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Judentum und Israel
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Besondere Beziehungen:
Hebräisches im Deutschen

Josef Stern

Als 1933 die große Einwanderungswelle deutscher Juden nach Palästina einsetzte, haben die Männer und Frauen jegliche sich bietende Arbeit auf sich genommen - und dazu noch etwas getan: sie gingen turnusmäßig zum notwendigen nächtlichen Wachdienst, zur Sch'mira.

Da hat sich so mancher, von Wurzeln und Tradition längst entfernt, erinnert: das kennen wir ja, Schmiere stehen! In der Tat liegt hier ein fest in die deutsche Sprache aufgenommenes hebräisches Wort vor, allerdings mit einer Bedeutungsabwertung.

Begonnen hat das Einfließen hebräischer Begriffe in den Westen bereits im Altertum. Die frühen Bibelübersetzungen waren der Ausgangspunkt. Dem Griechischen (Septuaginta) und Lateinischen (Itala, Vulgata) angepasst, erfuhren die Europäer von Adam und Eva, von Jerusalem, Israel und Samaria, Asasel und Eden.

Einen stärkeren Zufluß erhielt dieser anfängliche Wortschatz mit der Ausbreitung des Christentums. Iwrith kommt in die Kirche, in die Familie und in den Alltag: Amen, Halleluja, Hosianna, der Satan und der Mammon, Belzebub, Moloch, Gehenna, Zebaoth und Messias.
Es entstehen auch Zeitwortbildungen, wie etwa jubilieren. Namen mit ihren Abwandlungen werden schnell beliebt: Jochanan - Johannes - Hans, Elischewa - Elisabeth - Lisbeth, Jakob - Köbes, Josef - Seppl. Ein Beispiel wörtlicher Übersetzung aus dem Hebräischen ist Helfgott und Gotthelf aus Jehoschua bzw. Asarja und Asriel. Mirjam plus Channa ergeben Marianne und Annemarie.

Einiges aus dem Wortgut, das dem Hebräischen und dem Arabischen gemeinsam ist, dringt mit den Mauren von Spanien aus nordwärts. So gewinnt das Deutsche (und andere Sprachen) Magazin, Kattun, Alkohol, Kabel, Ziffer und chiffrieren. Ein Fabeltier, der Vogel Greif, entlehnt seine Bezeichnung über gryphos - Cherub aus dem biblischen Engelsnamen K'ruw.

Wenn Völker sich begegnen, sei es durch Kriege, Wanderungen oder Expansionen, begegnen sich auch ihre Sprachen. Nachdem die Römer das Land Israel besiegt hatten, verfrachteten sie zahlreiche Juden nach Rom, führten sie in ihren Triumphzügen mit und verewigten diesen gewaltigen Siegeszug am Titusbogen. Anfänglich Sklaven, machten sich die Israeliten in Italien ansässig. Die Legionen nahmen sie zu ihren transalpinischen Feldzügen als Marketender mit. So betreten Juden mit den Römern das Gebiet, das später Deutschland genannt wurde. Hier setzt die Begegnung des Hebräischen mit den Sprachen und Dialekten der ansässigen Germanenstämme ein. Diese waren zivilisatorisch und kulturell den Eroberern weit unterlegen, aber für dienliche Belehrung aufnahmebereit. Sie vermochten aus der Hochkultur der Römer Nutzen zu ziehen und nahmen mit der erlernten Sache auch das Wort auf. So erwarben sie z. B. mit der Kenntnis des ihnen unbekannten Bauens lateinische Wörter, die sie sich für ihre Zunge zurechtlegten: aus tegulum wurde Ziegel, aus murus Mauer, und auch Keller, Fenster und vieles mehr bereicherten so ihre Sprache und ihren Lebensstandard.

Die Juden besaßen ihre eigene Hochkultur, von der so manches auf die Landesbewohner überging und sprachliche Spuren hinterlassen hat. Bei dieser ersten unmittelbaren Begegnung zweier vollkommen verschiedenartiger Sprachen ist jedoch ein Caveat angebracht, denn bei Sprachvergleichen spielen Quereinflüsse, Zufälle und Spekulation eine Rolle. Gleichwohl behauptet der Jerusalemer Professor Dow Aschbel, daß es sich dabei um mehrere tausend Wörter handelte. Auch hier nur wenige Beispiele:

Emmer - Omer (Getreidebündel)
Lasche - Laschon (Zunge)
Acker - Ikar (Landwirt)
Kauz - Koss (kleiner Eulenvogel)
Schöffe - Schofet (Richter)
taufen - towel (eintauchen)
Schwur - Schwua (Schwur)
Scherbe - Schewer (Scherbe)
Eid - Ed (Zeuge)
Balsam - Bossem (Parfüm)
Schaukel - schokel (wiegt)
Bluse - lowesch (zieht an; b = w, Buchstabentausch)

Der ersten Begegnung folgt ein jahrhundertelanges Zusammenleben und mit ihm eine Bereicherung der deutschen Sprache durch Iwrith auf vielen Gebieten.

Wenn auch etymologische Wörterbücher und Abhandlungen hie und da kontroverse Aussagen machen, eine große Menge ist unumstößlich bezeugt:

Abt, Abtei
- Abba/Aw (Vater)
Laumann
- lau = nicht/nein
Basalt
- Baselet (Basalt)
dufte
- tow (gut)
Kanone
- Kaneh (Rohr)
Beisel
- Bajis (Haus)
Fratze
- Partzuf (Gesicht)
Kluft
- Klippa (Schale, Rinde)

Besondere Beachtung verdienen Wortbildungen aus dem volkstümlichen Leben.

Mit Hals- und Beinbruch wünscht man jemandem Glück; dahinter ver­steckt sich Hatzloche uBroche, also Erfolg und Segen, hier, wie in vielen Fäl­len, in der aschkenasischen Aussprache und umgangssprachlich.

Kartenspieler kennen das Kümmelblättchen, wobei Gimmel, der dritte Buchstabe und somit drei gemeint ist, ein bestimmtes Kartenblatt also. Komplizierter steht es mit dem Kastemännchen, das für zwei gute Groschen oder 28 Pfennig benutzt wurde; nach dem Buchstabenwert ist 28 = kaff-chess, und männ(chen) kommt von monoh, (kleine) Portion, Pfennig.

Mausetot ist eine Tautologie, denn maus (sefardisch mot) bedeutet tot.

Das Lazarett enthält zwei Hebräismen: Lazarus, aus Elasar, und Nazaret. Hierher gehört auch eine Ortsnamenbildung der heimgekehrten Kreuzfahrer, die dem israelischen Berg Tabor zuliebe ihr Städtchen Humbach in Mons Taboris umbenannten, aus dem dann Montabaur wurde.

Auf der deutschen Landkarte stehen noch einige hebräisch anmutende Namen. Salem, der alte Name Jerusalems und Friede bedeutend, ist zwei Orten zu eigen, bei Mölln und nahe dem Bodensee.

Gescher an der holländischen Grenze bedeutet Brücke, und Heskem (Ebsdorfer Grund bei Marburg) ist Einverständnis. Einen Gottesstreiter finden wir als Stadtteil von Lübeck, nämlich Israelsdorf.
Kehl am Rhein wird ebenfalls in diesen Zusammenhang gebracht. Hebräisch Kaneh = Rohr, Stab, Maßstab kommt ins Griechische und ins Lateinische, es entwickelt sich zu Kanna und canna = Rohr, weiter canalis und Kanal, mit der italienischen Vergrößerungsform zur Kanone (schweres Rohr). Weil nun Kehl in alten Urkunden Kenle, Kanal und Nebenarm (des Rheins) genannt wird, könnte der hebräische Namensursprung möglich sein.
1

Während seiner Amtszeit in Israel gab mir Botschafter Hansen, der sich für dieses Sujet interessierte, einen köstlichen Meinungsaustausch über einen Ortsnamen. Der damalige Militärattache an der israelischen Botschaft in Bonn, Gad Hugo Sella, traf in der Eifel auf Neroth und berichtete darüber in einer israelischen Tageszeitung.
2 Nerot ist das hebräische Wort für Kerzen, und Sella erfuhr im Dorf folgendes:

Als vor vielen Jahren die Pest über das Land kam, stellten die Herren auf der Burg über dem Dorf, um die Gefahr zu bannen, in alle Fenster brennende Kerzen und beteten. Soweit war es einleuchtend - bis Dr. Alois Mertes, Mitglied des deutschen Bundestags und Staatsminister im Auswärtigen Amt, seinerseits über Neroth als "Eine Fundgrube der Wirtschafts- und Sprach­geschichte" schrieb. Er berichtigte Sellas Beitrag und machte geltend, daß die Endung ... roth auf gerodetes Land schließen läßt. In seinem Artikel, dem er die rührende Überschrift "Ein liebenswürdiger Irrtum" gab, zählt Mertes mehrere hebräische Ausdrücke auf, die in Neroth und seiner Umgebung verbreitet waren und der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Struktur dieses Landstrichs entsprechen.
3

In Israel erinnert man sich gerne an eine Fernsehsendung des Journalisten Zwi Lidar aus dem mittelfränkischen Schopfloch (1982), wo die Bewohner heute noch die Hebräismen ihrer einstigen jüdischen Nachbarn sprechen. Ein früherer Lehrer, Karl Philipp, veröffentlichte ein fünfzigseitiges Büchlein mit diesen Wörtern und Redensarten:
"Lachoudisch, Geheimsprache Schopflochs". Das ist eine Abwandlung von Loschaun Kaudesch = heilige Sprache.
4
Der jetzige Erste Bürgermeister des Dorfes, Hans-Rainer Hofmann, gab mir eine sehr lange, elektronisch ausgedruckte Liste der von ihm von den Bauern erlauschten über 2000 Begriffe. Um das Idiom weiterleben zu lassen, unterrichtet er es im Dorf. Diese Liste, wie auch die im folgenden erwähnten anderer nicht-jüdischer Autoren, enthält indessen auch Begriffe, die nicht aus dem Hebräischen stammen.

Das Interesse an diesem anfänglich nur jüdischen Verständigungsmittel - wir nannten es Jüdischdeutsch, nicht Jiddisch - ist in einigen Regionen Deutschlands wachgeblieben und auch von Geflohenen abgehandelt worden. So schrieb Jehuda Leopold Frank aus Cholon "Loschen Hakodesch", das von den nassauischen Landjuden verwendet wurde.
5 Über die Sprache der Juden aus Lengnau und Endingen im Surbtal in der Schweiz, ganz nahe beim badischen Gailingen gelegen, schrieb Florence Guggenheim-Grünberg. Sie machte auch phonographische Aufnahmen und bezog das Elsaß und Baden mit ein.6 Wilfried Hilgert veröffentlichte 1993 sein "Mores, Zores un Maschores" aus dem rheinhessischen Großraum.7 Die Auflistung kann räumlich und zeitlich beliebig erweitert werden.

>> zweiter Teil...

  • 1 Kreuzer, Siegfried, Hebräische und semitische Wörter in unserer Sprache. Amt und Gemeinde. Herausgegeben vom Bischof der Evangelischen Kirche A. B. in Österreich. 34. Jg., Folge 6, Juni 1983. pp. 59-63.
  • 2 Sella, Gad Hugo, Neroth - ein deutsches Dorf mit jüdischer Vergangenheit. Israel Nachrichten, 18. 2. 1981.
  • 3 Mertes, Dr. Alois (Gerolstein), Ein liebenswürdiger Irrtum. Ohne weitere Angaben. Im Besitz des Autors.
  • 4 Philipp, Karl, Lachoudisch. Geheimsprache Schopflochs. Dinkelsbühl, Wenng, 1983 (3. Aufl.) - Tal, Awraham, "Die Geheimsprache Schopflochs" (Heb.), Ha'aretz, 17. 5. 1983, p. 13.
  • 5 Frank, Jehuda Leopold, Loschen Hakodesch. Cholon (Israel), Privatdruck, 1961. 3. Aufl. 1990.
  • 6 Guggenheim-Grünberg, Florence, Surbtaler Jiddisch: Endingen und Lengnau. Anhang: Jiddische Sprachproben aus Elsaß und Baden. Heft 4 von Schweizer Dialekte in Text und Ton: Begleittexte zu den Sprechplatten des Phonogramm-Archivs der Universität Zürich, I: Deutsche Schweiz (Platten ZJM 1 ZJM 2). Frauenfeld, 1966.
    Die Sprache der Schweizer Juden von Endingen und Lengnau. Nach einem Vortrag gehalten in der "Jüdischen Vereinigung Zürich" am 26. April 1950. Verlag Jüdische Buch-Gemeinde Zürich. (Sonderdruck aus "Israelitisches Wochenblatt für die Schweiz".) Die Autorin hat weitere Arbeiten über dieses Forschungsobjekt veröffentlicht.
  • 7 Hilgert, Wilfried, Mores, Zores un Maschores. Horrweiler, Hilgert, 1993.

Quelle: "Festschrift aus Israel", herausgegeben 1994 von Shmuel Bahagon, zum 70. Geburtstag von Niels Hansen, ehemals deutscher Botschafter in Israel: Recht und Wahrheit bringen Frieden.

hagalil.com 20-03-2008


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