Aus einer Besprechung im Magazin "Kulturzeit" bei
3sat
Keine Kommunikation, unversöhnliche Bedenkenträger auf beiden
Seiten, Hass und Vorurteile bestimmen das Bild. Eine Annäherung
schien unmöglich.
All dies erinnert stark an den aktuellen Konflikt zwischen Israel
und Palästina. Doch Niels Hansen wirft mit diesen Stichworten einen
Blick zurück in die Geschichte der deutsch-israelische Beziehung...
Nach Ansicht des ehemaligen Diplomaten Niels Hansen haben erst
Bundeskanzler Adenauer und Ministerpräsident Ben Gurion das
Tauwetter gebracht.
Annäherung nach dem Zweiten Weltkrieg
Wenn man heute die damaligen Äußerungen liest wie: "Für mich ist
jeder Deutsche ein Nazi" von Israels Ex-Premierministerin Golda Meir
oder "jeder Deutsche ist ein Mörder - Adenauer ist ein Mörder" vom
damaligen Chef der oppositionellen Cherut-Partei Menachem Begin,
wirkt das entspannte Verhältnis von heute wie ein Wunder.
Hansen, der ehemalige deutsche Botschafter in Israel, liefert mit
seinem Buch "Aus dem Schatten der Katastrophe" Details über die
Annäherung beider Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg. Sein Wissen
schöpft er aus jahrelanger Arbeit im auswärtigen Amt, als Gesandter
der Uno und als ständiger Vertreter der Nato.
Folgt man seinen Ausführungen, standen sich beide Staaten anfangs
skeptisch bis feindselig gegenüber und waren dennoch aufeinander
angewiesen. Deutschland wollte sich aus der internationalen
Isolation befreien und sein Gewissen nicht bereinigen, aber
beruhigen. Israel manövrierte sich mit horrenden Rüstungsausgaben an
den Rand des Bankrotts. Doch Zahlungen von Deutschland an den seit
1948 anerkannten Staat Israel galten als moralisch äußerst
fragwürdig. Als die bewusst geheimgehaltenen Verhandlungen über die
Summe von drei Milliarden Mark Entschädigung bekannt wurden, gingen
zahlreiche Israelis auf die Straße und demonstrierten gegen das
"Blutgeld" aus dem "Täterland".
Handel für Devisen
Hansen legt offen, dass selbst die USA Zahlungen an Israel nicht gut
hießen. Man befürchtete, dass US-Gelder aus dem Marshall-Plan nicht
nach Deutschland, sondern über einen Umweg nach Israel fließen
würden. Dennoch seien geheime Transferzahlungen und Rüstungsexporte
zwischen Israel und Deutschland getätigt worden, da beide Staaten
aus Existenzgründen Devisen bitter nötig gehabt hätten. Hansen gibt
hier pikantes Insiderwissen preis. Etwa dass Israel deutsche
Uniformen fertigte und Deutschland im Austausch schwere Waffen und
Panzer lieferte.
Codename
"Aktion Geschäftsfreund"
Konrad Adenauer und David Ben-Gurion hatten Kraft genug, sich gegen
öffentliche Meinung und Bedenken durchzusetzten. Die anfängliche
Distanz beider Staatslenker - beim ersten Treffen 1952 zum
Entschädigungsabkommen im Luxemburger Rathaus noch rein formal ohne
Handschlag - sei schnell abgebaut worden. Hansen ist überzeugt, dass
sich die beiden "Alten" der noch jungen Staaten, mehrfach an
konspirativen Orten unter dem Code-Namen "Aktion Geschäftsfreund"
getroffen haben. Dafür sei Ben-Gurion schon mal über eine
Feuerleiter in den zweiten Stock des New Yorker
Waldorf-Astoria-Hotel gelangt, um Rüstungsaktionen abzusprechen.
Letztlich
sei der Hass der Versöhnung gewichen. Daraus schöpft Niels Hansen
Hoffnung für den gegenwärtigen Konflikt im Nahen Osten. "Aus dem
Schatten der Katastrophe" lässt eines erkennen: Wie tief die Wunde
zweier Staaten auch ist, Versöhnung statt Hass lässt sie heilen,
auch wenn eine Narbe bleibt. Entscheidend sind immer noch die
führenden Politiker an den wesentlichen Schaltzentralen. Der
Spielraum ist auch heute da, wenn die Repräsentanten ihn nur sähen.