In der Reihe "Herausforderungen der Demokratie":
Antisemitismus-Tagung in Mannheim
Ein Bericht von Ramona Ambs
"Herausforderungen der Demokratie" heißt eine
Reihe von Fachtagungen der Friedrich-Ebert-Stiftung, die vom
Fritz-Erler-Forum Baden-Württemberg veranstaltet werden und die sich diesen
Freitag dem Thema Antisemitismus widmete. Antisemitismus, fremdenfeindliche
Gewalttaten und Rassismus sind in den letzten Jahren wieder verstärkt
aktuelle gesellschaftliche Erscheinungen und sind als solche Thema
politischer Debatten.
Zahlreiche Referenten waren geladen und
analysierten bestimmte Aspekte dieses Themas. Die Veranstaltung stand
natürlich auch unter den Eindrücken der jüngsten Eskalation in Nahost. So
kritisierte bereits Gert Weisskirchen, MdB und OSZE-Beauftragter für
die Bekämpfung des Antisemitismus, in seiner Begrüßungsrede die teilweise
einseitige Berichterstattung zu diesem Thema. Zwei Schulklassen, die sich
unter den etwa 300 Teilnehmern befanden, wurden von ihm besonders herzlich
begrüßt. Weitere Begrüßungsworte wurden von Elmar Haug, Eva
Strobel, die vor allem die Organisation von Peter Wirkner lobte,
und dem Oberbürgermeister der Stadt Mannheim, Peter Kurz, gesprochen.

Stephan J. Kramer (links) und Gert Weisskirchen
Stephan J. Kramer, der für den Zentralrat
der Juden in Deutschland einige Begrüßungsworte sagen sollte, hielt mehr ein
eigenes Referat zu dem Thema, als dass er durch farblose Willkommens-Worte
aufgefallen wäre. Zunächst kritisierte auch er die einseitige Beurteilung
der Lage in Nahost durch den deutschen Außenminister Steinmeier und
bedauerte die dortige Eskalation. Dann zitierte er aus einer E-Mail, die
zwei Tage zuvor beim Zentralrat eingegangen war und in der gefragt wurde,
"wieviel Geld denn der Zentralrat von der Bundesregierung bekommen habe,
dass die Deutschen ungestraft soviel Flagge zeigen durften bei dieser WM".
Ausgehend von dieser Mail, die, wie Kramer betonte, keine unrühmliche
Ausnahme darstellte, zeigte er auf, wie weit verbreitet antisemitische
Klischees und Denkweisen in der Gesellschaft sind. Er kritisierte, dass über
dieses Thema stets viel geredet wird, es an konkreten Hilfen aber oft fehle.
HaGalil nannte er als ein Beispiel dafür, dass eine Organisation, die sich
gegen Antisemitismus engagiert, aufgrund fehlender Unterstützung mehr Zeit
und Kraft damit verbringen muss, ihre finanzielle Situation zu sichern als
ihre eigentliche Arbeit tun zu können. Kramer forderte entschieden
verlässliche staatliche Förderung für Projekte wie zum Beispiel haGalil.
Der erste Referent, Julius Schoeps vom
Moses-Mendelsohn Zentrum in Berlin, bemängelte ebenfalls am Ende seines sehr
interessanten Vortrags von der Entwicklung des Antijudaismus zum
Antisemitismus, dass es in Deutschland heute vor allem am "wirklichen
Wollen" fehlt, den Antisemitismus zu bekämpfen. Klaus Faber,
Staatssekretär a.D. vom Wissenschaftsforum Berlin berichtete von der "unheiligen
Allianz", dem Antisemitismus im Islam und seinen Folgen, in dessen
Anschluss sich eine kleine Debatte ereignete, welche der von Faber genannten
Zitate nun wirklich dem Koran zuzuordnen sind und welche nicht.
Jörg Ueltzhöffer vom Sigma-Institut gab
einen kurzen, aber sehr interessanten und durch anschauliche Grafiken
unterlegten Überblick zu "Antisemitismus und Rassismus in Europa im Lichte
der Lebensweltforschung", der belegte, dass Antisemitismus und Rassismus
keineswegs, wie oft behauptet, reine "Unterschichts-" und
"Verliererhaltungen" sind. Er forderte am Ende seines Vortrags, künftig
nicht mehr von Fremdenfeindlichkeit zu sprechen, sondern von
Menschenfeindlichkeit, um auch sprachlich die Gleichwertigkeit aller
Menschen hervorzuheben. Dr. Deborah Kämper referierte im Anschluss
daran über "Sprache und Antisemitismus", wobei sie verschiedene
antisemitische Äußerungen unterschiedlichen Kategorien zuordnete.
"Die
These von der jüdischen Weltverschwörung" war das Thema von Prof.
Dr. Johannes Heil (Bild rechts) von der Hochschule für jüdische Studien
in Heidelberg. Heil spannte den Bogen von historischen Vorwürfen wie der
Hostienschändung oder der Brunnenvergifterlegende bis hin zu modernen
Verschwörungstheorien, nach denen die Juden die eigentlichen Drahtzieher des
11. September seien oder gar schuld seien am Ausbruch der Vogelgrippe.
Der Orientalist Dr. Hans-Peter Raddatz hielt einen höchst provokanten
Vortrag über "islamischen Antisemitismus in der Gegenwart" in dessen
Anschluss es viele Wortmeldungen aus dem Publikum gab und eifrig diskutiert
wurde. Als letzter Referent kam Sascha Stawski von Honestly Concerned
zu Wort und belegte eindrucksvoll, wie die hiesigen Medien "Das Bild Israels
in den Köpfen der Menschen" beeinflussen. Anhand zahlreicher bebilderter
Zeitungsartikel konnte er belegen, daß die Berichterstattung einseitig und
die getroffene Bildauswahl höchst fragwürdig ist.
Mit einer kurzen Abschlussrunde endete die Tagung, eine Fortsetzung m
nächsten Jahr wurde in Aussicht gestellt. Einen Reader mit sämtlichen
Vorträgen (auch dem des leider wegen Krankheit ausgefallenen Referenten
Matthias Küntzel) ist ab September bei der Friedrich Ebert-Stiftung
erhältlich.
In der Antisemitismusbekämpfung
mangelt es am wirklichen Wollen:
Zentralrat fordert
verlässliche Unterstützung für haGalil
Antisemitismus ist in den letzten Jahren wieder verstärkt
aktuelle gesellschaftliche Erscheinungen und Thema politischer Debatten...
Europäischer Antisemitismus in Geschichte und Gegenwart:
Die These von
der Jüdischen Weltverschwörung
Auf dem Jüdischen Friedhof in Prag treffen sich einmal in hundert Jahren zu
einer ausgemachten Stunde die Vertreter der zwölf Stämme Israels und beraten
über das mittelfristige Vorgehen auf dem Weg zur gänzlichen Beherrschung der
Welt...
Unheilige Allianzen:
Antisemitismus im Islam
und im europäisch-amerikanischen Kulturkreis
Noch immer gibt es die alte, weit verbreitete Position, muslimischer
Antisemitismus in Nahost, Europa oder Amerika sei, soweit überhaupt
vorhanden, im wesentlichen auf den arabisch-israelischen Konflikt
zurückzuführen; er werde nach dessen "Lösung", für die vor allem Israel
verantwortlich gemacht werden müsse, daher bald wieder verschwinden...
Antisemitismus im (Gegenwarts-) Islam:
Europa im Konflikt zwischen
Toleranz und Ideologie
Da man die Juden und Christen als koranisch verankerte "Schriftverfälscher"
und heute als wesentliche Urheber der Moderne betrachtet, spielen sie –
zusammen mit den Frauen – eine traditionelle Feindbildrolle in der
islamischen Ideologie...
Hermetisch abgeriegelte Welt des Wahns:
Ahmadinejhads
Antisemitismus und der gegenwärtige Krieg
Als Mahmud Ahmadinejad im Sommer 2005 zum iranischen Präsidenten gewählt
wurde, zog sich Israel gerade aus dem Gazastreifen zurück. Damals hofften
viele, dass dieses Stück Land fortan als Modellregion palästinensischer
Eigenstaatlichkeit aufblühen würde. Doch das Gegenteil trat ein...
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