Diplomatie im Schatten der Katastrophe:
Der Geist der Gründerväter
Niels Hansen:
Aus dem
Schatten der Katastrophe - Die deutsch-israelischen Beziehungen in
der Ära Konrad Adenauer und David Ben Gurion -
Droste Verlag, Düsseldorf 2002, 891 Seiten, Preis: 49,80 Euro
Mit seiner Geschichte der deutsch-israelischen Beziehungen
unter Adenauer und Ben Gurion beweist Ex-Diplomat Niels Hansen, dass
man engagierter Zeitzeuge und Historiker zugleich sein kann.
Eine Besprechung aus dem Magazins
Zenith, Zeitschrift
für den Orient, 21. 05. 2003 (dge)

Vor dem King David Hotel in Jerusalem drängen, schieben und
schimpfen Demonstranten, Journalisten und Sicherheitsbeamte. Die
Botschaft der empor gereckten Transparente ist klar: Ein deutscher
Politiker, auch wenn er Konrad Adenauer heißt, ist in Israel nicht
willkommen, und wird auch nie willkommen sein. Der 90-jährige
Altbundeskanzler gibt sich standhaft. Auch als ein aufgebrachter
Israeli ihm in der Empfangshalle ein Bündel Flugblätter an den Kopf
pfeffert, behält "der Alte" die Fassung und eine anständige Frisur.
Am 2. Mai 1966 kommt Adenauer, seit 3 Jahren nicht mehr im Amt, nach
Israel, um endlich den lange ersehnten "Staatsbesuch" zu
absolvieren. Vor allem wird Adenauer einen Mann treffen, der
zurückgezogen auf einer Farm im Negev lebt und mit seinen 80 Jahren
im Vergleich zu Adenauer ein Jugendlicher ist: David Ben Gurion.
Israels Staatsgründer, den Adenauer im Leben nur zweimal traf, ist
ihm ähnlich und teilt seine Vision der Zukunft deutsch-israelischer
Beziehungen.
Diese Gemeinsamkeit im Handeln und Denken ist der rote Faden in
Niels Hansens Buch ''Aus dem Schatten der Katastrophe - die
deutsch-israelischen Beziehungen in der Ära Konrad Adenauer und Ben
Gurion'' - eine rund 900 Seiten umfassende Studie, die den Ehrgeiz
hat, sich als Standardwerk der deutsch-israelischen Zeitgeschichte
zu behaupten.
Akribisch hat Hansen Staats-, Parlaments- und Parteiarchive in
Israel und in der Bundesrepublik durchforstet, um die anfängliche
"Sprachlosigkeit", die ersten zaghaften Berührungen, die Rückschläge
und nachhaltigen Erfolge der Beziehungen zwischen den beiden jungen
Staaten darzustellen
Bei der Beurteilung der fortbestehenden Divergenzen zwischen den
beiden Staaten muss laut Hansen, ''in Rechnung gestellt werden, dass
die Akteure noch unmittelbare, erinnerungsfrische Zeugen der Jahre
1933 bis 1945 waren, in die sich hineinzuversetzen den Nachgeborenen
so schwer fällt, wenn diese zeitliche Nähe natürlich, auch nicht
unbedingt für größere Objektivität bürgt und - unbewusste und
bewusste - Verdrängungsphänomene keineswegs ausschließt''.
Hansen
selbst will so objektiv und sachgerecht wie möglich sein. Sein
Vorteil: Er selbst wird im nächsten Jahr 80 Jahre alt, ist Zeitzeuge
und war als Referatsleiter im Auswärtigen Amt und deutscher
Botschafter in Israel selbst Gestalter deutscher Außenpolitik. Der
Vorteil für den Leser: Man merkt es seinem Buch kaum an. Der Jurist
Hansen leistet im Alter Quellenarbeit, anstatt sein Publikum mit
anekdotischen, wichtigtuerischen Memoiren eines Ex-Diplomaten zu
belästigen.
''Aus Überzeugung gute Demokraten''
In Hansens Beurteilung ist der Holocaust - "die Katastrophe" - das
historische Ereignis, in dessen Schatten Bonn jede Art von
israelpolitischen Entscheidungen zu treffen hatte. Hansen verfolgt
jedoch auch die Frage, aus welchen Motiven Adenauers Regierung den
Wunsch nach einer Versöhnung mit Israel zu erfüllen suchte: War "der
Alte", der bis 1933 in Köln als Bürgermeister herrschte, immer schon
Philosemit? Wollte er die aus seiner Sicht von den Nazis befleckte
deutsche Ehre rehabilitieren? Glaubte er, dass nur eine
Normalisierung des Verhältnisses mit Israel die Bundesrepublik
wieder international salonfähig machen würde? Und hatte Ben Gurion
für seine Annäherung an Bonn noch andere Gründe als die Aussicht auf
langfristige Finanz- Wirtschafts- und Rüstungshilfe?
Hansen bewertet die beiden Staatsgründer als treibende Kraft der
deutsch-israelischen Beziehungen und zieht in ihren Charakteren
zahlreiche Parallelen: ''Beide waren trotz ihres eigensinnigen
Führungsstils aus Überzeugung gute Demokraten, wenn Ben Gurion zu
Beginn der zwanziger Jahre auch kurz mit kommunistischen Ideen
geflirtet hatte. Beide legten als stolze, selbstbewusste und
nationalbewusste Menschen auf Würde besonderen Wert, und gerade
insoweit war mit ihnen nicht gut Kirschen essen. Der Jude und der
Christ waren gebildet und weit überdurchschnittlich bibelfest, und
die von wachem Geschichtsbewusstsein bestimmte ''moralische''
Ausrichtung ihrer Politik, die sich bei ihnen von der
realpolitischen nicht trennen lässt, entsprang auch ihrer
Gläubigkeit.''
Adenauers Werk lebt weiter
Hansen ist beizeiten schwärmerisch beseelt vom Geiste der beiden
Gründerväter und schildert im Epilog seines Buches noch, wie
Adenauer, der trotz aller Widrigkeiten den deutsch-israelischen
Beziehungen eine gute Zukunft prophezeit, am Fuße des Bergs der
Seligpreisung einsam bis zum Sonnenuntergang ausharrt und mit
ehemaligen Kölner Juden in Tel Aviv Karnevalslieder singt. Ein Jahr
später starb Adenauer, und diesmal war es Ben Gurion, der seinem
Freund den letzten Besuch am Rhein abstattete.
Da die persönliche Begeisterung für die Protagonisten dem Autor
nicht die handwerkliche Klarheit trübt, ist sie in diesem Buch nicht
deplaziert. Für ihn ist die deutsch-israelische Freundschaft
notwendig und gut - mit oder ohne internationale Reibungen und
Konflikte, die sie provozieren kann. Und trotz gelegentlicher
Spannungen haben, so Hansens Überzeugung, alle deutschen
Bundesregierungen dazu beigetragen, das Werk Adenauers fortzusetzen.
© zenith, 21. 05. 2003 (dge)
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