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Frankreichs Rechtsaußen (6):
Die Islamkontroverse - Le Pen kontra de Villiers

Von Bernard Schmid

Philippe de Villiers : Hauptsache, gegen den Islam

Philippe de Villiers setzt, anders als Teile des Front National, den Antisemitismus nicht im politisch-ideologischen Kampf ein. Stattdessen konzentriert sein Rassismus sich hauptsächlich (ja im öffentlichen Diskurs fast ausschließlich) auf die moslemischen Einwanderer in Frankreich und Europa.

In seiner Kandidaturerklärung zur kommenden Präsidentschaftswahl (vom April 2007), die er am 11. September 2005 – und wohl nicht zufällig hatte er das Datum auf diesen Tag, also auf einen 11. September gelegt – prangerte Philippe de Villiers scharf die von ihm behauptete "Islamisierung Frankreichs" an. Unter diesen Begriff packt Philippe de Villiers unterschiedslos verschiedene Phänomene, von der bloßen Anwesenheit (einer "zu großen Zahl") von Einwanderern aus überwiegend moslemisch geprägten Ländern über die Pläne zu einem Eintritt der Türkei in die EU bis hin zu den Aktivitäten islamistischer und/oder terroristischer Bewegungen.

Im April 2006 knüpfte Philippe de Villiers erneut öffentlichkeitswirksam an dieses Thema an, indem er ein Buch im Verlag Albin Michel veröffentlicht, das Ängste wecken und und schüren möchte. Unter dem Titel Les Mosquées de Roissy'("Die Moscheen von Roissy"; in der Pariser Vorstadt Roissy liegt der Flughafen Charles de Gaulle-Roissy) breitete de Villiers sich auf 250 Seiten darüber aus, welch immensen Gefahrenherd der Pariser Großflughafen Roissy angeblich berge. Die "Islamisierung" des Personals - Philippe de Villiers spricht in diesem Zusammenhang wörtlich von einer "religiösen und ethnischen Apartheid", die zu Ungunsten der Nichtmuslime praktiziert werde – führe zum Schwindel erregenden Anstieg der Terrorismusgefahr. So behauptet de Villiers: "Ein Mitglied des Personals, das in den Sicherheitszonen arbeitet, kann ohne jegliche Kontrolle ein Gepäckstück mit Sprengstoff in den Gepäckraum eines Flugzeugs legen." Ferner behauptet Philippe de Villiers, Zugang zu einer geheimen Studie des polizeilichen Nachrichtendiensts RG (Les Renseignements Généraux ), der ähnliche Aufgaben wahrnimmt wie die Verfassungsschutzämter in Deutschland, gehabt zu haben. Dies wurde durch die RG jedoch alsbald dementiert. Auf die Informationen aus dieser Quelle stütze sich sein Buch. (Siehe das Titelblatt unter: http://www.pourlafrance.fr/images/ouvrage_villiers2.jpg)

Leider ergaben einige kritische Recherchen jedoch ziemlich schnell, dass die präsentierten Informationen hinten und vorne nicht stimmten. Die moderate Boulevardzeitung Le Parisien etwa zog in ihrer Ausgabe vom 28. April die Herkunft des Dokuments in Zweifel, und das linke Wochenmagazin L'Humanité Hebdo publizierte am 18. Mai 06 eine umfangreiche "Gegenrecherche". Den vorliegenden Ergebnissen zufolge stammt die angebliche Studie, auf die Philippe de Villiers sich berief, nicht von den RG. Es handelt sich vielmehr um ein inoffizielles Dokument, das im Auftrag des Inlandsgeheimdiensts und Spionageabwehrdiensts DST (Direction de surveillance du territoire) erstellt worden war. (Philippe de Villiers hat inzwischen auch öffentlich zugegeben, dass seine Quellenangabe – die die Herkunft seiner "Studie" den RG zuschrieb – falsch sei; und schob nunmehr nach, dass er angeblich durch die DST informiert worden sei.) Und in dem Originaldokument der DST geht es auch überhaupt nicht um Terrorismus. Vielmehr hatte der Nachrichtendienst eine Kanzlei für Wirtschaftsspionage bzw. –aufklärung, C3P, damit beauftragt, über Diebstähle durch das Flughafenpersonal und Vetternwirtschaft bei der Einstellungspraxis zu ermitteln. "Islamistische Propaganda/Missionierung haben wir nicht festgestellt", erklärte C3P-Direktor Patrick Séguy ausdrücklich (vgl. Nouvelobs.com, Homepage des Wochenmagazins, Nachricht vom 28. April 2006). Ganz im Gegensatz zu dem, was Philippe de Villiers später behauptet!

Dass der Inlandsgeheimdienst sich für solche Dinge interessiert, erklärt sich daraus, dass der gesamte Flughafenbereich als "hoch sensible" Zone gilt und deshalb intensiv durch unterschiedliche Nachrichtendienste durchleuchtet wird. Infolge der Studie konnten tatsächlich einige Diebstähle konnten tatsächlich aufgeklärt werden, es kam zunächst zu 30 Verhaftungen, aber sechs der Festgenommenen erwiesen sich später als unschuldig. 4 Personen wurden strafrechtlich verurteilt, gegen die übrigen Betroffenen halten die gerichtlichen Untersuchungen an. Infolge der Ermittlungen für den Nachrichtendienst erhärtete sich ferner der Verdacht, dass es bei bestimmten Firmen, die vom Flughafenbetreiber als Subunternehmen in der Gepäckabfertigung eingesetzt werden, eine Einstellungspraxis aufgrund von "Seilschaften" gegeben hatte. Demnach wurden rund 100 Personen, die alle aus derselben algerischen Kleinstadt (Gazhaouet) stammen, bei derselben Subfirma eingestellt, da Familienmitglieder oder ehemalige Dorfnachbarn sich für die Einstellung dieser Zuwanderer eingesetzt hatten.

Bei Philippe de Villiers wird daraus jedoch das terroristische "Netzwerk von Gazhaouet", was jedoch völliger Unfug ist. Generell lässt sich feststellen, dass die Methode des Grafen de Villiers als Buchautor darin besteht, Fakten unterschiedlicher (sozialer, ökonomischer) Natur in sein vorgegebenes ideologisches Schema einzupassen und im Sinne einer "moslemischen Verschwörung" zu deuten. Aus der überdurchschnittlich häufigen Einstellung maghrebinischer Immigranten bzw. maghrebinischstämmiger Einwandererkinder mit französischem Pass, die sich leicht durch sozio-ökonomische Faktoren erklären lässt (es handelt sich um "undankbare", schlecht bezahlte Jobs unter schlechten Arbeitsbedingungen, die bei "gebürtigen Franzosen" höchst unbeliebt sind) interpretiert er ein angebliches "islamisches Komplott" heraus.

Im übrigen abstrahiert de Villiers' Darstellung der Abläufe am Flughafen, wo 80.000 Menschen arbeiten, doch sehr weit von den Realitäten vor Ort. Denn derart "unkontrolliert", wie Philippe de Villiers behauptet, kann dort niemand wirken: Um überhaupt im Sicherheitsbereich tätig sein zu können, benötigt jeder abhängig Beschäftigte eine spezielle maschinenlesbare Karte, die er am Arbeitsanzug befestigen muss. Die Ausgabe wird in enger Absprache mit den am Flughafen tätigen Polizeikräften sowie dem polizeilichen Nachrichtendienst (den RG) vorgenommen, ihr Besitz wird streng kontrolliert. In der sozialen Praxis liegen die Dinge oftmals so, dass die Drohung mit dem Entzug dieser Karte – die der Arbeitgeber einer Subfirma durch einen einfachen Anruf bei der Polizei, die den maschinenlesbaren Arbeitsausweis daraufhin sofort sperrt, auslösen kann – als probates Erpressungsmittel eingesetzt wird. Es erspart den Arbeitgebern nämlich, die Kündigungsschutzregeln einzuhalten: Wer einen unliebsam gewordenen oder (etwa im Zuge eines Streiks) negativ aufgefallenen Beschäftigten los werden möchte, braucht gar nicht erst ein Kündigungsverfahren einzuleiten, sondern sorgt einfach für die Sperrung des Sicherheitsausweises als unabdingbare Zugangsvoraussetzung zur Arbeit. Wer über dieses Zugangsmittel nicht verfügt, erfüllt die Einstellungsvoraussetzung nicht mehr, und eine Kündigung muss nicht näher begründet werden. Der/die Betreffende kann dagegen klagen, aber die Prozesse dauern mehrere Jahre...

Vollends wilden Fantasien aufgesessen ist Philippe de Villiers dort, wo er in seinem Buch gar behauptet, es sei "geläufig, dass bärtige (Islamisten) in afghanischer Kluft" auf den Flugzeugpisten arbeiten. Als "afghanische Kluft" bezeichnet man jene besondere Tracht (lange Pluderhosen, wallender Bart...), die erstmals in den frühen neunziger Jahren durch bewaffnete Islamisten in Algerien eingeführt worden ist, nachdem deren Kämpfer vom afghanischen Kriegsschauplatz der 80er Jahre zurückgekehrt waren. Dadurch wurde dieser Aufzug ideologischer Kämpfer auch in Frankreich bekannt, nachdem eine solche Kluft bis dahin auch im Maghreb unbekannt war. Aber sie am Pariser Flughafen zu erblicken, dürfte kaum möglich sein: Alle Mitarbeiter, sei es im Gepäckbereich oder anderen Sicherheitszonen des Flughafens, müssen nämlich spezielle Sicherheitswesen mit Neonfarben tragen, auf denen der Schriftzug ihrer Firma (oder Subfirma) deutlich zu erkennen ist.

Le Pen: Hauptsache, gegen Einwanderer, die Konfession ist unwichtig

Dem fanatischen Feldzug des Grafen de Villiers gegen Alles, was auch nur entfernt moslemisch wirkt, widersprechen auch Le Pen und Parteifunktionäre des Front National.(1) Ihnen kommt es freilich gerade recht, so über eine argumentative Abgrenzungsmöglichkeit zu den Rechtskatholiken unter Philippe de Villiers zu verfügen. Im politischen Streit mit de Villiers und dem MPF hebt die Le Pen-Partei so darauf ab, das "der Islam doch gar nicht das Problem (sei), sondern die gesamte ungebremste Einwanderung". Am 18. März 2006 rief Le Pen etwa bei einer Debatte mit Sympathisanten in Villepreux (bei Versailles) zu diesem Thema aus: "Man kann die Probleme nicht darauf reduzieren/darin zusammenfassen, dass es um die Islamisierung gehe. Man muss die gesamte Masseneinwanderung aufhalten." Und in der rechtsextremen Wochenzeitung Minute vom 23.05.2006 erklärt der ehemalige MPF-Funktionär Pierre Audier, der frisch zum Front National übergelaufen ist, den ideologischen Unterschied zu seinen ehemaligen Parteifreunden: "Diese 'Islamisierung Frankreichs' ist ein falsches Problem, und dieser Diskurs kann sich sogar als gefährlich aufweisen, indem man die Religionen gegeneinander (aufwiegelt). Ich bin römisch-katholisch, und ich mag es nicht, dass man eine Religion stigmatisiert. Falls es eifernde Missionierungsversuche von Moslems in Frankreich gäbe, oder wenn die Franzosen massenhaft konvertieren würde, dann gäbe es ein großes Problem. Aber das ist nicht der Fall. Aber was stimmt, ist, dass manche Islamisten ihren Lebensstil der französischen Gesellschaft aufzwingen möchten. Aber, wenden wir unsere Gesetze an! Die Polygamie zum Beispiel ist auf dem Papier in Frankreich verboten. (...) Worauf warten wir, dass die Einwanderungsgesetze ebenfalls angewandt werden? Das wahre Problem ist nicht das der Islamisierung, sondern das der Schwäche unserer Regierung."

Auf diesem Wege versucht Jean-Marie Le Pen, die Diskussion um das "Islamproblem" von der Ebene der religiösen Konfrontation (auf der Philippe de Villiers sich vorwiegend bewegt) herunter zu holen und den rassistischen Kern des Anti-Einwanderungsprogramms der extremen Rechten klarer hervor zu schälen. Denn im Kern geht es ihr ja tatsächlich nicht so sehr um die Frage der Zugehörigkeit zum Islam, sondern um die Ablehnung von Zuwanderung an und für sich.

Allerdings hat lange Jahre hindurch, auch und gerade dem Front National, die Symbolik des Islam (und dessen Stigmatisierung) in hohem Maße zum Zwecke der Etikettierung des "Fremden" gedient. Argumentativ nutzte der FN etwa den Hinweis auf die "kulturelle Nicht-Assimilierbarkeit der Moslems, deren Religion mit unserer Kultur und/oder der Republik definitiv nicht vereinbar ist", um auf eine Antwort auf die Frage zu verfügen: "Warum sollten die Einwanderer von heute nicht im Laufe einer Generation ebenso oder ähnlich 'integrierbar' sein, wie die italienischen, spanischen und belgischen Einwanderer von gestern bzw. ihre Nachfahren faktisch assimiliert worden sind?" Im Laufe der 80er Jahre hatte der Front National etwa im Elsass (einer seiner Hochburgen) das berühmte Plakat massenhaft verklebt, auf dem eine Frau in elsässischer Tracht mit einem Gesichtsschleier abgebildet ist. Untertitel: "In zwanzig Jahren wird Frankreich eine islamische Republik sein." Auch gegen den Bau von Moscheen mobilisierte der FN oftmals sofort nach Bekanntwerden der Baupläne, etwa in Paris 1995.

Aber es stimmt ebenfalls, dass das Stimulieren negativer Gefühle gegen den Islam nicht zwingend ist, um das zentrale Anliegen der extremen Rechten (die "Reinheit" des Landes durch Abwehr von Zuwanderung zu erreichen, und/oder eine soziale Hierarchie aufgrund von "Rassen"zugehörigkeit durchzusetzen) ideologisch zu begründen. Auf mindestens zwei ideologischen Ebenen kann die extreme Rechte auch "islam-freundliche" Argumente oder Gefühle einsetzen:

1. Die eine Ebene ist das politisch-kulturelle Erbe des französischen Kolonialismus auf der Rechten: Der einstmalige Kolonialrassismus war kein auf totale Trennung zwischen den "Völkern" bzw. "Kulturen" abzielender - sondern er hatte die Errichtung einer sozialen Hierarchie und die "Unterordnung" der Kolonialsubjekte unter die dominierende "weiße" Bevölkerung zum Gegenstand und zum Ziel. Daher ist er eher ein "paternalistischer" Rassismus, aus dessen Sicht es auch den "guten Moslem" gibt: Nämlich jenen Moslem, der die (koloniale) Vorherrschaft der Europäer bereit willig duldet oder ihr gar positiv zustimmt. Und der entweder die "für ihn bestimmten" niederen Arbeiten verrichtet, oder aber auf Seiten Frankreichs im Kolonialkrieg kämpft wie die 'Harkis' im Algerienkrieg 1954/62. (Einige 'Harkis' oder ihre Nachfahren sind heute auch beim Front National aktiv, etwa der Kommunalparlamantarierer Sid Ahmed Yahiaoui in Marseille.) Diese koloniale Form von Rassismus hat Jean-Marie Le Pen, der 1957 als Offizier der Fremdenlegion in Algerien tätig war, in einer längeren Epoche seiner Biographie geprägt.

2. Die andere Ebene ist der "ethnopluralistisch"-differenzialistische Rassismus, den die intellektuelle Neue Rechte (Nouvelle Droite) in den 80er Jahren in das politische Spektrum der Rechten neu eingebracht hat. In einem Teilbereich der extremen Rechten hat sie dadurch erheblich zur ideologischen Modernisierung beigetragen. Denn der differenzialistische Rassismus versucht nicht, Hassgefühle auf Menschen zu schüren, die "anders" sind – wie bei primitiven Ausdrucksformen von "spontanem" Rassismus – oder den "falschen Glauben" haben, sondern er erklärt dieses "Anderssein" sogar zum positiven Wert. Alle menschlichen "Kulturen" (die freilich als solche als homogene und unveränderbare Gesamtheiten betrachtet werden, so dass die Zugehörigkeit zu ihnen dem freien Willen der Menschen entzogen ist) hätten Anspruch auf Respekt. Damit aber eine jede dieser "Kulturen" ihre Besonderheiten auch bewahren könne und respektiert sehe, müssten sie sich eben am besten getrennt entwickeln. Dabei legen die Intellektuellen der Nouvelle Droite selbst Wert darauf, dass es sich um gar keinen Rassismus handele (ja sogar um eine antirassistische Ideologie, da sie ja allen "Kulturen" vollen Respekt entgegen bringe, im Gegensatz zu den universalistischen Ideologien, die "Gleichmacherei" betriebe und denen es daher an solchem Respekt gerade mangele). In Wirklichkeit dient diese Ideologie im politischen Bereich aber nur dazu, mit schöneren Worten und angenehmerem Auftreten der Forderung nach "Rückführung der Immigranten in ihre Herkunftsländer" zu begründen - da selbige dort wieder an ihre "kulturellen Wurzeln" anknüpfen könnten.

Beide Ideologien und ihre jeweiligen Argumentationsstränge koexistierten lange Jahre hindurch innerhalb des Front National der ja eher ein Konglomerat unterschiedlicher rechtsextremer Ideologien denn eine Organisation mit einheitlichem Ideengebäude darstellt. Neben ihnen fanden und finden sich auch noch katholisch-nationalistische Elemente wieder, für die der Islam eher den "Glaubensfeind" darstellt. Unter dem Einfluss des modernisierten, differenzialistischen (pardon:) Rassismus der Neuen Rechten begrüßte jedoch ein Teil der französischen extremen Rechten in den neunziger Jahren das Aufkommen von Bewegungen des politischen Islam, wie etwa in Algerien: Der Aufstieg dieser Bewegungen beweise doch, dass "in allen Ländern und Völkern das Streben nach der Wiederentdeckung der eigenen, unverwechselbaren kulturellen Identität vorhanden ist". Jean-Marie Le Pen, der selbst in seiner Biographie eher von einem traditionellen paternalistischen Kolonialrassismus geprägt worden war, hat dieser ideologischen Tendenz zeitweise wichtige Zugeständnisse erbracht. Beispielsweise traf er im August 1997 in Istanbul den damaligen Chef der türkischen Islamistenpartei Refah Partisi, Necmettin Erbakan (dessen Partei später, unter dem Druck der Militärs, verboten und durch die erheblich moderater auftretende Regierungspartei AKP abgelöst worden ist). Auch mit dem iranischen Regime gab es zeitweilige Kontakte, so nahm Le Pen an einem Empfang der iranischen Botschaft in Paris im Januar 1998 und – auf der iranischen Ehrentribüne – am Fußball-WM-Spiel Iran/USA in Lyon im Juni 1998 teil.

Seit der Parteispaltung des FN zwischen Le Pen- und Mégret-Anhängern, zum Jahreswechsel 1998/99, wurde jedoch die intellektuelle "Neue Rechte" in den Reihen des Front National erheblich geschwächt. Ihre Vertreter sowie jene jüngeren Kader, die ihren ideologischen Produktionen gegenüber aufgeschlossen waren, schlossen sich nämlich in ihrer überwiegenden Mehrheit dem "Dissidenten" Bruno Mégret an. Beim "historischen" Front National, also der Rumpfpartei (die im Zuge jener Spaltung über die Hälfte ihrer Funktionäre und Mandatsträger auf einen Schlag verlor), überwogen nunmehr eher die traditionellen Katholiken und Alt-Kolonialrassisten. Auch seine Kontaktaufnahmen zu Vertretern des politischen Islam (unterschiedlicher Couleur, von Erbakan bis Teheran) hat Jean-Marie Le Pen seitdem nicht erneuert. Und in seiner 1. Mai-Ansprache von 2006 schlug der alternde Chef des FN wiederum andere Töne an, die eher autoritär-republikanisch und assimilationistisch klingen.

So führte Jean-Marie Le Pen beim diesjährigen 1. Mai-Aufmarsch vor der Pariser Oper aus: "So wie die ungezügelte Immigration muss der Kommunitarisumus, dessen (Träger) eine Konkurrenz der Opfer betreiben, deren Wehklagen die gebürtigen Franzosen zu Reparationsleistungen bringen soll (...) aufhören. Es ist höchste Zeit, all diese Kommunitaristen an die Prinzipien der Einen und unteilbaren Republik zu erinnern, die in der öffentlichen Sphäre weder Moslems noch Juden noch Schwule noch Lobbygruppen anerkennt, sondern nur französische Staatsbürger und das Intérêt général. Wobei dem Individuum seine volle Freiheit überlassen bleibt, seinem religiösen Kult, seinen Hobbys oder sogar seinem Spleen in der Privatsphäre nachzugehen – ohne leugnen zu können, dass Frankreich eine Nation christlicher und humanistischer Kultur ist." (Zitatende) In ihrer Essenz beinhaltet diese Rede eher eine autoritäre Umdeutung der bürgerlichen Staatsideologie in Frankreich, also des universalistischen Anspruchs der Republik. Wobei letzterer freilich in Le Pens Umdeutung in einen Vorwurf an die Adresse der gesellschaftlichen Minderheiten gekehrt wird - während der ursprüngliche bürgerlich-revolutionäre Universalismus ja einstmals gerade dazu dienen sollte, auch den Minderheiten gleiche Rechte (durch den gleichen Zugang zur öffentlichen Sphäre) zu gewährleisten.

Bilanz, Schlussfolgerung

Die Ideologie des Jean-Marie Le Pen ist im Laufe der Jahre durchaus wandelbar, bzw. unterschiedlichen Einflüssen aus divergierenden Quellen innerhalb der (je nach Strömung: national-autoritären, religiösen und nicht religiösen, postkolonial-paternalistischen, völkischen, rassistisch-biologistischen usw.) Rechten ausgesetzt. Aufgrund der neu erwachenden Konkurrenz durch Philippe de Villiers sieht Jean-Marie Le Pen sich derzeit unter Druck gesetzt. Aus diesem taktischen Moment heraus nimmt der Chef des FN zur Zeit den islamfeindlichen Diskurs sehr stark zurück, was ihm dadurch umso leichter fällt, dass er über alternative ideologische Argumentations- und Deutungsmuster innerhalb der (heterogenen) rechtsextremen Denktradition verfügt. Dabei kann er auch auf bestimmte Phasen seiner eigenen Argumentation in der jüngeren Vergangenheit zurückgreifen.

Dennoch wäre es falsch, anzunehmen, dass Le Pen dadurch plötzlich zum "Freund der Moslems" geworden sei. Eine solche Annahme wäre absolut falsch, und betreffend seine Parteigänger wäre sie es eher recht. So erfreut sich anlässlich der 1. Mai-Kundgebung des FN in diesem Jahr ein Stand besonderen Zulaufs, an dem sich die FN-Satellitenorganisation SDF anpries. SDF ist normalerweise die französische Abkürzung für Obdachlose (sans domicile fixe), steht aber in diesem Fall für "Solidarité des français" (Solidarität unter Franzosen). Es handelt sich um eine kleine rechtsextreme Pseudo-Wohltätigkeitsorganisation, die ab und zu an bestimmten Orten in Paris eine Art von Volksküchen veranstaltet – einen Suppenausschank für Obdachlose und andere Arme, die dadurch für rechtsextreme Propaganda gewonnen werden sollen. Diese "wohltätige Speisung" wird aber von der Bedingung abhängig gemacht, dass die Betreffenden Schweinefleisch akzeptieren, denn auf dem Menü stehen ausschließlich Speck und Suppe mit Schweinefleischeinlage.

Im Mittelpunkt steht dabei selbstverständlich die Absicht, sowohl jüdische als auch moslemische Menschen (sofern sie den Vorschriften ihres jeweiligen Glaubens folgen) fern zu halten. Am Stand dieser kleinen Organisation am 1. Mai wurde auf Handzetteln für eine Feier am Ende des Monats Mai geworben, die passenderweise auf den Namen La fête du cochon (Das Fest des Schweins) getauft worden ist. Für solche Dinge begeistern sich die Anhänger, das "Fuvolk" Le Pens. Und Le Pen provozierte während seiner Ansprache – erwünschte – Buhrufe, als er in einer Redepassage über den historischen Werdegang seiner "Nationalheiligen" Jeanne d'Arc ausführte, welche geschichtlichen Ereignisse gleichzeitig zum Auszug dieser "Jungfrau von Orléans" in den 100jährigen Krieg gegen die Engländer stattgefunden haben. Die Passage "Die Türken erobern Konstantinopel und besiegeln die Islamisierung des gesamten Mittleren Osten" quittierte seine Anhängerschaft mit Buhrufen.

Am 11. Mai 2006 wurde Jean-Marie Le Pen ferner in dritter und letzter Instanz wegen "Aufstachelung zum Rassenhass" gerichtlich verurteilt, weil er im April 2003 in einem Interview das Bild eines zukünftigen Frankreichs ausmalte, in dem "25 Millionen Moslems" leben. Und in dem, laut Le Pen, "die gebürtigen Franzosen sich der Wand entlang drücken und mit gesenktem Blick vom Trottoir herunter steigen", sobald ihnen ein Moslem entgegen kommt. Gut, es stimmt: Das Interview wurde gegeben, als Philippe de Villiers noch keinen ernst zu nehmender Konkurrenten für Le Pen darstellte.

Teil 1: Ideologische Abgrenzungsversuche, Islam-Diskussion
Teil 2: "Rupft" der MPF erfolgreich den Front National?
Teil 3: Antisemitismus-/Philosemitismus-Debatte und Bündnisdiskussion
Teil 4: Spannungen zwischen Bevölkerungsgruppen nehmen (periodenweise) zu
Teil 5: Dieudonné schüttet Öl ins Feuer

Anmerkung:
(1) Ideologische Abgrenzungsversuche zwischen FN und MPF hin oder her: Es ist interessant festzustellen, welche Überschneidungen bei der Leserschaft ihrer Bücher es offenkundig zwischen dem MPF-Chef Philippe de Villiers und der Tochter des FN-Gründervaters, Marine Le Pen, gibt. Beim französischen Kulturkaufhaus FNAC etwa kann man das Buch Philippe de Villiers' über "Die Moscheen von Roissy" on-line bestellen. Versucht man dies, so erhält man als (potenzieller) Käufer die Kundeninformation: "Die Internet-Käufer, die Les Mosquées de Roissy gekauft haben, kauften auch... :" Und es folgt ein Hinweis auf das neue Buch von Marine Le Pen, A contre flots (ungefähr: Gegen den Strom), das im April 2006 ziemlich genau zeitgleich mit dem Opus des Grafen de Villiers erschienen ist. (Vgl. http://www.fnac.com/Shelf/article.asp?PRID=1827067)

hagalil.com 31-05-2006

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