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Wahlen beim ZJD - Teil 2:
Was heißt hier jüdisch?

Von Jörg Lau
http://www.ZEIT.de/tag/aktuell/200002.lau.2_.html
Nr. 2/2000

Generationswechsel
und Wandel des Selbstverständnisses

Wer auch immer Ignatz Bubis beerben wird, muss sich dem Generationswechsel und dem daraus folgenden Wandel des Selbstverständnisses stellen. Der Massenmord an den Juden wird von einer Sache des öffentlichen Zeugnisses und der persönlichen Erinnerung zu einer Aufgabe für das kulturelle Gedächtnis: Schulbücher, Denkmale, Filme, TV-Dokumentationen und Internet-Angebote treten an die Stelle der letzten Überlebenden, die um der guten Sache der Aufklärung und Erinnerung willen vor Schulklassen und SPD-Ortsvereinen die Pein eines Seelen-Striptease auf sich nehmen und ihr Martyrium erzählen.

Ins Positive gewendet, sagt Salomon Korn, bedeute dies, dass die Juden in Deutschland künftig "weniger auf eine Holocaust-Identität setzen müssen und mehr auf die Ausbildung positiver Werte des Judentums: Tradition, Religion, Wissen um die eigene Herkunft, die Vermittlung von jüdischem Allgemeinwissen."

Damit kommt die zweite, wahrscheinlich viel schwierigere Aufgabe in den Blick: die Integration der großen Zahl von Einwanderern aus der ehemaligen Sowjetunion, die in den vergangenen zehn Jahren die jüdische Gemeinschaft auf ein Dreifaches hat anschwellen lassen. Zwischen dem Ende der sechziger und dem Ende der achtziger Jahre waren in Deutschland konstant 27.000 bis 28.000 Juden als Gemeindemitglieder registriert. Ende 1998 waren es schon knapp 75.000. Vielfach werden die Einwanderer schlicht und fälschlich "Russen" genannt - dabei überwiegen Ukrainer, Balten, Weißrussen und Kaukasier bei weitem.

Die dynamischste Gemeinschaft Europas

Auch mit demnächst wohl mehr als 100.000 Gemeindemitgliedern bleiben die Juden in Deutschland eine verschwindend kleine Minderheit gegenüber etwa zwei Millionen Spätaussiedlern und sechs Millionen Ausländern - bei einer Bevölkerung von 80 Millionen Menschen.

Allerdings ist auch nicht zu bestreiten, dass die jüdische Gemeinschaft in Deutschland derzeit die dynamischste Europas ist, die einzige Diaspora-Community mit einem rapiden Wachstum und den daraus folgenden Hoffnungen und Überforderungen. Integration ist ein Allerweltswort. Im Fall der jüdischen Einwanderer verbergen sich gleich zwei Aufgaben dahinter: Die Neuen müssen sich erstens in die jüdische Gemeinschaft hineinfinden - und für viele heißt das buchstäblich, sich zu "judaisieren", erst einmal grundlegendes jüdisches Wissen zu erwerben. Und sie müssen sich zweitens mit den Institutionen und Gepflogenheiten der kapitalistischen Gesellschaft der Bundesrepublik bekannt machen.

Was aus dem Judentum in Deutschland wird, ist heute offener denn je. Die intellektuelle Debatte hat jüngst zwei scharf entgegengesetzte Prognosen hervorgebracht. Während der in Oxford lehrende Historiker Bernard Wasserstein in seiner aufsehenerregenden Studie über die Vanishing Diaspora schon ein baldiges "Europa ohne Juden" sieht, preist Diana Pinto, Beraterin des Europarates, den "neuen jüdischen Ort" Europa.

Die Umbruchssituation in der jüdischen Gesellschaft der Bundesrepublik spielt in beiden Szenarien eine zentrale Rolle. Wasserstein bestreitet, dass von den Zuwanderern eine Erneuerung des jüdischen Lebens ausgehen könne. Sie seien in der Mehrzahl der Religion und den Traditionen des Judentums viel zu sehr entfremdet. "Wir haben die letzte Szene des letzten Aktes des mehr als ein Jahrtausend währenden jüdischen Lebens in Osteuropa vor uns", schreibt er. Der Judaismus höre auf, eine religiöse Kraft im Alltag der meisten Juden Europas zu sein, die traditionelle Gelehrsamkeit und die authentische jüdische Kultur stürben aus. Was übrig bleibe, ist nach Meinung Wassersteins nichts als Anatevka-Folklore, von der Kulturindustrie zum Konsum für Nichtjuden aufbereitet.

Der finsteren Niedergangsprophetie Wassersteins stellt Diana Pinto eine Hymne an die kommende jüdische Renaissance entgegen: "Niemals zuvor in Europas jahrtausendealter Geschichte haben Juden auf diesem Kontinent in derart individueller und kollektiver Freiheit gelebt wie heute." Die europäischen Juden würden sich, nach Jahrzehnten im Schatten des Massenmords, "ihrer eigenen kollektiven Erfolgsstory im Westen und ihrer Wiedergeburt im Osten bewusst". Niemals zuvor habe es "auf dem europäischen Kontinent derart vorteilhafte Vorbedingungen für eine jüdische Renaissance gegeben". Das neue europäische Judentum sei "insbesondere das Kind demokratischer Revolutionen des Jahres 1989". Die Juden Europas sind nach Pinto kein verschwindender Rest, der durch den Sog der Assimilation, durch niedrige Geburtenraten und Abwanderung dahinschmelzen muss. Im Gegenteil: Sie seien freiwillig und bewusst hier, und wenn sie sich dieser historisch neuen Lage erst einmal bewusst seien, würden sie "eine der prinzipiellen Antriebskräfte" dieses im Entstehen begriffenen Gebildes.

Das europäische Judentum müsse sich dazu vom "Israel-Alibi" verabschieden und in seiner neuen Selbstdefinition das Gedenken an die Schoah mit der Erinnerung an den demokratischen Aufbruch von 1989 verbinden. Wo Wasserstein nur den Ausverkauf ehrwürdiger Tradition in marktgängig folkloristischer Form zu sehen vermag, erkennt Pinto ein echtes Interesse an jüdischem Wissen: "Erstmals seit tausend Jahren sind die nichtjüdischen Europäer bereit, ihre christliche Identität zu relativieren und jüdische Weisheit und Lehre in gleicher Wertigkeit zu rezipieren."

  • · · Bernard Wasserstein: Europa ohne Juden Das europäische Judentum seit 1945; Kiepenheuer & Witsch, Köln 1999; 388 S., 75,- DM
    · · Diana Pinto: Europa - ein neuer "jüdischer Ort" in: Menora. Jahrbuch für deutsch- jüdische Geschichte 1999; Philo-Verlag, Berlin 1999; 386 S., 39,80 DM
    · · Micha Brumlik (Hrsg.): Zuhause, keine Heimat? Junge Juden und ihre Zukunft in Deutschland; Bleicher-Verlag, Gerlingen 1998; 216 S., 28,- DM

Unter www.zeit.de/links/ erhalten Sie weitere Informationen zum Thema.

Artikel zu diesem Thema:
DIE ZEIT 2/2000:
Nach 1945 schien ein Wiederbeginn
jüdischen Lebens in Deutschland undenkbar

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haGalil 07-01-2000

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