Monitor (Video): [TDSL]
[ISDN]
Der Fall Obst:
Was das Familienministerium so alles fördert... und
was nicht...
Behördenwillkür, Inkompetenz oder beleidigte Leberwurst?
Ramona Ambs

Abb.*: Dr. Sven-Olaf Obst, Referatsleiter im
Familienministerium und ausgewiesener Experte der Bundesregierung für
Prävention und Bekämpfung von Rechtsextremismus, Linksextremismus und
Islamismus. Seit Ausrufung des "Aufstands der Anständigen" mit der
Verteilung von über 200.000.000 Euro betraut.
Nach einem Brandanschlag auf die Düsseldorfer Synagoge im Oktober 2000 gibt
es bei der herbeigeeilten Politprominenz zunächst betretene Gesichter,
danach folgt ein Statement des damaligen Bundeskanzlers: "Wegschauen ist
nicht mehr erlaubt. Was wir brauchen, ist ein Aufstand der Anständigen in
Deutschland."
Die rot-grüne Bundesregierung beschloss daraufhin die Arbeit jener
Initiativen und NGOs, die sich schon seit Jahren einer immer aggressiver
zutage tretenden rechtsextremistischen Agitation und Gewalt in den Weg
gestellt hatten, endlich als dringend notwendig anzuerkennen und auch
finanziell zu unterstützen. Eines der Hauptprogramme im "Aufstand der
Anständigen" bekam denn auch den griechischen Namen "entimon", was soviel
wie "Respekt" bedeutet.
Über das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend
(BMFSFJ) sollte der Aufstand verwaltet werden. Zuständig für die Anständigen
und die enorme Summe von sage und schreibe 200.000.000 Euro wurde
Referatsleiter Dr. Sven-Olaf Obst.
Schaut man sich aber die Liste der zuletzt von entimon geförderten Projekte
durch, so fallen zahlreiche Projektträger auf, die keine Vereine oder
Bürgerbewegungen sind, sondern ganz etablierte staatliche Institutionen. Es
sind Städte, Kirchengemeinden oder sogar das Landesamt für Soziales, Jugend
und Versorgung in Rhein-Land-Pfalz, die die Fördergelder, welche den Respekt
des Staates für zivilgesellschaftliches Engagement, wie man heute sagt, zum
Ausdruck bringen sollten, in Empfang nehmen.
Nun ist natürlich nichts dagegen zu sagen,
wenn eine Stadt oder eine Behörde ein Projekt fördern lassen will, aber man
darf dann schon die Frage stellen, ob es dem ursprünglichen Anliegen
"bürgerliches Engagement" gegen Rechtsextremismus und Gewalt anzuerkennen
und zu unterstützen dienlich ist, wenn man das Geld an Städte oder
Kirchengemeinden gibt.
Gleichwohl gönne ich jedem dieser Projekte die Förderung und hoffe, dass sie
erfolgreich arbeiten. Wenn ich dann allerdings die Begründung der Absage für
das Projekt "Online
gegen Rechtsextremismus: OR - Bildung gegen Antisemitismus" des
Vereins HaGalil e.V. anschaue, so fällt auf, dass ein Großteil der Projekte
mit eben dieser Begründung ebenfalls und noch viel eher hätten abgelehnt
werden müssen.
In der Begründung steht: "Die im Jahr 2006 zur Verfügung stehenden Mittel
(...) sollen vor allem zur Unterstützung der Jugendbildungsarbeit in den
Bereichen "Interkulturelles Lernen" und "Politische Bildungsarbeit" sowie
für den Auf- und Ausbau von Lokalen Netzwerken herangezogen werden. An der
Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen sollen sich junge Menschen aktiv
beteiligen, insbesondere Haupt- Berufsschüler/-innen angesprochen werden."
Nun, mal davon abgesehen, dass HaGalil als Internetprojekt gerade
politische Bildungsarbeit für jüngere Menschen insbesondere Schülerinnen und
Schülern, aber eben auch Lehrern und anderen Multiplikatoren bietet, genügt
einfaches Durchzählen der derzeit geförderten Projekte und man stellt fest:
Von den derzeit 94 geförderten Projekten haben genau acht (8) Projekte
Haupt- Und BerufsschülerInnen als Zielgruppe explizit genannt. Neun (9)
Projekte hingegen haben als Zielgruppe "Migranten- und Migrantinnen"
genannt, wobei ich mich persönlich dann immer frage, weshalb man diese gegen
Rechtsextremismus immun machen muss, aber das wäre nun wieder ein anderes
Thema.
26 Projekte fördern übrigens Multiplikatoren und zwar ausschließlich solche.
Ein Projekt beispielsweise mit dem wohlklingenden Namen "Abenteuer Begegnung
- Interkulturelles Lernen in der Jugendarbeit" wurde vom Bischöflichem
Jugendamt der Diözese Rottenburg-Stuttgart beantragt und wurde bewilligt.
Dieses Projekt
(http://www.bdkj.info)
wendet sich gerade mal an fünfzehn (15) Mitarbeiter der Kirche, die über ein
Losverfahren an einer eineinhalbjährigen Fortbildung teilnehmen können.
Ich will ja nichts schlechtreden, sicherlich ist das eine gute Sache, aber
ist das wirklich effektive Arbeit gegen Gewalt und Rechtsextremismus?
Aber auch, wenn man sich von den Projekten, die für Multiplikatoren gedacht
sind, entfernt und sich beispielsweise mal eines anschaut, welches für
MigrantInnen gedacht ist, ist man vom richtigen Mitteleinsatz nicht so recht
überzeugt. "Fremde unter Fremden" heisst ein Projekt das vom Bund Deutscher
PfandfinderInnen beantragt und genehmigt wurde. Das Geld fließt hier an eine
Gruppe junger Menschen zwischen 16 und 27 Jahren aus dem Rhein-Main-Gebiet.
Diese Jugendlichen haben ein Projekt mit Namen "Mixstory"
(www.fremdeunterfremden.de)
ins Leben gerufen. Auf ihrer Website beschreiben sie es so:
"Dieses Projekt erzählt die Geschichte von MigrantInnen, die aus
verschiedenen Gründen nach Deutschland gekommen sind, und die damit
zusammenhängenden Erfahrungen.
Ziel ist es, das Internet als Ort zu nutzen, wo man sich informieren und
austauschen kann. Dazu haben wir auf drei Seminaren im Odenwald, in Hamburg
und Köln eine eigene Webseite erstellt. Wir haben im Frühjahr 2005
angefangen, haben aber vor, unsere Seite ständig zu aktualisieren, zu
erweitern und mit Hilfe unterschiedlicher Medien kreativ an ihr zu arbeiten."
Was zunächst sehr positiv klingt, ist bei näherem Hinsehen
jedoch keine echte Bildungsarbeit. Die Jugendlichen schreiben auf der
Website zu verschiedenen Themen - aber offenbar überprüft keiner, was sie da
so schreiben.
Ein größerer Themenblock widmet sich der Religion. Wer nun aber glaubt,
tatsächlich etwas über verschiedene Religionen zu erfahren sieht sich
enttäuscht.
Zum Judentum steht da u.a. Folgendes:
"Judentum heute
- Jugendliche über ihre Erfahrungen - Das Judentum achtet jeden Menschen
als solchen. Radikalismus gilt bei Maimondes als krankhaft. Daher suche man
immer den goldenen Mittelweg, begegne den Mitmenschen mit Verständnis.
Einige Jugendliche berichten über ihren Alltag in Deutschland. Alle sind
ziemlich ausgelassen, die Mädchen tragen Röcke und sind nicht konservativ,
so wie manche vielleicht denken. Auch wie alle anderen gehen sie in die
Disko und trinken Alkohol, denn es ist nicht verboten. Sie essen nur
Fleisch, das koscher ist, also durch Ausbluten der Tiere geschlachtet
(geschächtet) wurde. Und natürlich gibt es spezielle Feiertage - wie etwa
das Lichterfest Chanukka. Ansonsten gibt es keinen großen Unterschied.
Trotzdem sehen sich die Jugendlichen immer wieder mit Unverständnis und
Vorurteilen konfrontiert. Welche Rolle spielt die "deutsche Vergangenheit"
für sie? Der Großteil hat viele Verwandte verloren. Doch sagen sie, sie
möchten nicht, dass sich jemand heute dafür schuldig fühlt. Sie möchten nur,
das man nichts vergisst!! Was aber auch für uns verständlich ist, oder?
In Deutschland leben heute rund 120.00 Juden, und es gibt finsgesamt 83
jüdische Gemeinden." (http://www.fremdeunterfremden.de/judentum).
Wenn dies nun die Ergebnisse einer finanziell geförderten
politischen Jugendbildung sind, dann kann man nur empfehlen, sich unbedingt
auch bei kompetenteren Medien (wie haGalil beispielsweise) über solche
Themen zu informieren.
Besonders bitter wird es, wenn man dann in den aktuellen
Leitlinien von entimon 2006 unter Punkt 2.2.- Förderschwerpunkte lesen kann:
"Dabei sollen vor allem folgende Aspekte im Mittelpunkt
stehen: ... - zeitgenössisches jüdisches Leben".
Zu diesem wichtigen Punkt habe ich auf Anhieb übrigens nur
ein einziges Projekt gefunden, nämlich ein Filmprojekt der Stadt Freiburg
über jüdische Jugendliche.
Aber es gibt auch sinnvolle Projekte, wie beispielsweise jene, die sich an
Eltern und Erziehungsberechtigte von rechtsextremen Jugendlichen wendet:
"Elterninitiative gegen Rechts".
Erst bei näherem Hinsehen erweist sich die "Elterninitiative" nicht als
echte Elterninitiative, sondern als Angebot des Landesamts für Soziales,
Jugend und Versorgung von Rheinland-Pfalz. Das scheint ein hilfreiches
Angebot zu sein, - aber warum wird eine Landesinitiative von entimon
gefördert?
Und warum ist ein solches Programm, das doch sicherlich als
Dauereinrichtung gedacht ist (ja gedacht sein muss!), als "Projekt"
gefördert?
Fragen über Fragen... wer beantwortet mir die?
Und wer beantwortet die Frage, weshalb haGalil, das offenkundig geradezu
hervorragend geeignet wäre für eine Förderung, nicht gefördert wird?
Vielleicht Herr Dr. Sven-Olaf Obst, der uneingeschränkte Herrscher über 200
Milionen Euro?
Als erstes wäre es schon mal hilfreich, wenn Dr. Obst sich dazu durchringen
könnte eine frühere Anfrage der zweiten Vorsitzenden des haGalil e.V. zu
beantworten. Die hatte nämlich um Klärung eines eklatanten Widerspruchs
gebeten: Dr. Obst hatte in einer "geheimen Verschlusssache", die er im
Bundestag an zahlreiche Abgeordnete versandt hatte, behauptet, haGalil e.V.
habe einen Antrag auf institutionelle Förderung gestellt, weshalb schon im
Oktober 2005 beschlossen wurde, den Antrag des haGalil e.V. garnicht erst
zur weiteren Begutachtung zuzulassen. Inzwischen hat das BMFSFJ den -
angeblich nicht zu begutachtenden - Projektantrag des haGalil e.V. ganz
offiziell abgelehnt, allerdings mit einer völlig anderen Begründung (s.o.).
Ein Lotterie-Verfahren wäre sicherlich gerechter, und es würde allen
Beteiligten unnötiges Rätseln zur Ergründung der undurchsichtigen
Richtlinien und Verfahrensweisen des Dr. Obst ersparen.
*) Ohne weitere Begründung
wurde uns durch die Rechtsabteilung des BMFSFJ die bildliche Darstellung des
Dr. Obst untersagt. Wir kommen dieser Bitte gerne nach, auch wenn das BMFSFJ
dieses Problem bei anderen Websites offensichtlich nicht hat.
weitere entimon-links:
www.kirche-hawi.de - www.bagejsa.de
- www.stja.de -
www.politische-jugendbildung-et.de -
www.lisum.de weitere
Hintergrundinformation:
Gesamtgesellschaftliches Engagement:
haGalil? - Nein
Danke!
Aus mehreren Quellen haben wir inzwischen
erfahren, dass der Antrag des haGalil e.V. im Bundesministerium für
Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) noch nicht einmal in die
Vorauswahl der zur Förderung zivilgesellschaftlicher Initiativen in Frage
kommenden Projekte aufgenommen wurde...
Krieg und Terror im Internet:
Cyberwar?
Schon vor Jahren schlug der Knessetabgeordnete Michael Eitan
vor, Webseiten, die der Verbreitung von Information dienen, ebenso wie die
freie Presse, international schützen zu lassen...
Audio:
"haGalil onLine" im Mediengespräch
[komplett
als mp3] oder verkürzt als [flash].
Sendezeit: Deutschlandradio, Ortszeit, heute 29.03.2006, 08:10.
Die Geschichte vom angeblich nie gestellten Antrag:
Schwarz auf weiß und
abgelehnt
Erinnern Sie sich an den Monitor-Beitrag zum Thema haGalil
und den "Auftritt der Umständlichen" im BMFSFJ?...
Antisemitismus - kleinster gemeinsamer Nenner der
NS-Szene:
Rechtsextremismus im
Aufwind
Es sei erschreckend, dass sich die Politik mehr Sorgen um den
Ruf Deutschlands vor der Weltmeisterschaft mache als um den Schutz der im
Lande lebenden Menschen... |