

GOLEM
- ein europäisch jüdisches Magazin
Editorial
Die
erste Ausgabe des europäisch-jüdischen Magazins "GOLEM" ist vor
nunmehr einem Jahr erschienen - ein Wagnis! Der Name GOLEM steht jedoch nicht
für Narren (hebr. Golem), sondern ist Metapher für etwas Entstehendes, für
einen offenen, kreativen Prozess in einem sich neu findenden jüdischen Europa.
Seit der ersten Ausgabe ist viel
passiert: Die große Resonanz hat uns darin bestärkt, dem "GOLEM" eine feste
Grundlage zu verschaffen und die Zusammenarbeit mit anderen
europäisch-jüdischen Initiativen zu suchen:
Der "GOLEM" wird jetzt als
europäisch-jüdische Zeitschrift viermal im Jahr im Philo-Verlag erscheinen und
sowohl als Einzelheft als auch im Abonnement zu beziehen sein.
Um dem europäischen Anspruch besser gerecht zu werden, wird die Zeitschrift
zukünftig dreisprachig (englisch,
französisch, deutsch) erscheinen.
Ausgangspunkt dieser Publikationsreihe
ist ein pluralistisches und polyphones Verständnis des Judentums in Europa,
das unterschiedlichen Entwicklungen und Lebensformen des ashkenasischen und
sephardischen Judentums in West- und Osteuropa einen gleichrangigen Platz
bietet.
In den 90er Jahren entstanden zwischen
den europäischen Hauptstädten neue jüdische Netzwerke auf Gebieten wie
Bildender Kunst und Literatur, der Philosophie, Religion und Politik.
Das von der Berliner Künstler- und
Intellektuellengruppe
Meshulash
herausgegebene europäisch-jüdische Magazin "GOLEM"
versteht sich als Teil dieser Netzwerke und möchte Autoren und künstlerischen
Initiativen ein Forum bieten, die in konkreten Projekten einer
europäisch-jüdischen Identität Ausdruck verleihen. Deshalb trägt diese neue
Publikationsreihe auch einen offenen Charakter – drei Ausgaben des "GOLEM"
werden von der Redaktion der Gruppe "Meshulash" gestaltet, die vierte Ausgabe
steht einer anderen europäisch-jüdischen Redaktion oder Initiative offen.
Neben der Zeitschriftenreihe "GOLEM" suchen wir auch auf anderen Gebieten wie
z.B. der Bildenden Kunst, Film oder Musik die Zusammenarbeit mit anderen
europäisch-jüdischen Projekten, um Veranstaltungen in verschiedenen Städten in
Europa zu ermöglichen. Wenn Sie uns dabei helfen möchten oder wenn Sie
Vorschläge für ein Projekt haben, nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf.
In der Zeitschriftenreihe "GOLEM"
werden 2001/2002 noch folgende Hefte erscheinen:
Paradiso@Diaspora
Die erste europäisch-jüdische Diaspora befand sich auf italienischem Boden.
Von dort ausgehend entwickelte sich jüdisches Leben in ganz Europa.
Paradiso@Diaspora thematisiert Wechselwirkungen zwischen jüdischer Kultur und
den jeweiligen sie umgebenden Kulturen, ihre Reflexion auf Musik, Sprache und
Literatur, aber auch Architektur, Küche oder Psychoanalyse.
Re-Generationen
Wie regeneriert sich das jüdische Leben in Europa nach dem Bruch durch die
Schoah?
Welche neuen Konstellationen ergeben sich für das europäische Judentum durch
den Fall der Berliner Mauer? Welche weiteren Einschnitte der
Nachkriegsgeschichte beeinflussen jüdisches Leben in Europa heute?
Die aktuelle Ausgabe des "GOLEM" ist
dem Thema "Familie" gewidmet. Nachdem im ersten Heft die Frage "Was ist
jüdische Identität heute in Europa" im Mittelpunkt stand, geht der Blick jetzt
nach innen, auf Beziehungsketten, die das Judentum heute mit dem biblischen
oder talmudischen Judentum verbinden. Familie, die im Gedächtnis der
Generationen bleibt, weil wir uns erinnern wollen. Auch deshalb ist das
Erzählen von Geschichte und Geschichten ein wesentlicher Bestandteil der
jüdischen familiären Tradition. Kurzgeschichten, Dokumentationen, Gedichte,
Witze, Fotos und Bildende Kunst vermitteln in diesem Heft einen sehr
persönlichen und intimen Einblick in das jüdische Familienleben. Der Bogen
spannt sich von West- nach Osteuropa, von der neuen Welt bis nach Israel, von
der homosexuellen Partnerschaft bis zur jüdischen Großfamilie.
Exemplarisch für den pluralistischen
Ansatz des "GOLEM" zum Thema Familie kann der Text "Schwarz-weiß
und farbig" von Toby
Axelrod stehen, in der die beiden porträtierten Großväter der Autorin zwei
ganz unterschiedliche Positionen vertreten - eine Diversität innerhalb einer
Familie, die für die Diversität innerhalb der jüdischen Kultur beispielhaft
ist.
Michael Frajman
Meshulash Berlin
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