Mann,
der die Höchststrafe im Zusammenhang mit den Riots erhielt - 4 Jahre
Haft - und der allein, durch Anzünden eines Möbellagers, 12 Millionen
Euro Versicherungsschaden anrichtete und damit ein Fünftel der insgesamt
55 bis 60 Millionen Euro Sachschaden der Riots, französische und
belgische Vorfahren - und garantiert keinen Moslem in seiner Familie.
Genau so steht es um die "Gang der Barbaren": Manche von ihnen haben
maghrebinische und damit wahrscheinlich moslemische Eltern. Andere
dagegen haben "weiße" oder auch afrikanisch-christliche Eltern.
All dies relativiert aber nicht das Problem des Antisemitismus. Im
Gegenteil! Es zeigt, dass man diesen eben nicht an einer bestimmten
Gruppe festmachen kann. Man kann ihn nicht unter den Teppich kehren und
nicht wegputzen. Er befindet sich mitten in Europa und er tritt immer
wieder mit erschreckender Grausamkeit zu Tage.
Hinweis für
Strasbourg und Umgebung:
OFFICE A LA MEMOIRE D'ILAN HALIMI
in der
Synagogue de la Paix, rue René Hirschler 1a. Do.
23.Feb.2006, 19.30h.
Fotostrecke:
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Der Mord an Ilan Halimi:
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