Krieg und Terror im Internet:
Cyberwar?
WEITERE INFORMATIONEN UND HINTERGRÜNDE ZUM
HACKER-ANGRIFF AUF HAGALIL
Schon vor Jahren erklärte der
Knessetabgeordnete Michael Eitan, dass Angriffe im Internet nicht auf
die leichte Schulter genommen werden sollten, denn sie stellen eine
Aggression gegen die Infrastruktur eines Landes dar. Er schlug vor,
Webseiten, die der Verbreitung von Information dienen, ebenso wie die
freie Presse, international schützen zu lassen.
Geschehen ist so gut wie nichts, und dies
obwohl es auch offiziellen Stellen längst hätte bekannt sein müssen,
dass im Internet neben Anleitungen zum Bau von Sprengstoffgürteln und
"schmutzigen" Bomben auch Gebrauchsanweisungen für den Cyberwar
kursieren.
Erst am 1. Februar 2006 berichtete der Spiegel von Diskussionsforen mit
Links zu einer arabischen Anleitung für weit reichende Cyber-Angriffe.
Detailliert wurde geschildert, wie z.B. der Server des "Jyllands-Posten"
durch eine "distributed denial of service"-Attacke (dDoS) in die Knie
gezwungen werden könnte: Am einfachsten sei es, "die Seite mindestens
drei Mal aufzurufen und immer wieder zu aktualisieren". Notwendige
IP-Adressen lieferten die Islamisten gleich mit. Auch auf Programme, die
derartige Angriffe effektiver machen sollen, wurde verwiesen.
Abb.:
Seitenaufrufe pro Stunde >>
Im Falle von
haGalil begnügten sich die Angreifer leider nicht damit, den Server
durch vorübergehende Überlastung zeitweise außer Gefecht zu setzen.
Zuvor zerstörten sie nämlich sämtliche Daten des haGalil Netzwerks. Auf
den versuchten dDoS-Angriff deuten zwar die Logfiles hin, dieser zwang
den Server aber nicht in die Knie und erfolgte erst nachdem die
Zerstörung bereits abgeschlossen war. Es liegt somit die Vermutung nahe,
dass zwei oder drei Angriffe abgesprochen aber unabhängig von einander
erfolgt sind.
Während die Löschung gegen 5.00h begann, erreichte der DoS (Ausschaltung
durch Überlastung) seinen Höhepunkt zwischen 9.00h und 10.00h (s.Abb.).
Dass solche und ähnliche Angriffe nicht
schon früher erfolgreich waren, liegt an der hohen Priorität, die man
bei haGalil der IT-Security bislang eingeräumt hat. Der völlig
unvorhersehbare Ausschluss des unter hagalil.com entstandenen Bildungs-
und Kommunikationsangebots aus dem Kreis von 3.800 vom
Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) im Rahmen des Programms "entimon" für
förderungswürdig befundenen Initiativen gegen Rechtsextremismus und
Antisemitismus hat uns jedoch schon 2005 so schwer getroffen, dass uns
der erneute Beschluss des BMFSFJ, haGalil auch im Jahre 2006 aus der
deutschen Zivilgesellschaft auszuschließen. Im BMFSFJ wurde gar die
Meinung geäußert die Bekämpfung des Antisemitismus im deutschsprachigen
Internet sei doch eigentlich Aufgabe des Zentralrats oder der Regierung
Israels: "Wenn Ihnen haGalil so wichtig ist, dann bezahlen sie das doch
selbst!".
Die aufreibende und langwierige Verweigerungs- und Hinhaltetaktik des
damaligen Staatssekretärs im Bundesfamilienministerium Peter
Ruhenstroth-Bauer trug ein übriges zur Schwächung von haGalil bei. Erst
nach ausdauernder Intervention des Zentralrats wurde immerhin noch ein
Drittel der ursprünglich vorgesehenen Summe ausbezahlt. Diese Mittel
waren aber auch nach massiven personellen und technischen Kürzungen
nicht mehr ausreichend, um das Ziel des Projekts OR (hebr. für Licht) zu
verwirklichen.
Seitenaufrufe
pro Woche >>
Unter der Projektbezeichnung
"OR" lief ursprünglich die Unterstützung für haGalil. Als alleiniges
Projektziel war von "Erhalt und Ausbau des unter haGalil online
entstandenen Bildungs- und Kommunikationsangebot zum Judentum" die Rede
gewesen (siehe
Datenbank entimon beim
Deutschen Jugendinstitut) und in diesem Sinne wurden vom BMFSFJ
zwischen 2002 und 2004 Gelder an einen Berliner Verein bezahlt, der aber
nur die Hälfte der Fördermittel in diesem Sinne einsetzte.
Nach andauernden Meinungsverschiedenheiten über die sinnvolle Verwendung
dieser Mittel, wurde 2004 in München der haGalil e.V. gegründet, der ab
2005 die Durchführung des Projekts direkt übernehmen sollte. Im Dezember
2004 wurde dies aber, trotz anders lautender Zusage, überraschend
abgelehnt. Eine von vielen unterschiedlichen Begründungen des BMFSFJ
behauptet, der Berliner Verein habe seine Befürwortung des
Trägerwechsels kurz vor Fristablauf, entgegen einer zuvor getroffenen
schriftlichen Vereinbarung, zurückgezogen, man wolle in Berlin ein
"alternatives und abgespecktes Angebot" aufziehen. Selbstverständlich
wies der haGalil e.V. sofort darauf hin, dass das Projekt OR klar
definierte Ziele (s.o.) habe und diese
ohne haGalil
nicht erreichbar sind. Das BMFSFJ musste diese Auffassung
notgedrungen übernehmen und von der Unsetzung dieses Plans Abstand
nehmen.
Anstatt nun aber für haGalil eine akzeptable Lösung zu
finden, wurden zwei Drittel des Budgets gestrichen und das restliche
Drittel ein halbes Jahr lang als Faustpfand einbehalten. haGalil wurde
immer wieder, unter anderem auch durch die damalige
Bundesfamilienministerin Renate Schmidt, auf das Jahr 2006 vertröstet.
Gleichzeitig war man sich aber bis in allerhöchste Ämter und Gremien
einig, dass die Arbeit von haGalil ein unverzichtbarer Bestandteil der
Auseinandersetzung mit Antisemitismus und extremistischen Gesinnungen
sei. Man sei sich einig, dass die Arbeit von haGalil richtig und wichtig
sei, betonte in zahlreichen Antwortschreiben auf entsprechende
Anfragen auch das BMFSFJ. Da aber der Berliner Verein augenscheinlich
unfähig zur Kooperation sei, seien allen Beteiligten die Hände gebunden.
Diese Begründung erstaunt umso mehr, als der zuständige
Referatsleiter aus seinem eigenen
Vorschriftenkatalog erst kurz zuvor mitgeteilt hatte, man müsse
einem Trägerwechsel nur dann zustimmen, wenn ein neuer Träger sich
anbiete, der in der Lage sei, das begonnene Projekt ohne finanziellen
Mehrbedarf fortzuführen. Genau dies war aber durch den haGalil e.V., den
neuen Träger, eindeutig und
fristgerecht
schriftlich und mündlich zugesagt und beantragt worden.
Dass der
alte Träger seine zuvor zugesagte Kooperation bei der Übertragung der
Trägerschaft nicht erbringen konnte oder wollte, war nur ein weiteres
Indiz dafür, dass man dort an einer erfolgreichen Projektumsetzung nicht
interessiert war. Diese Verweigerungshaltung zeigte sich erneut, als
auch für ein Gespräch mit dem Generalsekretär des Zentralrats keiner der
beiden Vorsitzenden (noch ein anderes Mitglied dieses Vereins) in
absehbarer Zeit zur Verfügung stand. Als daraufhin Zentralrat und
Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland die Trägerschaft
beantragten, fand man sich im BMFSFJ immerhin dazu bereit ein Drittel
des Budgets zur Verfügung zu stellen.
Der haGalil e.V., der diese
massiven Ausfälle durch Spenden aus dem In- und Ausland nur notdürftig
ausgleichen konnte, wurde auf das Jahr 2006 vertröstet. Dann stehe es
auch ihm frei, einen neuen Antrag zu stellen. In diesem Sinne äußerte
sich nicht nur Renate Schmidt, die damalige Bundesministerin für
Familien, Senioren, Frauen und Jugend. Auch vom Bundespräsidialamt, vom
Bundeskanzleramt, von Ute Vogt, der damaligen parlamentarischen
Staatssekretärin im Innenministerium, vom Büro des
Bundestagspräsidenten, vom Antisemitismusbeauftragten der OSZE und
zahlreichen weiteren Stellen liegen entsprechende Schreiben an den
haGalil e.V. beziehungsweise an Organisationen und Institutionen, die
sich mit entsprechenden Anfragen an das BMFSFJ gewandt hatten.
Das Jahr 2006 hat vor Monaten begonnen - und obwohl dem zuständigen
Referat im BMFSFJ zur Unterstützung zivilgesellschaftlicher Initiativen
gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus fast 200 Millionen Euro
Steuergelder aus Bundes- und EU-Mitteln anvertraut wurden, sieht man
sich dort erneut nicht in der Lage, einem Antrag des haGalil e.V.
stattzugeben. Das unter haGalil online entstandene Bildungs- und
Kommunikationsangebot wird wohl erneut aus dem Kreis der
unterstützungswürdigen "zivilgesellschaftlichen Initiativen"
ausgeschlossen. Jedenfalls geben zahlreiche Verlautbarungen aus dem
BMFSFJ und seinem Umfeld schon seit Monaten Anlass zu solchen
Befürchtungen.
Soviel zum Anstand der Zuständigen und zum Zustand
der Anständigen. Aus diesen knappen Zeilen, die nur die Spitze des
Eisbergs erahnen lassen, dürfte klar werden, dass es nicht Cyberangriffe
aus Qatar oder Jordanien sind, die uns schockieren. Es sind vielmehr die
Unfähigkeit, die Gleichgültigkeit und die Boshaftigkeit der "Guten" in
diesem Lande, die unsere Hoffnung enttäuschen und ein Problem, nicht nur
für haGalil, sind.
Eva Ehrlich
haGalil e.V.
verein@hagalil.org -
0172-788-7406 - Postfach 900504 - D-81505 München Münchner Bank BLZ
701 900 00 Konto Nr. 872 091 Bei Überw. a.d. Ausland: BIC:
GENODEF1M01, IBAN: DE05 7019 0000 00008720 91 Außerdem:
PayPal
Nach
destruktiver Hackeraktion: haGalil wieder online
In den 80er Jahren galten Hacker als
wissbegierige Menschen, welche die Welt der Computer erforschten, dabei
in die Tiefen der Materie eindrangen und sich dadurch auch in fremde
Systeme hacken konnten, egal ob mit böswilliger Absicht oder nicht...
Weitere Informationen zum Hackerangriff in der damaligen
Notausgabe...
Audio: "haGalil onLine" im Mediengespräch [komplett
als mp3] oder verkürzt als [flash].
Sendezeit: Deutschlandradio, Ortszeit, heute 29.03.2006, 08:10.
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