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Koscher leben...
 
 

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Mysteriös oder skandalös?
Wer war eigentlich Ben Sira?

Oder: Warum steht Ben Sira nicht im Tenakh?

Der Name "Ben Sira" verweist zum einen auf die Hauptperson des Werkes, zum anderen weist er zurück auf die Schrift des Sirach (Ecclesiasticus), die als Weisheitsschrift in der katholischen Tradition zu den heiligen Schriften der Bibel zählt.

Im babylonischen Talmud, Traktat Schabbat 100b, finden sich Zitate aus dem Buch "Ben Sira", die belegen, warum dieses nicht zu den heiligen Schriften
der hebräischen Bibel zu zählen ist. Bemerkenswerterweise werden dann aber einige Lehrsprüche zitiert, die sich nicht im Ecclesiasticus finden, sondern im Alphabet des Ben Sira.

In bSchab 100b argumentiert Rabbi Abaje, einer der jüngeren babylonischen Gelehrten, gegen diese Schrift, man benötige sie nicht im Kanon der heiligen Schriften, weil selbst die aussagekräftigsten Lehren, die er dann zitiert, bereits in der Bibel oder in den Schriften der Rabbinen zu finden sind. Das Werk ist in seinen Augen daher nur eine Wiederholung von bereits Gesagtem.

Das Argument findet sich als Kommentar zu einer Lehre der Mischna, dem um 200 unserer Zeitrechnung vorliegenden jüdischen Religionsgesetz:

R. Aqiba sagt: Auch wer die externen Bücher liest, hat keinen Anteil AN DER KÜNFTIGEN WELT. (mSanh 10,1)

Es wird gelehrt: [Das sind] die Bücher der Häretiker.

R. Josef sagt: Auch das Buch Ben Sira darf man nicht lesen.

Abaje sagte zu ihm: Aus welchem Grund? Wollte man sagen, weil es in ihm heißt: Häute einen Fisch nicht einmal an den Kiemen ab, um die Haut nicht fortwerfen zu müssen. Brate ihn vielmehr [vollständig] im Feuer und iss dann damit zwei Brote. Wenn das wörtlich zu nehmen ist, so heißt es ja auch in der Tora: Verdirb nicht die zu dir gehörenden Bäume. (Dtn 20,19)

Wenn man [das Bild] deutet, so lehrt er ja nur die Lebensregel, dass man eine Frau nicht auf widernatürliche Weise beschlafe.

Wollte man sagen, weil es in diesem heißt: Eine Tochter ist für ihren Vater ein beunruhigender Schatz. Aus Besorgnis um sie findet er nachts keinen Schlaf. Solange sie klein ist, dass sie nicht verfuhrt wird, sobald sie erwachsen ist, dass sie nicht unzüchtig wird, wenn sie im heiratsfähigen Alter ist, dass sie nicht sitzen bleibt, wenn sie verheiratet ist, dass sie nicht kinderlos bleibt, wenn sie alt ist, dass sie nicht Zauberei treibt.

Aber auch die Rabbanan sagten ja [genau] dies: Die Welt kann weder ohne Männer noch ohne Frauen bestehen. Wohl dem aber, dessen Kinder Söhne sind, und wehe dem, dessen Kinder Töchter sind.

Wollte man sagen, weil es in diesem heißt: Lass keinen Kummer in dein Herz dringen, denn starke Männer tötete der Kummer.

Bereits Salomo sagte dasselbe: Ist Kummer im Herzen eines Menschen, so drücke er ihn nieder. (Koh 12,25)

R. Ami und R. Asi [erklärten dies so]: Einer erklärte: Man soll nicht mehr darüber nachdenken. Und einer erklärte: Man erzähle ihn anderen.

Wollte man sagen, weil es in diesem heißt: Halte die Menge von deinem Hause zurück und bringe nicht jeden in dein Haus.

Auch Rabbi [Jehuda ha-Nasi] sagte dies. Denn es wird gelehrt, Rabbi sagte: Man soll sich nicht viele Freunde in seinem Hause halten, denn es heißt: Hat ein Mann viele Freunde, ist dies sein Untergang. (Koh 18,24)

Vielmehr [ist das Buch umstritten], weil es in diesem heißt: Ein Spitzbärtiger ist hinterlistig, ein Vollbärtiger ist dumm.

Wer von seinem Becher [den Schaum] wegbläst, ist nicht durstig.

Sagt jemand, womit soll ich das Brot essen, so nimm ihm das Brot weg.

Wer einen geteilten Bart hat, dem kommt die ganze Welt nicht bei.

R. Josef sagte: Die guten Dinge, die sich in diesem [Buch] befinden, tragen wir vor: Eine gute Frau ist ein gutes Geschenk, sie komme an die Brust des Gottesfürchtigen. Eine böse Frau ist ein Aussatz für ihren Mann. Was macht man? Man jage sie aus seinem Hause, und man ist von seinem Aussatz geheilt. Wohl dem Manne einer schönen Frau, die Zahl seiner Tage zählen doppelt.

Wende deine Augen von einer koketten Frau, denn du könntest ihr ins Netz geraten. Verkehre nicht bei ihrem Mann, um mit ihm Wein und Met zu trinken, denn durch das Aussehen einer schönen Frau sind viel zugrunde gegangen, und zahlreich sind, die sie gemordet.

Zahlreich sind die Wunden durch den Hausierer; er verleitet zur Sünde [viel zu kaufen] und entzündet wie ein Funken die Kohle. Wie ein Vogelschlag voller Vögel, so ist ihr Haus [dann] voll von Falschheit.

Halte die Menge von deinem Haus zurück und bringe nicht jeden in dein Haus, dann werden viele deine Freunde sein.

Vertraue dein Geheimnis einem von Tausend an, doch hüte die Pforten deines Mundes vor der, die an deiner Brust liegt.

Gräme dich nicht über das Unglück von morgen, denn du weißt nicht, was der Tag gebiert. Morgen bist du vielleicht nicht mehr da, und grämst dich über eine Welt, die nicht dein ist.

Alle Tage des Armen sind schlecht.

Ben Sira sagt: Auch die Nächte. Niedriger als alle Dächer ist sein Dach, und auf den höchsten Bergen befindet sich sein Weinberg; der Regen anderer Dächer [ergießt sich] auf sein Dach, und die Erde seines Weinbergs [fällt] auf andere Weinberge.

Wird mit dem Namen "Ben Sira" einerseits auf das Buch des Sirach, das der Weisheitsliteratur zuzuordnen ist, angespielt, wird andererseits der Figur des Ben Sira im Alphabet des Ben Sira die Weisheit attestiert, die die Weisheitsliteratur als Ideal beschreibt. Ben Sira kann bereits sprechen, bevor er geboren wird. Er lernt innerhalb von zwölf Jahren alles, was ein Mensch lernen kann.

Das Alphabet des Ben Sira macht aber deutlich, dass ein solcher "höchstbegabter" Mensch nicht nur gesellschaftlich am Rande steht, sondern in jeder Hinsicht auffällig ist. Der frühreife Ben Sira meint, über Gott und die Welt reden und urteilen zu können, obwohl er beides noch nicht "erlebt" hat. Ben Sira erschließt dieses Wissen "aus sich" heraus, was nicht bedeutet, dass er ein guter Analytiker seiner selbst ist. Die Erzählungen über ihn zeigen, dass dieser Knabe trotz seiner Weisheit an sich arbeiten muss, um ein guter Mensch zu werden. Es geht nicht darum, auf Höchsttouren durch das Leben zu laufen, sondern darum, das rechte Mittelmaß zu finden.

Im Alphabet des Ben Sira muss die Figur des Ben Sira erst lernen, ihre Weisheit klug zum Einsatz zu bringen. Ben Sira fährt bereits am ersten Tag seines Lebens seiner Mutter besserwisserisch über den Mund und übertritt dabei hochnäsig das Gebot, die Eltern zu ehren. Er erklärt seinem Lehrer, dass er von ihm nichts lernen könne und tritt damit das Prinzip der Tradition mit Füßen. Erst in Gegenwart des Großkönigs Nebukadnezar lernt Ben Sira, dass allzu viel Weisheit - und diese an der falschen Stelle geäußert - gefährlich sein kann. Nebukadnezar hat die Macht, einen ihm unliebsamen Menschen vom Fleck weg zu töten. Erst diese Erkenntnis zwingt Ben Sira zu überlegen, was er wann sagen kann, um ein Gegenüber nicht zu verletzten oder zu provozieren. Und erst dadurch wird er fähig, angemessen über "Gott und die Welt" zu reden, und so wird seine Weisheit alltagstauglich.

Quelle: Das Alphabet des Ben Sira, von Dagmar Börner-Klein, ersch. im Marix-Verlag

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Anm. haGalil: Fußnoten und Quellenhinweise (der Printauflage) wurden (online) nicht wiedergegeben.

haGalil.com 14-12-07



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