Auch zu Purim:
Lüge, Hass und finstere Drohungen
"Wehe!
Mordechai ist übermütig geworden und von seinem Sieg geblendet. Er
übersieht die Zeichen der Zeit"...
Mit
dieser "Warnung" ist ein Vortrag des ehemaligen NPD-Anwalts Horst Mahler
überschrieben, den er auf einer Konferenz revisionistischer Historiker in
Beirut halten wollte.
Horst Mahler referiert oft und gern zu
Themen der jüdischen Religion. Im besagten Referat geht es um die
jüdischen Feiertage, genauer um das Purim-Fest, welches
nach Mahler und anderen NS-Propagandisten eine "finstere Orgie", ein
"blutiger Rausch, in dem das erwählte Hebräervolk bis in die heutige Zeit
die Abschlachtung seiner persischen Widersacher" feiert. Dieser
"Taumel" soll dem Judenvolk auch heute ein "Vorgeschmack sein auf die endgültige Unterwerfung aller
nichtjüdischen Völker der Welt".
Die berüchtigten "Protokolle der Weisen von Zion" sind längst wieder im Umlauf, ebenso
mehr oder weniger umfangreiche Listen mit angeblichen
Talmudzitaten, die
den Inhalt der Protokolle entweder bestätigen oder noch übertreffen.
Auch die
arabisch-antisemitische Presse
lässt sich bereitwillig durch diese Gräuelmärchen inspirieren und greift
immer häufiger auf solchen Import aus Europa zurück. Der Judenhass hat
längst Völker erreicht, die über Jahrhunderte für die hauptsächlich aus
christlichen Quellen gespeisten Hetze wenig empfänglich waren.
Es ist schon fast tragisch, dass die Hetze,
je weiter sie um sich greift, umso weniger wahrgenommen wird. Es tritt eine
Gewöhnung ein, die vom hilflosen Aktivismus staatlicher PR-Agenturen nur
noch gefördert wird.
Unabhängige Initiativen wie haGalil tun sich schwer, da sie von staatlichen
Förderprogrammen fast naturgemäß ausgeschlossen werden. Deren Motivation zielt
nämlich viel stärker auf das wohlfeile Verbergen des Problems als auf dessen
Erkennung und Bekämpfung. Es fehlt nicht an Konferenzen zum Antisemitismus,
es fehlt an der Unterstützung derjenigen, die sich erfolgreich mit der
Thematik auseinandersetzen, kontinuierlich und unabhängig von staatlichem
Wohlwollen.
"You cannot be dependent on people you have to blow the
whistle on" sagen die Amerikaner. Im Bundesfamilienministerium handelt man
dementsprechend. Nicht nur, dass man diejenigen, die pfeifen,
rausschmeißt, nein, man versucht sie auch noch zu übertönen, indem man jene
fördert, auf deren Nichtstun man sich verlassen kann, die das Problem in
regelmäßigen Konferenzen zerreden und ansonsten niemandem auffallen, vor
allem auch nicht den Antisemiten.
Auf höchster Ebene wendet man sich gerne angeekelt ab, das Thema ist uncool.
Ex-Bundeskanzler Schröder bezeichnete
die nazistische Hetze als "widerlich". Da hat er zwar recht, getan
ist es damit aber nicht. Die
Hetze, längst nicht nur Domäne der Nazis, zeigt sich nirgendwo so widerlich
und unverblümt, wie im Internet. Das Internet ist zum wichtigsten Medium zur
Verbreitung antisemitischer Hetze und extremistischer Vernetzung geworden.
Dass es deshalb notwendig ist, dem Antisemitismus im Internet auch im
Internet etwas entgegen zu setzen, betonen wir seit 1995, als sich die
allgemeine Nutzung des Internet abzeichnete.
Auf eine solide Unterstützung hoffen wir noch immer.
Das müssen wir leider immer
wieder einmal sagen, denn was es mit
Purim
wirklich auf sich hat, erfahren sie unter hagalil.com. Und weil Purim ein
ausgesprochen lustiges Fest ist, können sie sich nebenbei ein paar
Kabarettstückchen
anhören oder an wildfremde Leute
Postkarten
schicken, um ihnen Spaß zu wünschen - zu einem Fest von dem sie vermutlich
noch nie gehört haben, denn vom Judentum, der ältesten monotheistischen
Religion der Welt, haben die Mitteleuropäer im Durchschnitt gerade soviel Ahnung,
wie vom Bahai Ullah und den Derwischen. Ach ja, wie wär's mit einem
Tänzchen? Bei
unserem Programm brauchen Sie eigentlich gar keinen
Manischewitz...
Seit November 1995 entwickelte sich haGalil onLine zum größten jüdischen
Onlinemagazin Europas. Jeden Monat erreichen wir mit fast fünf Millionen Seitenaufrufen (PageViews)
ca. 400.000 Leser. haGalil onLine erscheint in
deutscher Sprache und umfasst mittlerweile über 200.000 Dateien mit
umfassender und aktueller Information zum jüdischen Leben in Deutschland,
Europa und Israel. Dass dieses vielfältige und spannende Online-Magazin
zum Judentum gleichzeitig die erfolgreichste Aktion gegen rechtsextreme
Propaganda im Internet ist, nehmen bei soviel Attraktivität die
wenigsten wahr.
Seit Jahren geben die Behörden des Verfassungsschutzes regelmäßig den Anstieg nazistischer Propagandaaktivitäten,
speziell im Internet, bekannt. Inzwischen sind es die Gewaltdelikte, deren
Anstieg im Vordergrund steht. Keine Überraschung, für jeden, der sich
ehrlich mit der Thematik auseinandersetzt. Abe Foxman sagte einmal "Auch
Auschwitz begann mit Worten".
Jeder der sich mit den aktuellen Inhalten nazistischer Seiten
auseinandergesetzt hat, weiß, dass das Judentum Thema Nummer 1 der
NS-Propaganda ist. Der Antisemitismus ist zentraler Kern und gemeinsamer
Nenner der unterschiedlichen Gruppierungen und gerade deshalb trifft die
Vermittlung der bei haGalil onLine angebotenen Informationen die
antisemitische Demagogie im Kern.
Wurde noch vor wenigen Jahren jeder, der im deutschsprachigen Internet
Informationen zu Begriffen wie "Judentum", "koscher", "Schabath"
oder "schächten"
suchte, durch die Suchmaschinen auf antisemitische Seiten verwiesen, ist
es haGalil inzwischen gelungen, durch die Fülle der angebotenen
Information, die NS-Seiten auf abgeschlagene Positionen zu verdrängen. Es
ist gar nicht so bedeutend, wie viele Hass-Seiten es insgesamt gibt, viel
entscheidender ist es, wie viele unvoreingenommene Leser diese Seiten mit
ihrer oft sehr geschickt verpackten Botschaft erreichen.
Die
wichtigste unserer Strategien kann also vereinfachend beschrieben werden
als: "auf eine nazistische Seite antworten wir mit hundert unserer
Seiten". Die Chance, dass ein Schüler, der beispielsweise Informationen
zum Thema "Jüdische Feiertage" sucht, bei haGalil onLine landet, ist heute
hundertmal größer, als dass er bei Horst Mahler landen würde, der eben
auch Informationen zu genau diesem Thema anbietet.
Unser zweiter Ansatz reagiert auf Studien, die besagen, dass
Fremdenfeindlichkeit gerade dort am ausgeprägtesten ist, wo die
Möglichkeit, den "Fremden" kennenzulernen, am geringsten ist. Trotz
Jahrhunderte langer Anwesenheit in Deutschland werden Juden von vielen als
Fremde angesehen. Für viele Menschen in Deutschland ist haGalil onLine die
erste und einzige Möglichkeit, mit Juden ins Gespräch zu kommen. Täglich
gehen bei uns Hunderte von e-Mails ein. Viele dieser Mails stammen von
Schülern, Studenten, Lehrern, Journalisten. Als Thema ist das Judentum in
Deutschland durchaus präsent, nicht präsent sind jedoch Juden als
Ansprechpartner.
Neben diesen inhaltlichen und kommunikativen Ansätzen gewann der
"juristische Ansatz" immer größere Bedeutung. Schon vor
fast 10 Jahren stellten
wir das weltweit erste "Formular zur Meldung rechtsextremistischer Seiten"
vor. Hier gingen zeitweise monatlich über zweihundert Meldungen ein, die
von Anwälten auf strafrechtliche Relevanz und auf Feststellbarkeit der
Urheber geprüften wurden. Eine parlamentarische Anfrage im Bundestag,
ergab, dass etwa 50 Prozent aller tatsächlich erfolgten Verurteilungen
wegen rechtsextremer Propagandadelikte auf Meldungen von haGalil
zurückzuführen waren. Das bedeutet, dass alle anderen Aktionen in diesem
Bereich, einschließlich jener der Bundes- und Landesregierungen, sich
zusammen die
andere Hälfte teilen.
Vor wenigen Wochen mussten wir auf ein durch jahrelange Förderung durch
das BMFSFJ (Bundesfamilienministerium) ermöglichtes Buch "gegen den
Judenhass" berichten, das die antijudaistische Aussage, "die Juden haben
Christus umgebracht", als richtig abhandelte. Mit dieser Kritik
konnte kaum jemand umgehen und so folgten Reaktionen die diffamierender
und beleidigender waren als
nach unserem Hinweis auf den antisemitischen Gehalt der
Hohmann-Rede.
Freunde haben wir uns damit also nicht gemacht,
auch nicht im BMFSFJ, das die Gelder zur Bekämpfung des Antisemitismus
verwaltet. Ein Witz eigentlich. Und damit haben wir wieder die Kurve
gekriegt zum Purim: "You cannot be dependent on people you have to blow
the whistle on"...
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