Unheilige
Allianzen:
Antisemitismus im Islam und im europäisch-amerikanischen
Kulturkreis
Von Klaus Faber
Vortrag in Mannheim
14. 7. 06
Nach der Bildung der großen Koalition schienen die
Auseinandersetzungen um die Grundorientierung der deutschen Außenpolitik,
wozu etwa der Streit über die transatlantischen oder russisch-französischen
Achsenbildungen zählte, der Vergangenheit anzugehören. Ähnliches war
zunächst für die "eigenen" Wege der deutschen Nahostpolitik in Abgrenzung zu
den USA und Großbritannien anzunehmen. Unrecht hatten danach scheinbar auch
diejenigen, die schon immer der Auffassung waren, Deutsche einerseits und
Amerikaner, Briten, Polen oder Israelis andererseits hätten aus der NS-Zeit
und dem 2. Weltkrieg ganz verschiedene Dinge "gelernt", die Deutschen
nämlich "Nie wieder Krieg", die anderen dagegen "Nie wieder Hitler". Die von
der antisemitischen Islamischen Republik Iran ausgehende
Proliferationsgefahr hatte auf der westlichen Seite, so schien es, die alten
Rivalitäten und Gegensätze überwunden.
Unheilige Allianzen: Antisemitismusströmungen im Islam und im
Westen
Unter
den deutschen Diskussionsbedingungen ist die Frage nach dem Gewicht der
Antisemitismusströmungen im Verhältnis zwischen Islam und Nicht-Islam
erklärungsbedürftig. Noch immer gibt es die alte, weit verbreitete Position,
muslimischer Antisemitismus in Nahost, Europa oder Amerika sei, soweit
überhaupt vorhanden, im wesentlichen auf den arabisch-israelischen Konflikt
zurückzuführen; er werde nach dessen "Lösung", für die vor allem Israel
verantwortlich gemacht werden müsse, daher bald wieder verschwinden. Diese
bequeme These blendet allerdings große Teile der Wirklichkeit aus.
Antisemitismus im islamischen und im christlich-jüdisch-westlichen
Kulturkreis sind nicht erst seit der islamischen Einwanderung nach Europa
oder Amerika und nicht nur dort unheilige Allianzen eingegangen.
Bernard Lewis hat in einem Werk der 70er Jahre als einer der ersten
prominenten Islamwissenschaftler den wachsenden Antisemitismus in arabischen
sowie in weiteren islamischen Ländern beschrieben. Er hat sich dabei auch
mit dem "neuen" Antisemitismus, dem antiisraelischen Antisemitismus,
befasst. Der Titel seines Buches "Semiten und Antisemiten"
deutet an, dass ein zentraler Punkt seiner Darstellung den
arabisch-islamischen Antisemitismus betrifft, wie er etwa im
Entebbe-Terrorakt (1976) sichtbar wurde. Damals hatten arabische und
deutsche Terroristen gemeinsam unter den Passagieren eines entführten
Flugzeugs jüdische Menschen ausgesondert, die später von israelischen
Streitkräften befreit wurden. Ein Todesopfer unter den Passagieren war eine
jüdische, nicht-israelische Frau. Der Tod - wohl richtiger: der Terrormord -
erfolgte nicht während der israelischen Befreiungsaktion. Die Ausdehnung der
Angriffsrichtung von israelischen auf allgemein jüdische Terroropfer enthält
eine antisemitische Komponente, was wohl nicht ausgeführt werden muss.
"Semiten", also Angehörige einer Gruppe, die eine semitische Sprache, z. B.
Arabisch, spricht, können selbstverständlich auch Antisemiten sein, wie das
Beispiel zeigt - was jedoch andere vor allem in arabischen Ländern, aber
ebenso bei uns, etwa früher Jürgen Möllemann, immer wieder bestreiten bzw.
bestritten haben. Denn "Antisemitismus" bedeutet nicht etwa
Semitenfeindschaft, sondern "nur" Judenfeindschaft. Das europäische Muster
des in Deutschland (von Wilhelm Marr) erfundenen Antisemitismus-Begriffs
sollte für die "aufgeklärten" Zeitgenossen im 19. Jahrhundert das religiös
definierte Wort "Judenhass" ersetzen. Es sollte mit der
"Semiten"-Bezeichnung die Europa angeblich fremde Art und Herkunft der
Juden, als "Semiten", deutlich machen - eine Argumentation, die nicht
nur mit Blick auf die lange jüdische, arabische oder auch phönizische
Präsenz in Europa historisch gesehen merkwürdig erscheint. Das Wort "Europa"
geht übrigens auf die gleiche semitische Wurzel wie "Erev", "Maariv" oder
"Maghreb" zurück - Worte mit dem Bedeutungsgehalt "Abend"/"Westen". Die
Europäer bezeichnen sich also selbst, dank der frühen phönizischen
Siedlungspräsenz, mit einem Begriff semitischer Herkunft. Man könnte
derartige Überlegungen weiterführen. In diesen Zusammenhang gehört z. B. ein
Hinweis auf die Sprachverwandtschaft zwischen den indogermanischen (oder:
indoeuropäischen) und den semito-hamitischen (neuerdings: afro-asiatischen)
Großgruppen sowie darauf, dass die Herkunft der indogermanischen Sprachen in
Europa ursprünglich wohl auf eine außereuropäische Einwanderung
zurückzuführen ist.
Die
Begriffe "arabischer Antisemitismus" und "islamischer Antisemitismus" sehen
einige als deckungsgleiche Größen – zu Unrecht. Denn zum arabischen
Begriffsgebiet gehören auch die arabisch sprechenden Christen. Deren
Antisemitismus unterscheidet sich, trotz aller Angleichungsprozesse, von
demjenigen der arabischen Muslime, was, umgekehrt, für den Antisemitismus
von nicht-arabischen iranischen oder türkischen Muslimen nicht in gleicher
Weise zutrifft. Islamischer Antisemitismus kommt zudem nicht nur, wie die
genannten Beispiele zeigen, im arabischen Sprachgebiet vor. Manche
behaupten, um einen weiteren Streitpunkt aufzugreifen, "islamischen"
Antisemitismus gebe es deshalb nicht, weil der Islam als solcher nicht
antisemitisch sei. Auch diese, von manchen Muslimen, von einigen deutschen
Islamwissenschaftlern und anderen vertretene These hält einer näheren
Prüfung nicht stand. Den dem Ursprung nach christlichen, dann
säkularisierten Antisemitismus gab es, selbstverständlich, zunächst im Islam
nicht - trotz einiger judenfeindlicher Aussagen im Koran, die auch etwas mit
den Vernichtungskämpfen Mohammeds gegen die jüdischen Stämme in Arabien zu
tun haben und nach denen z. B. Juden wegen religiösen Fehlverhaltens von
Gott in Affen und Schweine verwandelt worden sind. Die antisemitischen
Karikaturen aus der Christenwelt, aus dem Europa des 19. und des frühen 20.
Jahrhunderts, wurden im Islam zunächst gar nicht verstanden. Das ist heute
entschieden anders, wie die vielen unbestreitbar antisemitischen Ausfälle in
der modernen islamischen Welt zeigen. Während der Dreyfus-Affäre stand die
islamische Publizistik auf der Seite von Alfred Dreyfus, dem zu Unrecht
wegen angeblicher Spionage für Deutschland verurteilten französischen
Offizier. Das ist jedoch lange her.
Am
Transfer wichtiger Elemente des europäischen, in der Wurzel christlichen
Antisemitismus in den Islam waren zunächst die orientalischen christlichen
Minderheiten beteiligt. In den 30er und 40er Jahren des letzten Jahrhunderts
spielte, wie das etwa Bernard Lewis, aber auch andere schildern, die
erfolgreiche antisemitische Propaganda Hitlerdeutschlands eine maßgebliche
Rolle
. Hitlerdeutschland hatte sich
in der zweiten Hälfte der 30er Jahre, nach einer taktisch begründeten
Indifferenzphase unmittelbar nach der "Machtergreifung", in zunehmend enger
werdender Kooperation mit dem Mufti von Jerusalem unter Einsatz
diplomatischer und nicht-diplomatischer Mittel zu einem entschiedenen Gegner
des Plans entwickelt, einen jüdischen Staat zu gründen. Hitlerdeutschland
vermutete in einem neuen jüdischen Staat, auch aus "rassischen" und
ideologischen Gründen, einen Feind des Reiches sowie eine weitere
Machtposition für das "internationale Judentum". Im 2. Weltkrieg festigte
sich übrigens das Bündnis zwischen dem Jerusalemer Mufti Amin al-Husseini
und Deutschland. Der Führer der Araber in Palästina unterstützte das 3.
Reich z. B. bei dem Versuch, dem antibritischen und prodeutschen Aufstand im
Irak zum Durchbruch zu verhelfen. Seine Propagandaaktionen führten zu einer
pogromähnlichen Verfolgung der jüdischen Gemeinde in Bagdad. Mit dem
Territorialkonflikt in Palästina hatten dabei seine Hasstiraden kaum noch
etwas zu tun. Die verbindende Klammer im Verhältnis zu Hitlerdeutschland war
in dieser Hinsicht die gemeinsame antisemitische Überzeugung. Die
Kooperation umfasste auch Pläne für den Völkermord an den Juden Palästinas,
bei dem die palästinensischen Araber eine Rolle spielen sollten.
Das
Fazit ist klar: Hitlerdeutschland hat im Bündnis mit größeren Teilen der
damaligen arabischen Nationalbewegung zur Propagierung seines
antisemitischen Weltverständnisses im Islam einen wesentlichen Beitrag
geleistet. Heute gibt es eine Art Re-Import: Der deutsche
Schuldabwehr-Antisemitismus, der z. B. in der deutschen Mehrheitsmeinung
sichtbar wird, Israels Verhalten gegenüber "den Palästinensern" sei mit
Hitlerdeutschlands Verbrechen an den Juden vergleichbar, erhält viele
Stichworte aus dem islamisch-arabischen "Diskurs"
. Seit den 50er Jahren des
letzten Jahrhunderts waren im Übrigen auch die stalinistische Führung der
Sowjetunion und ebenso die sowjetische Agitation nach 1967 an der
Verbreitung problematischer, zum Teil offen antisemitischer Positionen
beteiligt. Diese im Westen und in der Dritten Welt in beträchtlichem Umfang
erfolgreiche Propaganda hatte einen bedeutenden Anteil an der Verwischung
der Grenzen zwischen Antisemitismus und Antizionismus sowie an der
Delegitimierung des einzigen jüdischen Staates – dessen Gründung von der
Sowjetunion, nicht ohne "antimperialistische" Nebenabsichten, ursprünglich
unterstützt worden war. Spätestens seit den 80er Jahren ist zu erkennen (für
diejenigen, die es sehen wollen, wozu einige deutsche Instanzen auch im
staatlichen Sektor offensichtlich nicht gehören), dass in einer eigenartigen
Wirkungsverbindung von hitlerdeutscher und sowjetischer antisemitischer
Propaganda mit älteren islamischen und national-arabischen judenfeindlichen
Traditionen der arabisch-jüdische Konflikt auf der Seite der arabischen oder
auch anderer islamischer Länder, z. B. der Islamischen Republik Iran,
antisemitisch grundiert worden ist. Zahlreiche antisemitische Äußerungen
belegen diesen Tatbestand.
Wir
kennen, in unserer Zeit, nicht nur durch memri, honestly-concerned oder
Palestinian Media Watch die antijüdische Agitation in den Medien, in
religiösen Ansprachen, in den Schulbüchern oder staatlichen Erklärungen aus
arabischen und weiteren islamischen Ländern
. Zu nennen sind dabei etwa
Ägypten, Syrien, Saudi-Arabien, das Gebiet der Palästinensischen
Autonomiebehörde, die Islamische Republik Iran oder, als Organisationen,
Hisbollah und Hamas. Der Hisbollah-Fernsehsender Al-Manar vermittelt über
Satellit die alte antisemitische Ritualmordlegende, die in Europa ohne
Probleme empfangen werden kann. Die antisemitischen "Protokolle der Weisen
von Zion" werden in arabischer und in anderen Sprachen mit neuen Auflagen in
der islamischen Welt verbreitet und nach Europa importiert. Auch die
ägyptische, in vielen Ländern ausgestrahlte Fernsehserie "Reiter ohne Pferd"
nimmt, unter Berufung auf die Pressefreiheit, dieses Thema auf. Die
"Protokolle" sind eine antisemitische Fälschung aus dem zaristischen
Russland, die beweisen soll, dass es eine Verschwörung zur Errichtung einer
jüdischen Weltherrschaft gibt. Es handelt sich dabei also nicht um
einen Grenzfall zwischen Antiisraelismus und Antisemitismus, sondern
um eine klassische, auch von Adolf Hitler geschätzte antisemitische
Hetzschrift – um eine unter vielen anderen. Auch die zahllosen antijüdischen
und israelfeindlichen Karikaturen aus der arabischen Presse zeigen häufig
das Niveau, die Tendenz und den Stil des NS-Organs "Der Stürmer".
"Islamistischer" oder "islamischer" Antisemitismus?
Gibt
es nur einen "islamistischen" und keinen "islamischen" Antisemitismus?
Bernard Lewis hat in einem publizistischen Beitrag (ähnlich die Darstellung
im Untertitel zu einem Buch
) ein auch hier
interessierendes Problem mit der folgenden Frage beschrieben: "Islam: what
went wrong?". Etwas lax formuliert könnte man das mit "Was lief schief im
Islam?" übersetzen. Auch gegen diesen Islam-Bezug werden sich vielleicht
einige wenden. Sollen wir aber in allen derartigen Fällen immer auf das
Substantiv "Islam" und auf das Adjektiv "islamisch" verzichten und im hier
relevanten Zusammenhang statt dessen etwa nur vom Antisemitismus von
"Muslimen", vom "muslimischen" oder, wie erwähnt, vom "islamistischen"
Antisemitismus sprechen? Haben die religiösen Ansprachen, die Schulbücher,
Fernsehserien und Medienberichte mit antisemitischer Tendenz nichts mit dem
"Islam" zu tun - etwa deshalb, weil es dabei um verhältnismäßig neue, vor
allem in der Zeit Hitlerdeutschlands verstärkte Phänomene geht? Was spräche,
wenn das zuträfe, z. B. gegen die Forderung, Martin Luther begrifflich aus
dem Kreis des "richtigen", nicht-antisemitischen protestantischen
Christentums auszuschließen - wegen seiner antijüdischen Hassausbrüche, die
Richard Schröder einmal in einer Festrede in Wittenberg mit unserer heutigen
Terminologie als "antisemitisch" qualifiziert hat? Eine Lösung kann auch
nicht darin gesehen werden, alle muslimischen Antisemiten zu "Islamisten" zu
erklären.
Verbirgt sich hinter dem sprachpolitischen Engagement, den "Islam" von allen
negativen Aspekten (von der Dschihad-Kriegskonzeption über judenfeindliche
Koranstellen bis hin zum "neuen" Antisemitismus) zu trennen, nicht selbst
ein Problem? Manche sprechen in diesem Zusammenhang übrigens von
"Desinformation". Auch Bassam Tibi, ein deutscher muslimischer Professor
syrischer Herkunft, weist in seinen Publikationen immer wieder auf Tendenzen
im Westen hin, die Gefahren und Aggressionspotentiale in der
Islamentwicklung zu unterschätzen und zu verharmlosen.
Wir
haben uns, letztlich aus guten Gründen, angewöhnt, vom "christlichen
Antisemitismus" zu sprechen, ohne damit behaupten zu wollen, die Christen
und das Christentum seien generell antisemitisch. Diese Formel ist auch für
die Beschreibung des entsprechenden Tatbestandes im Islam geeignet. Viele
muslimische Immigranten in Europa bringen derartige Auffassungen in ihre
neue Heimat mit. Zum Teil werden die entsprechenden antisemitischen
Vorurteile auch erst in Europa vermittelt, z. B. durch Fernsehsender wie die
schon erwähnte, von Hisbollah mit iranischer Unterstützung betriebene
Station Al-Manar. Zwischen den Entsendeländern der muslimischen Immigration
und den Einwanderern selbst gibt es auch in dieser Frage einen
Kommunikationsprozeß. Die antisemitischen Auffassungen in der
Einwanderergruppe und in der Mehrheitsgesellschaft bleiben ebenso weder der
einen noch der anderen Seite verborgen.
Antisemitismus und Israelkritik: Definition und Realität
In
diesem Zusammenhang ist die Abgrenzung zwischen Israelkritik und
Antisemitismus zu klären. Der dumm-dreiste Satz, man werde doch noch "die
Juden" oder Israel "kritisieren" dürfen, zeigt, wahrscheinlich ungewollt,
Vorgehensweise und Zielsetzung derjenigen, die, mit Unterstützung vieler
ähnlich Denkender in Deutschland und im übrigen Europa, die Aktionsräume
gegen "die Juden" und Israel öffnen wollen. Tatsächlich wird jedenfalls
Israel in deutschen und anderen europäischen Medien seit Jahren überaus
deutlich und in vielen Fällen nicht immer unter Anwendung gerechter Maßstäbe
angegriffen.
Eine
internationale Konferenz jüdischer Gemeinden in Jerusalem 2004, ein darauf
beruhender israelischer Debattenbeitrag auf einer OSZE-Konferenz in Berlin
(ebenfalls 2004) und andere ähnliche Erklärungen aus dem Folgejahr haben
sich mit der hier gestellten Abgrenzungsfrage befasst.
Abgesehen von unbedeutenden Unterschieden in den Feinheiten gibt es danach
im Grundsatz bei denjenigen, die auf diesem Gebiet überhaupt konsensfähig
sind, weitgehend Übereinstimmung. Die Grenze zum ("neuen") Antisemitismus
ist nach diesen Ansätzen jedenfalls dann überschritten, wenn man Israel mit
ungleichen Maßstäben kritisiert, die nur bei ihm und sonst bei keinem
anderen Land angelegt werden, wenn man Israel und den Zionismus dämonisiert,
etwa im Sinne von Verschwörungstheorien, die Israel und die "Zionisten" für
die Terroranschläge vom 11. September 2001 oder für alle Mißstände in der
arabischen und islamischen Welt verantwortlich machen, oder wenn man die
Vernichtung Israels fordert.
Alle
diese Negativkriterien sondern Israel gewissermaßen als – rechtlosen – Juden
unter den Staaten aus; man kann sie deshalb auch insgesamt als –
antisemitische – Unterfallvarianten des Prinzips der ungerechtfertigten
Ungleichbehandlung ansehen. Damit sollen nicht etwa die Besonderheiten des
jahrhundertealten, kulturell tief verankerten Verfolgungsphänomens
"Antisemitismus" in Frage gestellt werden, die seine allgemeine Einordnung
in die angeblich übergreifenden Erscheinungen von Rassismus, Xenophobie oder
verschiedenen Formen von Religionsfeindschaft ausschließen - anders als dies
etwa OSZE-Konferenzen und weitere Instanzen behaupten. Bei derartigen
"Einordnungen" handelt es sich zumeist um den durchsichtigen Versuch, die
historisch nur allzu deutlich belegte Gefährlichkeit von Antisemitismus und
dessen damit zusammenhängende negative Bedeutung zu relativieren.
Ein
Blick in UN-Resolutionen und in die sonstige UN-Praxis zeigt übrigens, wie
weit die Ungleichbehandlung Israels inzwischen gediehen ist; er zeigt auch,
wie wenig konsequent sich etwa westliche Staaten, unter ihnen Deutschland
oder insgesamt die EU-Staaten, derartigen Tendenzen widersetzen. Selbst in
Politik und Praxis der Europäischen Union und ihrer eigenen "Außenpolitik"
gibt es dafür viele Beispiele.
Eine konkrete Erwägung soll deutlich machen, welchen nur zynisch zu
erfassenden Stand an politischer Moral wir in diesem Zusammenhang seit
längerer Zeit erreicht haben. Man sollte meinen, dass die (vor welchem
Hintergrund auch immer geäußerte) politische Kritik an einem Land auf
internationaler Bühne voraussetzt, dass vergleichbare oder schwerer wiegende
Kritiktatbestände in anderen Länden nach ihrem jeweiligen Gewicht mindestens
ebenso deutlich oder mit schärferem Ton in die internationale Debatte
eingebracht werden – etwa von einem Land mit der besonderen Geschichte
Deutschlands und mit der daraus abzuleitenden Verpflichtung. Dieser
Grundsatz hätte dann schon vor vielen Jahren dazu führen müssen, dass die
Massaker (tatsächlich wohl: der Völkermord) im Südsudan (von den Regierungen
des arabischen Nordsudans an den nicht-arabischen Völkern des Südsudans
begangen) sowie die Massenvertreibungen in diesem Konflikt ganz oben auf der
UN- und EU-Agenda stehen – jedenfalls lange vor begründeten oder
unbegründeten Vorwürfen gegen Israel. Denn selbst dann, wenn man unüberprüft
allen arabischen Anschuldigungen gegen Israel folgen würde (was man
natürlich nicht tun sollte), wären die damit erfassten Tatbestände
verglichen mit den Verbrechen im Südsudan nahezu bedeutungslos.
Ohne
eine vorausgehende Thematisierung der Südsudanverbrechen fehlt jeder
kritischen UN-Debatte über Israel im Grunde genommen die
politisch-moralische Legitimation, mehr noch: sie ist durch den
prinzipiellen Mangel der ungerechtfertigten Ungleichbehandlung
gekennzeichnet. Wer die Staatenpraxis im UN- oder im EU-Rahmen mit dem eben
geschilderten Anforderungsprofil für internationale Kritik-Verfahren
vergleicht, wird aus dem Staunen nicht herauskommen: Südsudan-Resolutionen
oder gar -Sanktionen wird man nicht, entsprechende Diskussionen kaum, gegen
Israel gerichtete Debatten, Resolutionen und Sanktionsandrohungen mit
geradezu obsessiver Verfolgungsintensität dagegen in Hülle und Fülle finden.
Goliath Israel und arabischer David?
Auch
auf anderen hier relevanten Feldern sind sonderbare Maßstabsverzerrungen zu
beobachten. Eine in Deutschland und im übrigen Europa weit verbreitete
Geschichtsinterpretation der (Schein-)Äquidistanz im arabisch-israelischen
Streit spricht im Ergebnis die arabische Seite von negativer politischer
Verantwortung für den Konflikt mit Israel oft weitgehend frei, belastet aber
dennoch die jüdische Seite. Sie findet, wohl repräsentativ für eine
Stimmungsmehrheit in den deutschen Medien und in großen Bereichen der
deutschen Politik, z. B. in einem 2005 veröffentlichen Artikel von Annette
Grossbongardt im "Spiegel"
Ausdruck. Auch diese Kritiktendenz muss im hier gegebenen
Abgrenzungszusammenhang bewertet werden.
Der
beschriebenen politischen Botschaft liegt häufig die im Westen und
insbesondere in Deutschland gern gehörte These zugrunde, im "asymmetrischen"
arabisch-israelischen Streit seien von Anfang an die arabischen
Palästinenser die Schwächeren gewesen – eine These, die auch dem
Welt-Verständnis von Alt-68ern und ihrer Beziehung zur "Dritten Welt"
entgegenkommt. In der Auseinandersetzung mit solchen Positionen ist
Differenzierung geboten. Die in diesem Kontext häufiger gestellte Frage, ob
die arabische Seite überhaupt Alternativen zum Konflikt und zum Krieg gehabt
habe, kann, ernst genommen und konkret beantwortet, nicht ohne weiteres
verneint werden (wozu aber viele, auch Annette Grossbongardt,
neigen). Die arabischen Palästinenser und insgesamt die arabische Seite
hätten 1937 die für sie sehr günstigen Teilungslinien der britischen
Peel-Kommission, 1947 den Teilungsplan der Vereinten Nationen und im Jahre
2000 die Clinton-Barak-Vorschläge, die mit einigen
Gebietstauschmodifikationen im wesentlichen die Rückkehr zu den
Waffenstillstandsgrenzen vor dem Sechs-Tage-Krieg von 1967 vorsahen,
annehmen können. Dass die arabische Seite alle diese Vorschläge abgelehnt
hat, kann nicht auf die angeblich starke Position "der Juden" und Israels
zurückgeführt werden. Die Ablehnung beruhte vielmehr auf derjenigen
Negativfestlegung, die von den meisten Arabern bereits 1919, in den ersten
Protestversammlungen nach der britischen Eroberung von "Südsyrien",
vertreten wurde.
Eine jüdische Staatlichkeit sollte es dort, im späteren Mandatsgebiet
"Palästina", nicht geben – oder, so die taktische Variante von 2000, nur
vorübergehend unter Bedingungen zugelassen werden, die das Scheitern dieser
Staatlichkeit programmieren. Ist das eine Position der "Schwäche"?
Mit
Mühe wurde nach dem 2. Weltkrieg die Gründung des jüdischen Staates
vorbereitet, vollzogen und verteidigt; ein jüdischer Erfolg war etwa in der
Abstimmung der UN-Vollversammlung zur Palästinamandatsteilung nur mit Hilfe
der Sowjetunion und der Stimmen der von ihr kontrollierten Länder möglich.
Der neue Staat war in den Anfängen des arabisch-israelischen Krieges von
1948/49 dem militärischen Untergang nahe. "Asymmetrisch" waren in dem
Konflikt sowohl die Zielsetzungen als auch die Machtmittel - aber nicht im
Sinne der in Europa zur Zeit vorherrschenden Meinungen. Die arabische Seite
hatte die Verhinderung und später die Vernichtung der israelischen
Staatlichkeit zum Ziel. Der "jüdische Sieg" bestand 1948/49 vor allem darin,
die proklamierte Staatlichkeit zu schützen. Die erzielten Territorialgewinne
gegenüber dem UN-Teilungsplan, dessen komplizierte Linien militärisch nicht
zu verteidigen waren
und friedliche Verhältnisse voraussetzten, waren vergleichsweise gering.
Weit
mehr als die Hälfte Israels in den Linien vor 1967 gehörte ursprünglich zu
den Steppen- und Wüstenzonen. Am ursprünglich bebauten und besiedelten Land
gemessen geht der arabisch-israelische Streit seit bald hundert Jahren also
um eine Region von der Größe der Altmark und einiger angrenzender Gebiete.
Es kann sich daher von der arabischen Seite aus gesehen im Kern kaum um
einen Territorialkonflikt handeln. In verschiedenen Kriegen stand Israel
militärischen Gegnerkonstellationen vom Irak bis Marokko gegenüber. Das
Bevölkerungsverhältnis zwischen Israel einerseits und den Mitgliedstaaten
der Arabischen Liga (einschließlich der mit der Liga informell verbundenen
Islamischen Republik Iran) andererseits beträgt etwa 1:60. Bei den
Raumrelationen liegt die Distanz bei ungefähr 1:750. Der Abstand zwischen
Bevölkerungs- und Raumvergleich (60:750) macht einen weiteren Unterschied
deutlich. An Geld fehlt es auf arabischer Seite nicht, um aride Zonen zu
kultivieren. Israel hat, einschließlich der nicht-entwickelten oder
ursprünglich unentwickelten Gebiete, ungefähr den territorialen Umfang
Sachsen-Anhalts, mit über 7 Mio. Einwohnern aber eine weit mehr als doppelt
so große Bevölkerung. Dass Israel in den arabisch-israelischen Streitrunden
nicht unterlag, macht demnach aus ihm keinen Goliath und aus seinen Gegnern
keinen David.
Antisemitismus und Islamophobie
In
der Debatte über Islam und
Antisemitismus spielt in der letzten Zeit häufig das
Stichwort "Islamophobie" eine Rolle.
"Islamophobie" –
eine verhältnismäßig neue Wortschöpfung, die auch von konservativen
islamischen Formationen gerne verwandt wird – ist, anders als dies
politische Erklärungen oder manche Studien mit wissenschaftlichem Anspruch
nahelegen, nicht auf die gleiche Bewertungsstufe wie "Antisemitismus" zu
stellen. Schon ein oberflächlicher Vergleich zeigt die Unterschiede: Keines
der zahlreichen Herkunftsländer der islamischen Immigration ist von
Vernichtung bedroht. Niemand will Muslime in aller Welt diffamieren,
bekämpfen und gegebenenfalls ausrotten. Niemand wirft Muslimen vor, sie
würden Christen- oder Judenkinder schlachten, um mit ihrem Blut für
islamische Feiertage Brot zu backen – wie dies etwa in staatlich
kontrollierten Sendern mehrer islamischer Länder eine Fernsehserie umgekehrt
über Juden behauptet. Für Antisemitismus gibt es ebenso wenig eine
Rechtfertigung wie für Sklaverei oder Terrorismus; auch angenommene oder
tatsächliche "Demütigungen" rechtfertigen Antisemitismus nicht. Für
Antisemitismus darf es in gleicher Weise kein – wie auch immer begründetes –
Verständnis geben.
Kritik an islamischen Positionen – etwa gegenüber traditionellen islamischen
Auffassungen zum Geschlechterverhältnis, zu den Menschenrechten, vor allem
zur Glaubensfreiheit, zur Nicht-Abgrenzung zwischen "Religion" und "Politik"
oder insgesamt zur Demokratie – muss demgegenüber nicht nur erlaubt sein,
sondern ist in mancher Hinsicht geradezu dringend notwendig. Dies zeigen
nicht zuletzt Kemal Atatürks Reformen seit den 20er Jahren des 20.
Jahrhunderts oder, als symptomatisches Einzelbeispiel, der Fall
Abd-ul-Rahman in Afghanistan. Die Furcht der nicht-muslimischen Flüchtlinge
aus dem Südsudan vor den sie verfolgenden muslimischen
Regierungsstreitkräften mag in Teilsektoren in eine allgemeine Abneigung
gegenüber Muslimen münden (vergleichbar mit manchen antideutschen
Meinungsströmungen nach dem 2. Weltkrieg) – als unverständlich und gänzlich
unerlaubt wird man derartige Reaktionen aber kaum bezeichnen können.
Eine mit dem antisemitischen Verfolgungswahn zwar nicht gleichzustellende,
aber entfernt ähnliche Diskriminierungsposition gegenüber allem Muslimischen
und gegenüber dem Islam wäre und ist selbstverständlich ebenso abzulehnen
wie der Antisemitismus. Vergleichbares gilt auch für bestimmte Varianten von
antimuslimischer Fremdenfeindlichkeit. Derartige Auffassungen sind aber
deutlich von anderen, hier in Beispielen geschilderten Formen der
Islamkritik abzugrenzen, die ihrer Art nach nichts mit dem
Antisemitismus-Verfolgungsmuster zu tun haben. Leider zeigt der Umgang mit
dem Begriff "Islamophobie" häufig, dass auch solche – notwendigen,
zulässigen oder zumindest verständlichen – islamkritischen Positionen
in den Verbotsbereich der "Islamophobie" einbezogen werden sollen – was
einen derartigen Begriff politisch unbrauchbar und zum Manipulationswerkzeug
für fragwürdige Interessen machen müsste.
Man kann, um auf das zu Beginn angesprochene Thema zurückzukommen, darüber
spekulieren, wann die Islamische Republik Iran über Atombomben verfügen
wird. Dass die Islamische Republik von Anfang an den Atombombenbau
angestrebt hat und weiterhin anstrebt, steht allerdings seit langem fest.
Die Behauptung, Israel könne mit einer Atombombe zerstört werden (so
übrigens auch die Führung der Islamischen Republik), enthält gewiss eine
alarmistische Übertreibung. Dass die Islamische Republik von Anfang an
Israel als Zielgebiet für die noch zu bauenden Atombomben im Sinn hatte und
hat und dass sie Israel auslöschen will, kann andererseits nicht ernsthaft
bezweifelt werden. Man sollte die Verhandlungen mit der Islamischen Republik
nicht von vornherein für sinnlos erklären und auch nicht das Szenario eines
unmittelbar bevorstehenden atomaren Angriffs auf Israel entwerfen. Ebenso
sind auf der anderen Seite die durch die nukleare Proliferation
mittelfristig begründeten Gefahren realistisch einzuschätzen. Wer dies nicht
tun und zur Gefahrenabwehr keinen relevanten Beitrag leisten will, muss sich
den Appeasement-Vorwurf und deshalb auch den Vergleich mit den 30er Jahren
gefallen lassen´.
Ähnliches trifft auf die Auseinandersetzung mit der antisemitischen
Grundorientierung der Islamischen Republik Iran und vieler anderer
islamischer Staaten sowie insgesamt im Islam zu. Solche Orientierungen sind
ein wesentliches Hindernis für eine tragfähige Konfliktlösung im Nahen
Osten. In den Staatenbeziehungen sollte das Thema deshalb nicht
ausgeklammert, sondern, anders als bisher, auch regelmäßig öffentlich
angesprochen werden. Beschwichtigung ist in derartigen Fragen keine adäquate
Haltung. Sie unterminiert vielmehr in zentralen Menschenrechts- und
Demokratiepositionen die westliche, europäische und deutsche
Glaubwürdigkeit. Wenn ein "Dialog der Kulturen" diesen Sektor aussparen
soll, macht er keinen Sinn.
Die
Teil-"Kulturen" etwa in der Türkei oder in der
Islamischen Republik Iran sind in ihren
innen- und außenpolitischen Aspekten selbstverständlich nicht nur durch die
verbindende Klammer einer wachsenden Antisemitismusneigung gekennzeichnet.
Trotz des zunehmenden Einflusses der türkischen Mehrheitspartei AKP
liegen zwischen der kemalistischen Türkischen Republik und der
Islamischen Republik Iran immer noch Welten, wenn auch inzwischen vielleicht
etwas weniger deutlich in der Antisemitismusfrage. Andererseits muss
eine realistische Beurteilung
den Zusammenhang zwischen dem Integrationsprozess unserer muslimischen
Minderheiten in Europa und der Entwicklung in der islamischen Welt erkennen.
Diese Entwicklung ist insgesamt durch eine Modernisierungskrise geprägt, die
auch im Anwachsen radikaler antiwestlicher und antisemitischer Strömungen
sichtbar wird. Wenn wir in der Integrationspolitik, im Medienbereich und in
anderen Sektoren gegen diese Strömungen erfolgreich sein wollen, sind
wirksame Maßnahmen erforderlich, die sich nach innen und nach außen an den
gleichen Maßstäben orientieren. Sie müssen sich sowohl auf staatliche wie
supranationale Instanzen, die nationale Politik und die Zivilgesellschaft
als auch auf die pädagogische Ebene beziehen – angefangen von der
Vermittlung von Sprachkompetenz über mit unserer Verfassung zu vereinbarende
Angebote religiöser Information und Unterweisung bis hin zur Werbung für
unsere Verfassungsgrundsätze.
Wir
stehen nicht, wie Alarmisten behaupten, vor einem "Krieg der Kulturen" – und
wir sollten uns auch im Interesse unserer muslimischen Bürgerinnen und
Bürger nicht das Gegenteil aufschwatzen lassen. Die Konfliktlinie verläuft
innerhalb der islamischen Gesellschaften und innerhalb der islamischen
Minderheiten in Europa. Appeasement ist andererseits für Demokraten weder
nach innen noch nach außen eine vertretbare Aktionsmaxime. Es besteht
durchaus Anlass zum Handeln gegen den neu-alten Antisemitismus – in ganz
Europa, vor allem in Deutschland, und ebenso in Nahost. Zum Handeln gehört
in Deutschland auch die politische Forderung, dass die Bundesregierung in
Anlehnung an das Vorgehen anderer Staaten einen jährlichen Bericht zur
Antisemitismusbekämpfung herausgibt. Der Bericht sollte, unter Beteiligung
des Innenministeriums und des Auswärtigen Amtes, über die Verbreitung
antisemitischer Strömungen in allen Gesellschaftsteilen und –institutionen
einschließlich der Medien Auskunft geben sowie darlegen, welche
Gegenmaßnahmen notwendig sind und eingeleitet wurden. Aufgenommen werden
muss ebenso die Berichterstattung über die antisemitische Agitation in den
Herkunftsländern der muslimischen Einwanderer, die uns, wie geschildert,
über viele Wege –über Satelliten, über das Internet, über den Buch- und
Zeitschriftenimport oder sogar über Schulen – erreicht, und über die
Maßnahmen, die die Bundesregierung dagegen ergreift oder ergreifen wird. Wie
wichtig ein derartiger Bericht ist, zeigen übrigens auch die neuen,
erschreckenden Untersuchungen der Alice-Salomon-Fachhochschule über den
Antisemitismus im Umfeld Berliner Schulen.
Der
Kampf gegen den neuen und den alten Antisemitismus, gegen die im Titel
angesprochenen "unheiligen Allianzen", ist ein wichtiger Teil des Kampfes
für die Demokratie und für die Menschenrechte. Den
Menschenrechtskonventionen der Vereinten Nationen sind fast alle Staaten
beigetreten, darunter auch diejenigen, die Antisemitismus nicht nur
zulassen, sondern sich selbst antisemitisch betätigen. Der deutsche Staat,
unser Staat, sollte die Aufgabe annehmen, im Gegensatz zu früheren
Positionen in dieser Frage aktiv Partei zu ergreifen.
Antisemitismus-Tagung in Mannheim:
Herausforderungen der
Demokratie
"Herausforderungen der Demokratie" heißt eine
Reihe von Fachtagungen der Friedrich-Ebert-Stiftung, die vom
Fritz-Erler-Forum Baden-Württemberg veranstaltet werden und die sich
vergangenen Freitag dem Thema Antisemitismus widmete...
In der Antisemitismusbekämpfung
mangelt es am wirklichen Wollen:
Zentralrat fordert
verlässliche Unterstützung für haGalil
Antisemitismus ist in den letzten Jahren wieder verstärkt
aktuelle gesellschaftliche Erscheinungen und Thema politischer Debatten...
Europäischer Antisemitismus in Geschichte und Gegenwart:
Die These von
der Jüdischen Weltverschwörung
Auf dem Jüdischen Friedhof in Prag treffen sich einmal in hundert Jahren zu
einer ausgemachten Stunde die Vertreter der zwölf Stämme Israels und beraten
über das mittelfristige Vorgehen auf dem Weg zur gänzlichen Beherrschung der
Welt...
Antisemitismus im (Gegenwarts-) Islam:
Europa im Konflikt zwischen
Toleranz und Ideologie
Da man die Juden und Christen als koranisch verankerte "Schriftverfälscher"
und heute als wesentliche Urheber der Moderne betrachtet, spielen sie –
zusammen mit den Frauen – eine traditionelle Feindbildrolle in der
islamischen Ideologie...
Hermetisch abgeriegelte Welt des Wahns:
Ahmadinejhads
Antisemitismus und der gegenwärtige Krieg
Als Mahmud Ahmadinejad im Sommer 2005 zum iranischen Präsidenten gewählt
wurde, zog sich Israel gerade aus dem Gazastreifen zurück. Damals hofften
viele, dass dieses Stück Land fortan als Modellregion palästinensischer
Eigenstaatlichkeit aufblühen würde. Doch das Gegenteil trat ein...
Klaus Faber,
Staatssekretär a. D. - Bildung, Wissenschaft, Forschung, Kultur,
Religionsgemeinschaften - 1994 bis 1999 in Sachsen-Anhalt
Jurastudium, Studium der Volkswirtschaft und orientalischer Sprachen in
München, Saarbrücken und Heidelberg;
1971 bis 1990 Bundesministerium für
Bildung und Wissenschaft - u. a. Gesetzgebung, Verfassungs- und sonstige
Rechtsfragen in der Wissenschaft, Hochschulfragen im Einigungsvertrag,
Bund-Länder-Fragen, Bildungsplanung; 1972 Mitarbeiter EG-Kommission Brüssel;
1978 Autor des Berichts der Bundesregierung über den Bildungsföderalismus;
1990 bis 1994 Abteilungsleiter Hochschulen und
Forschungseinrichtungen im Land Brandenburg
Rechtsanwalt und Publizist in Potsdam; Mitgründer und Kuratoriumsmitglied
des Moses Mendelssohn Zentrums für Europäisch-Jüdische Studien an der
Universität Potsdam; Geschäftsführender Vorsitzender des Wissenschaftsforums
der Sozialdemokratie in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern e.
V.;
Mitglied der Redaktionen der Zeitschriften p21 - perspektive 21,
Brandenburgische Hefte für Wissenschaft und Politik, Potsdam, sowie
perspektiven ds, Marburg
Zahlreiche Publikationen zu juristischen, wissenschafts- und
bildungspolitischen Fragen, zur Föderalismus- und EU-Politik, zu Nahost-,
Islam- und Antisemitismusfragen in Tageszeitungen und Monatszeitschriften
(u. a. Tagesspiegel, Welt, taz, Neue Gesellschaft, Berliner Republik,
perspektiven ds, perspektive 21); Mitautor für ein Handbuch des
Verfassungsrechts, eines Kommentars zur gesetzlichen Regelung zum
Fernunterrichtsschutz und verschiedener anderer juristischer und
politikwissenschaftlicher Buchpublikationen sowie Mitherausgeber des
Sammelbandes Neu-alter Judenhass – Antisemitismus, arabisch- israelischer
Konflikt und europäische Politik, Berlin, Juni 2006
Anmerkungen:
Lewis,
Bernard, Semites and Anti-Semites, New York, London 1999 (erste
Publikation 1971).
Vgl.
Carmon, Yigal, Was ist arabischer Antisemitismus, in: Faber, Klaus,
Schoeps, Julius H., Stawski, Sacha (Hg.), Neu-alter Judenhass –
Antisemitismus, arabisch- israelischer Konflikt und europäische
Politik, Berlin, 2006, S. 203 ff., S. 206.
Vgl.
dazu Lewis, Bernard, s. Anm. 1, S. 140 ff., 145 ff.; Faber, Klaus,
"Nach Möllemann:
Antizionismus und Antisemitismus in Deutschland. Eine gefährliche
Verbindung in Medien und Politik" in: Kaufmann, Tobias und
Orlowski, Anja, "Ich würde mich auch wehren..." Antisemitismus und
Israelkritik: Bestandsaufnahme nach Möllemann, Potsdam 2002, ders. Die
geleugnete Verbindung, in: Berliner Republik, 2/2003, ders., Islamischer
Antisemitismus, in: perspektive 21 - Brandenburgische Hefte für
Wissenschaft und Politik, Heft 27 August 2005, S. 71 ff.; s. dazu
auch die Beiträge in Faber, Klaus, Schoeps, Julius H., Stawski, Sacha
(Hg.), Neu-alter Judenhass – Antisemitismus, arabisch- israelischer
Konflikt und europäische Politik, Berlin, 2006, S. 167 ff., u. a.
Foxman, Abraham H., Muslimischer Antisemitismus zwischen Europa und dem
Nahen Osten, ebd., S. 171 ff., und von Beck, Eldad, Islam und
Antisemitismus, ebd., S. 233 ff.; zu der in diesem
Zusammenhang wichtigen allgemeineren Islamentwicklung vgl. Lewis,
Bernard, What Went Wrong?
The Clash between Islam and Modernity
in the Middle East, New York 2003; Tibi,
Bassam, Die neue Weltunordnung: westliche Dominanz und islamischer
Fundamentalismus, Berlin 1999; Faber, Klaus, Der Islam und der Westen,
in: perspektiven ds, Marburg, Heft 4 2001, S.8 bis 29, ders., Achtzig
Jahre auf dem Weg nach Westen, in: Berliner Republik, 3/2005.
S. zum "neuen" (Schuldabwehr-)Antisemitismus und zum Zusammenwirken mit
dem arabisch-islamischen Antisemitismus s. die Beiträge in Faber,
Klaus, Schoeps, Julius H., Stawski, Sacha (Hg.), Neu-alter Judenhass –
Antisemitismus, arabisch- israelischer Konflikt und europäische Politik,
Berlin, 2006, u. a. von Faber, Klaus, Was ist zu tun?, ebd., S. 331 ff.,
Rensmann, Lars, Der Nahostkonflikt in der Perzeption des Rechts- und
Linksextremismus, ebd., S. 33 ff., von Pallade, Yves, Medialer
Sekundärantisemitismus, öffentliche Meinung und das Versagen
gesellschaftlicher Eliten als bundesdeutscher Normalfall, ebd., S. 49
ff., von Schapira, Esther und. Hafner, Georg M,
Entlastungs-Antisemitismus in Deutschland, ebd., S. 67 ff., sowie von
Bergmann, Werner und Heitmeyer, Wilhelm in: Heitmeyer, Wilhelm, Deutsche
Zustände - Folge 3, Frankfurt am Main 2005, S. 224 ff., zum
"Alt"-"Neu"-Verhältnis und anderen Aspekten der Antisemitismus-Varianten
vgl. die Beiträge in: Faber, Klaus, Schoeps, Julius H., Stawski,
Sacha (Hg.), Neu-alter Judenhass – Antisemitismus, arabisch-
israelischer Konflikt und europäische Politik, Berlin, 2006, von
Rabinovici, Doron, Altneuhaß - Moderne Varianten des
Antisemitismus, ebd., S. 245 ff., zum spezifischen Zustand des
deutsch-jüdischen Verhältnisses s. Schoeps, Julius H., Die Schatten der
NS-Vergangenheit, ebd., S. 325 ff., Scherer, Klaus-Jürgen,
Antisemitische Ressentiments im kulturellen Selbstgespräch der deutschen
Öffentlichkeit, ebd., S. 101 ff., zur problematischen Rolle eines Teils
der Print-Medien vgl. u. a. Behrens, Rolf, "Sie schießen, um zu töten",
ebd., S. 19 ff., Möller, Johann Michael, Medien, Israel und
Antisemitismus, ebd., S. 79 ff.; zu Antisemitismustendenzen im
europäischen Islam s. auch Özdemir, Cem, Muslimische Migranten und
Antisemitismus, ebd., S. 219 ff., sowie Gessler, Philipp, Antisemitismus
unter Jugendlichen, ebd., S. 225 ff.
Vgl.
die Beispiele in honestly-concerned, honestly-concerned, If you
believe that today's ARAB ANTISEMITISM is any different from the NAZI
GERMANY one, think again, Flugblatt, 2004, sowie Carmon, Yigal, s. Anm.
3,
mit weiteren Belegen aus der memri-Sammlung, und sowie Wistrich, Robert
S., Muslim Anti-Semitism - A Clear
and Present Danger, Broschüre des American Jewish Committee, 2002, u.a.
S. 15 ff., zur
antiisraelischen Kampagne der palästinensischen Autonomiebehörde vgl.
auch die Informationen von Palestinian
Media Watch,
www.pmw.org.il,
sowie Crook, Barbara und Marcus, Itamar, Pedagogy of Hate, in: Jerusalem
Post Op-Ed, 4.1.2004.
Lewis,
Bernard, 2003, s. Anm.3.
Tibi,
Bassam, Islamische Zuwanderung - Die gescheiterte Integration,
Stuttgart, München, 2002, S. 20 ff., S. 58 ff.
Vgl.
insbesondere zur hochproblematischen Spiegelberichterstattung Behrens,
Rolf, Anm.4, sowie ders., "Raketen gegen Steinewerfer". Das Bild Israels
im "Spiegel". Eine Inhaltsanalyse der Berichterstattung über Intifada
1987 – 1992 und "Al-Aqsa-Intifada" 2000 – 2002.
S. das Zitat aus der
Jerusalemer Erklärung in honestly concerned, Aufruf zum Kampf
gegen den Antisemitismus - Erklärung einiger
Nichtregierungsorganisationen zur OSZE-Konferenz, Flugblatt, Berlin
2004; vgl. zur Debatten- und Medienentwicklung auch den Beitrag von
Rensmann, Lars, s. Anm. 4.
Vgl.
zu den Abgrenzungsansätzen auch Faber, Klaus, 2002, 2005 und 2006, s.
Anm. 3 und 4
Vgl.
zur Aussonderung Israels als Jude unter den Staaten Faber, Klaus, 2005,
s. Anm. 3, S. 78; zur Präzedenzlosigkeit der antisemitischen
Judenverfolgung und der Schoa vgl. Bauer, Yehuda, Die dunkle Seite der
Geschichte, Frankfurt a. M., 2001.
S.
dazu die von Schröder, Ilka, Liaisons Dangereuses, in: Faber,
Klaus, Schoeps, Julius H., Stawski, Sacha (Hg.), Neu-alter Judenhass –
Antisemitismus, arabisch- israelischer Konflikt
und europäische Politik, Berlin, 2006, S.
279 ff., geschilderten Konstellationen, die auch Fälle unbegreiflicher
Parteilichkeit zugunsten der Palästinensischen Autonomiebehörde
umfassen;
zu weiteren hier
heranzuziehenden Vergleichsfällen vgl. Faber, Klaus, 2005, s. Anm. 3, S.
77 f.
"Spiegel"
41/2005, S. 134 ff.; zu den Hintergründen derartiger
Geschichtsinterpretationen s. auch Scherer, Klaus-Jürgen, s. Anm. 4, S.
104 ff.
Im
"Spiegel", ebd.; Annette Grossbongardt zitiert in diesem
Zusammenhang ohne Kommentar eine arabisch-palästinensische Stimme: "Aber
hätten die Araber überhaupt etwas richtig machen können? Alles sprach
einfach gegen uns. Was konnten wir schon gegen den Holocaust ausrichten,
der die Juden zum kollektiven schlechten Gewissen Europas erhob?" (ebd.,
S.138); eine ähnliche Position vertreten offenbar auch die von Matthias
Küntzel, Joschka Fischer, die "Road Map" und der Gaza-Abzugsplan, in:
Faber, Klaus, Schoeps, Julius H., Stawski, Sacha (Hg.), Neu-alter
Judenhass – Antisemitismus, arabisch- israelischer Konflikt und
europäische Politik, Berlin, 2006, S. 251 ff., S. 261 f., zitierten
Experten, die "Eckpunkte" für die deutsche Nahostpolitik formulieren
sollten und in diesem Zusammenhang den erstaunlichen Vorschlag machten,
Deutschland solle "Geburtshelfer und Pate des zukünftigen
palästinensischen Staates" werden. "Deutschland soll deutlich machen,
daß es den überwiegend arabischen Charakter des Nahen und Mittleren
Ostens erkennt und die Beziehungen zur arabischen Welt nicht vom Erfolg
des Friedensprozesses abhängig macht." - so zitiert Matthias
Küntzel (ebd., S. 262 ) die Eckpunkte, die von ihren Autoren (zu
Unrecht) als "ausgewogen", aber (zu Recht) als "nicht neutral"
bezeichnet werden (s. Matthias Küntzel ebd., S. 261, dort Anm. 476 );
für die nicht-arabischen Völker des "Nahen und Mittleren Ostens" (!) u.
a. iranischer oder türkischer Zuordnung vermitteln die "Eckpunkte"
interessante Aufschlüsse über eine mögliche deutsche Position; mit dem
eher ungewöhnlichen Vorschlag, die "Beziehungen zur arabischen Welt"
nicht vom Erfolg des Friedensprozesses abhängig zu machen, sollen
diese Beziehungen offenbar, anders als diejenigen zu Israel, von
Bedingungen freigestellt werden, die mit dem "Friedensprozeß"
zusammenhängen.
"Südsyrien"
war die jedenfalls bis 1919 vorherrschende arabische Bezeichnung für
dasjenige Gebiet, zu dem auch das "Palästina" der christlichen Tradition
gehört, vgl. Segev, Tom, Es war einmal ein Palästina - Juden und Araber
vor der Staatsgründung Israels, München 2005, S. 118.
Vgl. Segev, Tom, ebd.,
S. 546, zur Linienführung des UN- Teilungsvorschlags.
Vgl.
dazu Gessler, Philipp, s. Anm. 4.
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