Praxis trifft Theorie:
Eine Tagung der Amadeu Antonio Stiftung suchte nach
"Perspektiven der Projektarbeit gegen Antisemitismus"
PHILIPP GESSLER
Den schönsten Spruch gab Doris Akrap von der
Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus zum Besten: Sie berichtete auf
der gestrigen Tagung "Perspektiven der Projektarbeit gegen Antisemitismus"
im Centrum Judaicum, wie ihr gegenüber begründet wurde, warum migrantische
Jugendliche nicht schuld sein könnten an Schmierereien in Kreuzberg wie "Tod
Israel". "Das sind nicht unsere Jugendlichen", betonten Doris Akrap zufolge
Sozialarbeiter im Kiez, "die können gar nicht schreiben."
Die Amadeu Antonio Stiftung, engagiert im Kampf gegen Rassismus und
Antisemitismus, ist seit einiger Zeit aufgeschreckt über die
Judenfeindlichkeit, die ihr in ihrem Hauptarbeitsgebiet, in Ostdeutschland,
entgegenschlägt - deshalb lud sie zur Tagung Menschen ein, die sich an der
Basis in vielen kleinen Gruppen gegen den Alltags-Antisemitismus engagieren.
Praxis traf auf Theorie unter der goldenen Kuppel der Neuen Synagoge an der
Oranienburger Straße. Miteinander ins Gespräch kommen wollte man in vier
Arbeitsgruppen zu den Themen "Schlussstrichforderungen und Opferdiskurse",
"Antisemitismus und Religion", "Antisemitismus und der Nahostkonflikt" sowie
"antisemitische Verschwörungstheorien". Experten wie etwa Lars Rensmann von
der FU waren ebenso zugegen wie "Praktikerinnen" wie Doris Akrap. Und als
Stargast geladen war Außenminister Joschka Fischer (Grüne).
Dabei wurde deutlich: Das Problem Antisemitismus nimmt in der Hauptstadt zu:
Innensenator Ehrhart Körting (SPD) zufolge hat es in den ersten neun Monaten
dieses Jahres 130 antisemitische Straftaten in der Stadt gegeben. Im
gleichen Zeitraum 2003 waren es nur 96. Überwiegend waren es anonyme
Schreiben und Schmähbriefe gegen die Israelische Botschaft, den Zentralrat
der Juden und die Jüdische Gemeinde.
Was das konkret bedeutet? Doris Akrap berichtete von den Versuchen ihrer
Gruppe, einen jüdischen Zeitzeugen der NS-Zeit vor Schulklassen in Kreuzberg
auftreten zu lassen. Dies scheiterte wider Erwarten in der letzten Zeit
häufiger daran, dass die Lehrer Angst hatten, ihre Schülerinnen und Schüler
könnten den betagten Gast mit antisemitischen Ausbrüchen schockieren. Auch
habe sie die Erfahrung gemacht, dass mancher Schüler erst nach dem
Unterricht zu ihr komme, um zu sagen, was er eigentlich von Juden halte -
während des Unterrichts getraue man sich das nicht. Erst nach dem Unterricht
hätten auch zwei Lehrerinnen es gewagt, ihre antisemitisch aufgeladenen
Ansichten über Israel auszubreiten, erzählte Doris Akrap.
Auf der Tagung wurde deutlich, wie mühsam der Kampf gegen Antisemitismus in
der Praxis ist. So berichtete etwa Anne Heese von "Splirtz Brandenburg",
einem Verein der Jugendarbeit im Kreis Königs Wusterhausen, sie kenne einen
Jugendlichen, der nicht mehr zu Hause leben wolle, da sein Vater sich
neonazistisch und antisemitisch äußere. Generell fehle den Jugendlichen ein
"interkultureller Raum", beklagte die Zeesenerin. Finanziell unterstützt
wird ihr nun 13 Jahre alter Verein bis heute nicht."
taz Berlin lokal Nr. 7530 vom 3.12.2004, Seite 24, 103
TAZ-Bericht PHILIPP GESSLER
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Tagung und Bielefelder Studie:
Zivilgesellschaft und Antisemitismus
"Perspektiven der Projektarbeit gegen Antisemitismus" standen im
Mittelpunkt einer gleichnamigen Tagung der Amadeu Antonio Stiftung am 2.
Dezember 2004 im Centrum Judaicum in Berlin...
Gruppenbezogene
Menschenfeindlichkeit:
Es geht um die
Aufwertung der Eigengruppe
Zunehmender Hass auf Schwule, Muslime, Juden, Obdachlose...
Israelkritik und Antisemitismus:
Unter
deutschen Bedingungen
Mehr als die Hälfte aller Deutschen meinen, das Verhalten Israels
gegenüber den Palästinensern sei grundsätzlich nicht von dem der Nazis im
Dritten Reich gegenüber den Juden zu unterscheiden...
Kommentar zur Bielefelder Studie:
Ein Blick ins Internet genügt
Ein kurzer Blick ins "Tagessschauforum"
genügt, um zu begreifen wovon die Studie redet. Die Möglichkeit des neuen
Auschwitz ist nahe gerückt wie nie zuvor. Es wird das Ende sein. Die Welt
hat nicht verdient, ein zweites Auschwitz zu überleben...
Bielefelder Studie:
Spiegel wirft Politik Bagatellisierung von
Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit vor
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel,
sieht in der Bielefelder Studie über wachsende Ausländerfeindlichkeit und
zunehmenden Antisemitismus einen "dringenden Weckruf für Politik und
Gesellschaft"...
Unter den Teppich kehren:
Ist
Antisemitismus überhaupt ein Problem?
Antisemitismus ist zwar ein Problem der gesamten
Gesellschaft, wahrgenommen wird er aber noch immer am ehesten von Juden...
Studie:
"Frauen
sind rassistischer"
Sozialforscher haben ermittelt, dass Fremdenfeindlichkeit
in Deutschland seit 2002 stark gestiegen ist. Auffallend ist ein starker
Mann-Frau-Unterschied...
hagalil.com
03-12-2004 |