Streit in Fürth geht weiter:
Darf ein
Museum den Nazifilm "Jud Süß" zeigen?
Der Streit um das Jüdische Museum Fürth und seine Konzeption geht
weiter.
Wie bereits berichtet,
wurde Museumsleiter Bernhard Purin von einigen ehemaligen
Vorstandsmitgliedern des Fördervereins heftig kritisiert. Vor allem
die Darstellung des Holocaust im Museum erregt die Gemüter.
Diesmal geht es um den NS-Propagandafilm
"Jud Süß", den das Museum am kommenden Sonntag zeigen möchte. Dagegen hat sich
mittlerweile eine kleine Protestfront formiert, die eifrig per Post und Email
Unterstützung sammelt. Der
erstaunte Empfänger einer solchen Email, die als Protestschreiben an
den Oberbürgermeister von Fürth adressiert ist, kann darin lesen,
daß es sich "bei diesem Film um einen im Dritten Reich entstanden
antisemitischen Hetzfilm (handelt), der in unerträglicher Weise dazu
angetan ist, Haß und Vorurteile gegen die jüdische Minderheit zu
schüren." Es könne daher nicht angehen, " dass in der Stadt Fürth,
in der die NPD zentrale Maikundgebungen abhält und weiterhin plant,
ein solcher Film öffentlich gezeigt wird - auch und schon gar nicht
von einem "Jüdischen Museum", das die bestehenden Auflagen, die für
die Vorführung dieses Films gelten, mißachtet."
Aber es wird noch interessanter, denn die
Erstunterzeichner sind der Meinung, daß die öffentliche Vorführung dieses Films
"nicht nur einen Verstoß gegen § 130, Abs. 2 StGB ("Volksverhetzung")
dar(stellt), sondern auch eine schwere Belastung des Klimas zwischen Juden und
Nichtjuden in Fürth und Franken."
Unter den Unterzeichnern finden sich
Journalisten, Publizisten und sogar ein Professor für Theaterwissenschaft und
audiovisuelle Medien.
Tatsächlich ist der "Jud Süß"-Film von
Veit Harlan aus dem Jahr 1940 ein besonders krasses Beispiel der antisemitischen
Propaganda der Nazis. Er handelt vom Aufstieg des württembergischen Hofjuden
Joseph Süß Oppenheimer, der als Vergewaltiger und Erpresser dargestellt wird.
Auch der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde Fürth, Haim Rubinsztein,
äußerte seinen Unmut über die Vorführung im Museum. Es ging ihm jedoch dabei
ausschließlich um die Örtlichkeit: "Mir ist es gleichgültig, ob dieser Film
irgendwo gezeigt wird. Aber in einem Haus, in dem Thora-Rollen liegen und das
als jüdisches Haus bezeichnet wird, finde ich das eine Beleidigung." Darauf
reagierte das Museum prompt und verlegte die Vorführung in die Volkshochschule.
Die anderen Proteste werde man jedoch
nicht berücksichtigen, der Film werde auf jeden Fall am Sonntag gezeigt, ließ
das Jüdische Museum mitteilten. Die Aufführung wird von dem Erlanger
Filmwissenschaftler Herbert Heinzelmann kommentiert werden, nachdem der
württembergische Landesrabbiner Joel Bergerwegen abgesagt hatte. Alle 40
Eintrittskarten sind bereits vergriffen.
Der Film wird im Rahmen einer
Sonderausstellung über "Jud Süß" gezeigt, die sich übrigens die Besucher selbst
auswählen konnten. Das Museum bot seinen Besuchern damit erstmals die
Möglichkeit, das Thema einer Andockung selbst zu bestimmen. Zur Auswahl standen
eine Portraitzeichnung von Joseph Süß Oppenheim, eine Fürther Schützenscheibe
von 1819, auf der auch der Fürther Rabbiner Meschulam Salman Kohn abgebildet ist
und ein Portrait Jakob Wassermanns von Max Slevogt. Mit einer deutlichen
Mehrheit von 46% entschieden sich die teilnehmenden Besucher für "Jud Süß". Die
Ausstellung zeigt nun das gewählte Bild und seine Geschichte.
Für Museumsleiter Bernhard Purin ist
klar, daß dazu auch zwingend der Film "Jud Süß" gehört. Der Chefkurator des
Nachum-Goldmann-Diaspora-Museums in Tel Aviv, Joel Cahen, schrieb in einer
Stellungnahme, der Fall Joseph Süß Oppenheimer sei ein wichtiger Teil der
jüdischen und deutschen Geschichte. Darin heißt es: "Sich damit nicht zu
beschäftigen oder auch Aspekte aus der NS-Zeit nicht darzustellen, wäre ein
historischer und auch pädagogischer Fehler."
Natürlich wird das Jüdische Museum
Franken diesen Film, wie es übrigens auch andere Museen zuvor getan haben, zu
Bildungszwecken zeigen. Daher wird die Vorführung ja auch wissenschaftlich
kommentiert. Es werden daher keineswegs rechtliche Vorgaben verletzt.
Wie können die Unterzeichner des
Protestschreibens gegen die Vorführung ernsthaft von "Volksverhetzung" in diesem
Zusammenhang schreiben? Die Vorführung dient der Aufklärung über die mediale
Vermittlung des Antisemitismus im Nationalsozialismus.
Ist denn ein kritischer Umgang mit der Mediengeschichte des Nationalsozialismus
einem Jüdischen Museum verboten? ist denn nicht genau das Museum der richtige
Ort für diese Auseinandersetzung?
Die Protagonisten der Kampagne gegen Museumsleiter Berhard Purin und sein Team
scheinen der Meinung zu sein, daß es besser wäre, dieses Kapitel
deutsch-jüdischer Geschichte in der Schublade zu lassen, um das Klima zwischen
Juden und Nicht-Juden nicht zu belasten.
Ein kurzsichtiger Trugschluß! In jedem Sinne. Denn was könnte das für ein
positives Klima sein, daß sich durch die Vorführung eines Nazi-Propagandafilms
stören läßt!
Andrea Übelhack
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haGalil onLine 13-02-2001
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