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Frankreichs Rechtsaußen (5):
Dieudonné schüttet Öl ins Feuer

Von Bernard Schmid

Die allzu verständliche Empörung über den Mord von Oullins, seine mutmaßlichen (teilweise) rassistischen Motive und den möglichen Polizeiskandal droht auf die beschriebene Weise, gegen das Gedenken an andere Opfer in Widerspruch gebracht zu werden. Die legitime Wut könnte auf diesem Wege gar noch zur Entfremdung von Bevölkerungsgruppen untereinander beitragen.

Einer darf dabei nicht fehlen, wenn es darum geht, Benzin ins Feuer zu kippen: Der schwarze Franzose, Theatermacher und "Humorist" Dieudonné Mbala Mbala, allgemein bekannt unter seinem Künstlernamen, der mit seinem Vornamen identisch ist. Prompt meldete Dieudonné für den 22. April (einen Samstag) eine Demonstration an unter dem Motto "Gegen die Diskriminierung unter den Opfern".

In Wirklichkeit ging es Dieudonné aber darum zu zeigen, dass es angeblich eine ungerechtfertigte Bevorzugung gebe, dass nämlich jüdische Opfer bevorzugt behandelt würden. Zum "Beweis" für diesen Versuch, Opfer gegeneinander auszuspielen, diente Dieudonné die Behandlung von vier Mordaffären durch "die Medien und die politische Klasse". Neben dem Mord an Ilan Halimi und jenem an Chaïb Zehaf (bei denen antisemitische bzw. rassistische Motive zumindest in ein Gemengelage aus Tatmotiven eingeflossen sein dürften) nannte Dieudonné noch zwei andere Morde, die offenkundig keinen ideologischen Hintergrund hatten. Es gelang ihm, den Sohn und die Schwiegertochter von Benoît Savéan dafür zu gewinnen, mit ihm gemeinsam zu demonstrieren: Dieser Peugeot-Angestellte aus Audincourt im französischen Jura war aus kriminellen Motiven entführt und gefoltert worden, da die Täter die Geheimnummer seiner Bankkarte aus ihm herauspressen wollte. Am 25. Februar 2006 (also einen Tag vor der Pariser Demonstration zum Andenken an Ilan Halimi) war seine Leiche aufgefunden worden, die grausam zugerichtet war, ihr fehlten etwa die Ohren. Die Affäre fand ein nicht unbeträchtliches Medienecho, das freilich geringer ausfiel als im Mordfall Ilan Halimi: Schlicht und einfach aus dem Grund, weil die Tat keinerlei ideologische Motive zugrunde liegen hatte und daher keine gesellschaftlichen Konsequenzen, keine (mehr oder minder unmittelbare) Auswirkung auf das Zusammenleben der übrigen Menschen zu haben schien.

Im Endeffekt kamen circa 100 Menschen zu Dieudonnés Demonstration vom 22. April (laut Kurzmeldung in Le Monde vom Abend des 24. April). Damit blieb die Beteiligung ausgesprochen gering. Dennoch hatte der Appell im Vorfeld einige Aufmerksamkeit erregt. In dem Aufruftext hatte Dieudonné sich auch darüber echauffiert, dass Innenminister Nicolas Sarkozy drei junge Juden aus der Pariser Vorstadt Sarcelles, die Ende Februar bei einem antijüdisch motivierten körperlichen Angriff (leichtere) Verletzungen am Kopf erlitten hatten, kurz nach dem Hochkochen der Mordaffäre Ilan Halimi im Amt empfangen habe. Nicht aber habe er die Familie des Peugeot-Angestellten Benoît Savéan oder Chaïb Zehaf empfangen. Diesen Vorwurf der Ungleichbehandlung drehte Dieudonné aber nicht so, dass er Aufklärung über den möglichen Polizeiskandal zum Mord an Chaïb Zehaf gefordert hätte, was ja noch richtig gewesen wäre – sondern indem er sich über die angeblichen ungerechtfertigten Privilegien für die drei jungen Juden aus Sarcelles ereiferte. Diese hätten, so heißt es in dem Aufruf wörtlich, "keinen Kratzer" gehabt. (Kratzer nicht, wohl aber Nasenbrüche...)

Dennoch hat Dieudonné es nicht geschafft, die Familie des in der Nähe von Lyon ermordeten Chaïb Zehaf zur Teilnahme an "seiner" Demo zu bewegen. Besonders diesen (wahrscheinlich rassistisch motivierten) Mord versuchte Dieudonné ideologisch zu seinen Zwecken auszuschlachten. So behauptete er in seinem Demoaufruf, der Todesschütze sei "der Sohn eines praktizierenden Juden". (Diese ‘Information’ ist höchst wahrscheinlich falsch und findet nirgendwo Bestätigung. Und selbst falls sie nicht falsch sein sollte, steht sie in keinerlei Zusammenhang mit der Tat und erklärt nichts daran. Aus gutem Grund sollte man in diesem wie in anderen Fällen davon absehen, auf die Herkunft und Abstammung der Täter abzustellen, sofern sie nichts zur Erhellung des Tathintergrunds beiträgt.) Der Bruder des Mordopfers, Halim Tiaïbi, erklärte ferner in einem Interview mit der linksliberalen Wochenzeitung Charlie Hebdo vom 15. April 2006 in ziemlich vernünftigen Worten: "Der Wahlkampfleiter (sic; Anm.: der Mann bezeichnet sich als Präsidentschaftskandidat für 2007) von Dieudonné hat meine Mutter angerufen, um zu versuchen, sie für einen ‘Marsch gegen die Diskriminierung unter Opfern’ zu gewinnen. Andere haben, ohne uns (die Familie) überhaupt zu fragen, im Internet ein ‘Kollektiv Chaïb Zerhaf’ ausgerufen. (...) Ich mache da nicht mit! Man nutzt nicht so ein Drama aus, um die Leute gegeneinander auszuspielen." Unter den Urhebern des Internet-Aufrufs, den der Bruder des Opfers kritisch zitierte, finden sich moslemische Gemeindefunktionär und der moslemisch-kommunitaristische Ideologie Tariq Ramadan.

Dieudonné, der im kommenden Jahr zu den Präsidentschaftswahlen kandidieren will (aber wahrscheinlich nicht die formalen Voraussetzungen für eine Kandidatur erfüllen wird: 500 Unterschriften von Bürgermeistern usw.), darf grundsätzlich nirgendwo fehlen, wo Öl ins Feuer gekippt wird. Ende April 2006 ließ er sich für die erste Ausgabe der, nach zehnjähriger Pause wieder erscheinenden, nationalrevolutionären Monatszeitschrift im Umfeld des Front National namens Le Choc du mois interviewen. Darin verglich er sich selbst, der in Frankreich aufgrund seiner unbequemen Auffassungen verfolgt werde, mit dem ebenso "verfolgten" Jean-Marie Le Pen. (Nicht, dass er sich auf dieselbe Seite gezählt hätte: Dieudonné behauptet in dem Interview glatt, er selbst vertrete angeblich "die wahre Linke" und Le Pen "die wahre Rechte", die übrigen politischen Akteure seien dagegen Betrüger. Aber unter Verfolgten müsse man sich eben gegenseitig Respekt zollen...) (1)

Erstmals kann Dieudonné allerdings seit einigen Wochen nicht länger behaupten, er sei "noch nie gerichtlich verurteilt worden" für seine Hetzäußerungen, sondern er habe immer "Recht bekommen". Bis dahin hatte er es tatsächlich immer geschafft, Freisprüche zu erzielen - indem er behauptete, er agitiere nicht etwa gegen die jüdische Bevölkerungsgruppe an sich, sondern gegen die Politik bestimmter jüdischer Kreise oder des israelischen Staates. Am 10. März 2006 jedoch verurteilte ihn die 17. Strafkammer im Pariser Justizpalast zu 5.000 Euro Geldstrafe wegen "Aufstachelung zum Rassenhass".

Dem Urteil zugrunde liegt ein Interview, das Dieudonné der Sonntagszeitung JDD (Journal du dimanche) in ihrer Ausgabe vom 08. Februar 2004 gegeben hatte. Darin hatte Dieudonné pauschal davon gesprochen, jene (jüdischen) Personen, die ihm widersprächen oder gewälttätig gegen ihn vorgingen, seien "alles ehemalige Sklavenhändler, die sich im Bankgeschäft und im Mediengeschäft recycelt haben, heutzutage auch im Terrorismus, und die die Politik von Ariel Sharon unterstützen". Da keinerlei nachvollziehbarer inhaltlicher Zusammenhang zum Sklavenhandel und ähnlichen, real negativen historischen Erscheinungen bestand, kam das Gericht zum Schluss, dass Dieudonné tatsächlich die jüdische Bevölkerungsgruppe als solche bezichtige, "négriers" (Sklavenhändler) zu sein. Dies entspreche der antisemitischen Vorstellungswelt vom jüdischen "Blutsauger". Daher ist Dieudonné nunmehr, zum ersten Mal, vorbestraft. (Zu dem Gerichtsurteil siehe France Soir vom 11. März 2006)

Tatsächlich hegt Dieudonné einen ungeheuren Groll gegen die jüdische Bevölkerungsgruppe, da er ihr vorwirft, durch die Erinnerung an die Shoah das Gedenken an historische Verbrechen zu "monopolisieren" - und dadurch die Erinnerung an das Menschheitsverbrechen der Sklaverei nicht aufkommen zu lassen. Diese Form von "Opferkonkurrenz" bildet sein zentrales, grundlegendes Motiv. Dabei ist aber der von ihm formulierte Vorwurf inzwischen längst zum völlig irrationalen Selbstläufer, zum Ausdruck eines zum Selbstzweck erhobenen Hasses geworden.

Wenn man Dieudonné etwa darauf hinweist, dass der französische Code noir (das Gesetzbuch über den Sklavenhandel, das unter der Monarchie eingeführt wurde und bis im 18. Jahrhundert galt) gleich in seinem Artikel 1 den Juden die Teilhabe an dem Geschäft des europäischen Sklavenhandels verbot (!), findet der Mann auch darauf noch eine Antwort. Aber diese Antwort fällt absolut irrsinnig, und von jeder historischen Grundlage losgelöst aus. Am 29. April 2005 stellte er etwa folgende wahnwitzige, jeglicher historischen Grundlage entbehrende Behauptung im Radiosender Beur FM auf: "Der erste Artikel des 'Code noir' besagt, dass dieser Handel den Juden verboten sei. Aber warum? Deshalb, weil die Juden seit langem das Monopol darüber hatten und weil man eine christliche Dimension (darin) einführen musste. Das heißt, weil man aufhören musste, die männlichen Sklaven zu kastrieren, weil man aufhören musste, die Kinder ins Wasser zu werfen." (Zitiert nach dem auch sonst interessanten Buch der Journalistin Anne-Sophie Mercier: La vérité sur Dieudonné, Paris, Verlag Plon 2005, hier zitiert von S. 29)

Wie auch bei anderen antisemitischen Ideologen, hat sich bei Dieudonné inzwischen das Ressentiment gegen die Wirklichkeitserfahrung resistent gemacht. Bleibt nur zu hoffen, dass sein Selbstbild (er sei das Sprachrohr der Entrechteten und Enterbten, der Rächer der marginalisierten Immigrantenjugend in den Banlieues etc.) auch weiterhin Makulatur bleibt.

Gerichtsurteile gegen Rechtsextreme

Auch gegen Angehörige der "klassisch" rassistischen und antisemitischen extremen Rechten sind in jüngster Zeit mehrere Sanktionen verhängt oder bestätigt worden.

Am Montag, den 22. Mai 2006 bestätigte das oberste französische Gremium für Hochschullehre und Forschung, der CNESER, die Suspendierung des Front National-Politikers von seinem Univeristätsamt als Juraprofessor an der Hochschule Lyon-III. Bruno Gollnisch war zunächst durch die örtlichen Hochschulbehörden aus dem Universitätsdienst entfernt worden, nachdem er am 11. Oktober 2004 (bei einer Pressekonferenz in den Räumen des Front National in Lyon) die Existenz der Shoah geleugnet und relativiert hatte: Die angeblich geknebelte Forschung müsse endlich frei über die Zahl der Toten und ihre Todesart diskutieren können usw. Gollnisch wurde für 5 Jahre vom Dienst suspendiert, d.h. faktisch bis zu seinem Eintritt in die Rente, und sein Gehalt wurde um die Hälfte gekürzt. Nunmehr hat also das oberste Gremium, das für Forschung und Lehre ist, die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme bestätigt. Sie muss nunmehr noch vom zuständigen Bidlungsminister (d.i. zur Zeit der Christdemokrat Gilles de Robien) als oberster politischer Instanz bestätigt werden, aber daran besteht kaum ein Zweifel.

Bereits fünf Tage zuvor, am 17. Mai 2006, hatte das Berufungsgericht in Lyon die Verurteilung des früheren rechtsextremen Regionalparlamentariers Georges Theil wegen Holocaustleugnung bestätigt. Theil muss für sechs Monate (ohne Bewährung) in Haft und 10.000 Euro Geldstrafe bezahlen. Der Mann hatte am 14. Oktober 2004, drei Tage nach den oben zitierten Äußerungen des hohen FN-Funktionärs Bruno Gollnisch und wohl durch diese beflügelt, ungeniert offen die Existenz der Shoah bestritten. Die Gaskammern seien eine Erfindung, und das tödliche Gas Zyklon B sei "ein Desinfektionsmittel" in den Konzentrationslagern gewesen. Theil wörtlich, vor den Mirkophonen der Presse und eines lokalen Fernsehsenders: "Je mehr die Deutschen davon benutzten, desto mehr Leben haben sie gerettet."

Dafür wurde Theil am 07. Oktober 2005 zu einer Haftstrafe von sechs Monaten ohne Bewährung verurteilt. Dieses Urteil wurde jetzt bestätigt. Damit ist Theil die erste Person, die in Frankreich aufgrund der "Auschwitzlüge" tatsächlich ins Gefängnis muss. Bis dahin hatte es zwar Urteile gegen Holocaustleugner gegeben, aber aufgrund von Bewährungsregeln u.a. hatte bisher noch keiner hinter Gittern gesessen. Das ändert sich jetzt. Theil war in jüngerer Vergangenheit Pressesprecher der FN-Fraktion im Lyoner Regionalparlament gewesen (nachdem er selbst dort als Abgeordneter gesessen hatte).

Der Chef des Front National, Jean-Marie Le Pen, selbst wurde seinerseits am 11. Mai 2006 in dritter und letzter Instanz wegen "Aufstachelung zum Rassenhass" verurteilt. Le Pen hatte in einem Interview, das am 19. April 2003 (am Vorabend des letzten Parteikongresses des FN) in der Pariser Abendzeitung Le Monde publiziert worden war, für die nahe Zukunft behauptet: "An dem Tag, an dem wir nicht mehr fünf Millionen (Anm.: eine Angabe für die heutigen Verhältnisse, die bereits übertrieben ist), sondern 25 Millionen Moslems in Frankreich haben, da werden sie es sein, die bestimmen. Und die Franzosen werden sich der Wand entlang drücken, und vom Trottoir herunter steigen und dabei die Augen zum Boden richten. Und wenn sie es nicht tun, wird man ihnen sagen: ‘Warum guckst Du mich so an, suchst Du Streit?’ Und dann wird man besser Leine ziehen, denn sonst wird man Prügel abbekommen." Nachdem er im April 2005 und im Februar 2005 in erster bzw. zweiter Instanz verurteilt worden war, wurde das Urteil nunmehr rechtskräftig bestätigt. Le Pen steht somit kein Rechtsweg mehr offen. Aufgrund von "Aufstachelung zum Rassenhass" muss er 10.000 Euro Geldstrafe bezahlen und 5.000 Euro an die Liga für Menschenrechte (LDH), die als Nebenklägerin auftrat, abdrücken.

>> Fortsetzung folgt...

Teil 1: Ideologische Abgrenzungsversuche, Islam-Diskussion
Teil 2: "Rupft" der MPF erfolgreich den Front National?
Teil 3: Antisemitismus-/Philosemitismus-Debatte und Bündnisdiskussion
Teil 4: Spannungen zwischen Bevölkerungsgruppen nehmen (periodenweise) zu

Anmerkung:
(1) : Dieudonné, der Antisemitismus und die extreme Rechte:

Dass Dieudonné auf diesem Wege in der ersten Ausgabe der neuen Serie von Le Choc du mois zu Wort kommt, also in einer vor ihrem Erscheinen nicht (bzw. seit 10 Jahren nicht mehr) existierenden Publikation, bedeutet, dass er vorab über die Pläne ihres Neuerscheinens eingeweiht worden sein muss. Daraus soll an dieser Stelle nicht geschlussfolgert werden, dass er eng mit der französischen extremen Rechten rund um den FN zusammen arbeite – das wäre wohl eine falsche Überinterpretation -, wohl aber, dass er in einem bestimmten rechtsextremen Spektrum auf Beifall stößt und dass er den Applaus von dieser Seite ohne viel Federlesens hinnimmt.

Vor allem auf dem "nationalrevolutionären" Flügel der extremen Rechten, die in eine Vielzahl unterschiedlicher Strömungen aufgeteilt ist (neben den Nationalrevolutionären gibt es etwa ultrakatholische Nationalisten, neuheidnische und 'ethnopluralistisch'-differenzialistische Rechte, Monarchisten...), stößt Dieudonné auf Zustimmung. Dagegen dürften etwa die Ultrakatholiken wenig von Dieudonné, der immer wieder gerne gegen religiöse Überzeugungen provoziert, wissen wollen. - Der "nationalrevolutionäre" Flügel übt einen gewissen Einfluss auf die Zeitschrift Le Choc du mois aus. Die französische Bezeichnung für diesen Teil der extremen Rechten lautet übrigens 'nationalistes-révolutionnaires'.

Die Besonderheit der "nationalrevolutionären" Strömung innerhalb der extremen Rechten liegt darin, dass ihre Aktivisten sich subjektiv tatsächlich als Revolutionäre gegen die gesellschaftliche Herrschaftsordnung verstehen (im Gegensatz zu anderen rechten Strömungen in Frankreich, die sich etwa von vornherein in der Tradition der Konterrevolution "gegen 1789" ansiedeln wie etwa der ultrakatholische FN-Flügel, und die Verteidigung bzw. Wiederherstellung "der natürlichen Ordnung" anstreben). Und dabei verstehen ihre Aktivisten den Nationalismus, die nationalistische Ideologie in ihrem Weltbild als wichtigen Motor der Rebellion oder des "Befreiungskampfs". Dabei vermengen die Nationalrevolutionäre hemmungslos die Situation in Ländern, in denen tatsächlich nationale Unterdrückung besteht oder bestand (wie etwa in Lateinamerika unter US-abhängigen Diktaturen, in den französischen oder britischen Kolonien), mit jener der eigenen Nation bzw. in den großen europäischen Staaten. Nun kann zwar niemand behaupten, Frankreich oder Deutschland erlitten tatsächlich eine äußere Unterdrückung oder Besatzungsherrschaft, wie beispielsweise Algerien oder Madagaskar sie unter französischer Vorherrschaft erlebten. Aber aus der Sicht der "nationalrevolutionären" Ideologie sind die großen europäischen Nationen genauso Subjekte "nationaler Befreiung" wie etwa die "unterdrückten Völker" der Iren, Basken... oder Kurden, Palästinenser... Den Unterschied zu Situationen, in denen tatsächlich eine Form von äußerer Herrschaft über ein Land ausgeübt wird, überbrücken die Nationalrevolutionäre mit verschwörungstheoretischen Darstellungen zur Macht der USA (in deren Knechtschaft sich die übrigen Nationen, vor allem die eigene befänden) und "des internationalen Zionismus". Gerne identifiziert sich diese Strömung auch mit den radikalsten Strömungen des palästinensischen Nationalismus, vor allem aber versucht sie die Lage der "eigenen" Nation mit jener der Palästinser/innen auf eine vergleichbare Ebene zu setzen. Antisemitismus ist dieser Strömung der extremen Rechten, um es äußerst vorsichtig auszudrücken, nicht fremd.

Die "nationalrevolutionäre" Publikation, die unter dem Titel Résistance – Le mensuel des résistants au nouvel ordre mondial (zu deutsch: "Widerstand – Die Monatszeitschrift der Widerstandskämpfer gegen die neue Weltordnung"; vgl. dazu auch die Webpage http://www.voxnr.com/) seit nunmehr circa drei Jahren (wieder) erscheint, hat ihre Sympathie für Dieudonné entdeckt. In der Ausgabe Nr. 30 vom Januar 2006 druckt die Zeitschrift auf einer Doppelseite – von insgesamt 16 Seiten – seine "Neujahrswünsche an die Presse für das Jahr 2006" ab. Darin bekräftigt Dieudonné seine Kandidatur zu den Präsidentschaftswahlen im April 2007, die freilich in der Praxis wohl daran scheitern dürfte, dass Dieudonné mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit nicht die formalen Rechtsvoraussetzungen für eine Kandidatur (500 Unterstützungsunterschriften von Bürgermeister oder Abgeordneten von der Ebene der Bezirksparlamente an aufwärts) erfüllen dürfte. Vor allem aber begründet Dieudonné darin sein Projekt des Widerstands gegen Neokonservativismus, Neoliberalismus, unsoziale Politik und US-Kriegspolitik, so wie er sie sieht und interpretiert. Zu einem nicht unwesentlichen Teil schießt Dieudonné sich dabei auf als jüdisch bekannte Persönlichkeiten ein, und behauptet: "Der Neokonservativismus (...) benutzt überall dieselbe Waffe, um seine Gegner zu diskreditieren und seine Übergriffe zu rechtfertigen: die Anklage, antisemitisch zu sein."

Dabei nimmt er Bezug auf die Vorwürfe gegen den venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez, dem im Januar 2006 von mancher Seite antisemitische Äußerungen vorgeworfen worden waren, mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Unrecht. (Chavez hatte in einer Rede vom Widerstand gegen "die Nachfahren derer, die Christus gekreuzigt haben", aufgerufen. Anders als manche Kritiker meinten, spielte er damit aber wohl nicht auf die Juden als "Christusmörder" an, sondern auf das Römische Reich – und tatsächlich waren es nach der biblischen Darstellung die Römer, die Jesus hinrichteten. Dem populistischen Präsidenten Chavez ging es wohl in darum, in einer mit katholischem Kitsch unterlegten Darstellung herauszustreichen, dass "Jesus der erste Sozialist" gewesen sei und dass das US-amerikanische Imperium von heute mit dem Römischen Imperium von damals vergleichbar sei. Das klingt nicht sehr nach streng wissenschaftlicher Analyse..., war aber wohl auch nicht mit antisemitischen Motiven verknüpft.) Dieudonné benutzt dieses Beispiel aber, um daraus die generelle Schlussfolgerung abzuleiten, überall diene der Vorwurf des Antisemitismus dazu und ausschließlich dazu, Kritiker der Mächtigen und ihrer unsozialen Politik mundtot zu machen. Schließlich zieht er dann noch folgende schräge Parallele: "Frankreich muss das Venezuela Europas sein", im Sinne einer Wortführerschaft einer selbstbewussten Politik gegenüber den machtvollen USA.

Ferner äußert Dieudonné sich in dem Interview mit 'Résistance' auch zum israelisch-palästinensischen Politik. Lapidar merkt er dazu an: "Um definitiv aus der Krise heraus zu kommen, trete ich für die Schaffung eines einheitlichen, multikonfessionellen palästinensischen Staates ein, der in Frieden mit seinen Nachbarn zusammen leben wird." Dieudonné sagt nicht: Ich (der ich nicht am Konflikt beteiligt bin) trete für die Koexistenz eines zu bildenden palästinensischen Staates mit Israel ein. Er sagt auch nicht: Ich wäre für die Bildung eines bi-nationalen Staates, in dem beide Völker, das palästinensische und das israelische, zusammen leben könnten (wie es in einem Teil der israelischen Linken und der PLO-Linken früher diskutiert wurde und wohl noch wird). Er spricht von einem "einheitlichen" Staat, dessen Nationalität er ausschließlich als 'palästinensisch' charakterisiert, was keinen Platz für eine israelische Nationalität innerhalb der angestrebten Koexistenz (?) lässt. Rätselhaft bleibt noch, was er unter 'multikonfessionnel' versteht: Einen Staat für Moslems und Christen? Oder auch für Moslems, Christen und Juden? Letzteres spricht er nicht einmal aus. Es entspräche einer programmatischen Vorstellung, die die PLO vor über 30 Jahren erhob, die aber längst historisch überholt ist. Offenkundig hat Dieudonné schlicht keine Lust, sich über das Schicksal der jüdischen Bevölkerung von Israel Gedanken zu machen, das er rhetorisch einfach umgeht. Das übertrifft bei weitem noch die politischen Vorstellungen fast aller palästinensischen Strömungen an Hemdsärmeligkeit - während anscheinend sogar innerhalb der Hamas eine Diskussion über die Akzeptanz eines palästinensischen Staates in den Grenzen von 1967 anfing, existiert Israel und seine Gesellschaft innerhalb der Gedankenwelt Dieudonnés einfach nicht.

Das Bulletin Résistance, in dem Dieudonnés Auslassungen abgedruckt sind, bezieht sich auf seinem Titelblatt ebenfalls positiv auf die Staatschefs Venezuelas und Boliviens, Hugo Chavez und Evo Morales, den durch eine Fotomontage eine brennende US-Flagge in die Hand gedrückt wird. Wobei die beiden südamerikanischen Politiker von dieser ungebetenen "Unterstützung" vermutlich nichts ahnen, und auch nichts dafür können.

Es ist gut möglich, dass Dieudonné die "nationalrevolutionäre" Publikation nicht autorisiert hatte, seine Ansprache zu veröffentlichen, sondern dies ungefragt passierte. Bemerkenswert daran ist aber dennoch, dass -1- nichts über einen Prozess oder eine öffentliche Kritik Dieudonnés an der Publikation bekannt geworden ist, und dass -2- Dieudonné drei Monate später der rechtsextremen und "nationalrevolutionär" beeinflussten Zeitschrift Le Choc du mois ein Interview gibt. Und natürlich ist ganz allgemein bemerkenswert, welchen Applaus Dieudonné bei diesen militanten Rechtsextremen (die selbst freilich die Devise auf ihrer Zeitschrift prangen lassen: "Nicht rechts, nichts links, sondern das Volk") erfährt, obwohl er sich ansonsten etwa auch für einen Dialog mit Afrika ausspricht, der der klassischen extremen Rechten ziemlich schnurzegal sein dürfte.

Diese Publikation unter dem Titel Résistance wird von Christian Bouchet herausgegeben, der um 1990 eine nationalrevolutionäre Gruppe unter dem Namen Nouvelle Résistance (NR, "Neuer Widerstand"; entstanden durch Abspaltung von der etwas größeren Gruppierung Troisième Voie, "Dritter Weg") gegründet hatte. Diese ultraradikale Gruppe, der vielleicht 200 Mitglieder angehörten, bezog sich in ihren öffentlichen Äußerungen in den neunziger Jahren positiv auf russische Nationalisten, das iranische Regime oder die palästinensische Hamas. Sie kam allerdings über ein Kleingruppendasein nie hinaus. Im November 1996 beschloss "Nouvelle Résistance", sich an den Front National anzunähern und ihre Mitglieder zum Beitritt zu der rechtsextremen Großpartei aufzufordern. Nunmehr glaubte Christian Bouchet, im Spektrum der "etablierten" extremen Rechten um einen Platz für seine Strömung ringen zu können. Damals wurde der NR-Mann André-Yves Beck Angestellter im Rathaus des südfranzösischen Orange (30.000 Einwohner), unter dem rechtsextremen Bürgermeister Jacques Bompard. Auch heute noch, nachdem Jacques Bompard vom Front National zum rechtskatholischen MPF übergetreten ist, amtiert André-Yves Beck im dortigen Rathaus nach wie vor als Kommunikationsdirektor - als solcher erwähnt wird er etwa in Le Monde vom 16. April 2006. Beim Übertritt von Jacques Bompard zu der rechtskatholischen Partei hatte MPF-Chef Philippe de Villiers allerdings klar gestellt, dass man André-Yvec Beck nicht in ihren Reihen wünsche; sein Beitritt komme nicht in Frage, aber, zitiert Libération vom 21. Oktober 2005 einen Mitarbeiter von MPF-Chef de Villiers, "was im Rathaus von Orange abläuft, das geht nur den Bürgermeister etwas an". - Nach der Parteispaltung des FN (1998/99) wurden Bouchet und seine Anhänger wieder verstärkt eigenständig aktiv, nachdem sie sich bereits 1998 mit anderen aktivistischen Strömungen jenseits der "etablierten" FN-Parteipolitik zu der Sammelbewegung Unité Radicale (UR) zusammengeschlossen hatten. Unité Radicale wurde 2002, nach dem Attentatsversuch eines durchgeknallten UR-Mitglieds namens Maxime Brunerie auf Präsident Jacques Chirac, verboten. Ihre Nachfolgeorganisation hört auf den Namen Bloc identitaire, kam aber bisher nicht zu größerer Bedeutung.

Was diese sich selbst als "Résistance"-Anhänger bezeichnenden Nationalrevolutionäre u.a. unter den Begriff "Widerstand" fasst, illustriert die Nr. 30 der oben zitierten Publikation vom Januar 2006. Es handelt sich um dieselbe Ausgabe, in der auf den Seiten 8 und 9 die Rede von Dieudonné abgedruckt wird. Auf Seite 13 wirbt die nationalrevolutionäre Publikation für ein Buch, das in ihrem Online-Verlag erhältlich ist, unter dem Titel "Werwolf, histoire de la résistance allemande" (Werwolf, Geschichte des deutschen Widerstands). Im Ankündigungstext liest man dazu: "Im Frühjahr 1944 ist das Reich noch nicht besiegt, aber Heinrich Himmler sieht bereits das Schlimmste voraus. Er veranlasst also das Notwendige, damit das Reich sich auf eine mögliche Invasion durch die alliierten Truppen vorbereitet. Sehr zahlreiche Deutsche, Mitglieder der Hitlerjugend oder der NSDAP, werden in Guerillakampf und Sabotage ausgebildet. Man wird sie als ‘Werwölfe’ bezeichnen. Sie werden einen Partisanenkrieg hinter den Linien der alliierten Truppen führen, und manche werden ihren Kampf über den 8. Mai 1945 hinaus fortsetzen, manchmal bis 1948! (...)"

Dies alles macht aus Dieudonné natürlich keinen Anhänger der Nazi-"Operation Werwolf". Aber eines kann der Mann kaum noch länger abstreiten: Dass er zunehmend deutlich als Antisemit auftritt, der auch auf der extremen Rechten als solcher erkannt und deshalb in einem Teilsegment ihres Spektrums als ein Geistesverwandter betrachtet wird.

hagalil.com 29-05-2006

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