Weltgebetstag der Frauen 2003 -
Libanon
Dokumentation Teil 1
Theologiestudenten machen aufmerksam:
"Recht offener Antisemitismus" der diesjährigen
Weltgebetstagsliturgie
Immer am 1. Freitag im März findet weltweit in 170
Ländern der Weltgebetstag (WGT) der Frauen statt. Er ist - so die
Selbstaussage - die größte ökumenische Laienbewegung der Welt. Jedes Jahr
bereiten Frauen aus einem anderen Land die Liturgie vor. Für Freitag den 7.
März haben Frauen aus dem Libanon die Ordnung erarbeitet. Am 18. Dezember
2002 verfaßten Theologiestudenten der Humboldt-Universität Berlin einen
offenen Brief, den wir hier dokumentieren:
"Sehr geehrte Mitarbeiterinnen des deutschen Komitees des
Weltgebetstages,
im Rahmen des Seminars "Ecclesia und Synagoga – Aspekte
des christlich-jüdischen Gespräches unter besonderer Berücksichtigung
gender-spezifischer Ansätze" an der Humboldt-Universität Berlin beschäftigen
wir uns in diesem Semester intensiver mit Antijudaismus und Antisemitismus
in theologischer Wissenschaft und kirchlicher Praxis nach 1945. Während man
so z.B. in den Denkschriften "Christen und Juden" der EKD Änderungen in der
Reflexion von Theologie und Praxis erkennt, ist uns mit Erschrecken der
recht offene Antisemitismus in der Gottesdienstordnung zum Weltgebetstag der
Frauen 2003 aufgefallen.
In den "Stimmen aus dem Libanon" (Seite 8f) wird in der
ersten Äußerung mit Israel das erste und einzige Mal im ganzen Gottesdienst
ein Grund für Leid und Unrecht im Libanon konkret benannt. Durch diese
namentliche Hervorhebung wird der Eindruck erweckt, dass auch alle weiteren
genannten Unrechtserfahrungen allein von Israel ausgegangen seien.
Uns erscheint auch die Verwendung des Namens Nakba
(Katastrophe – meint die Vertreibung der PalästinenserInnen aus Israel) für
die vierte Stimme in diesem Zusammenhang nicht zufällig und damit
problematisch. Die hier gemachte Aussage beschönigt die in Wahrheit sehr
schwierige Stellung der meisten PalästinenserInnen im Libanon stark, und
gerade hinsichtlich des aktuellen Nahostkonfliktes ist somit sofort eine
negative Verknüpfung zu Israel hergestellt.
Dies allein kann durch die vorliegenden
Gottesdienstordnung und die ihr vorangestellte Einführung in die jüngere
Geschichte des Libanons nicht aufgefangen werden. Wir sind uns bewusst, dass
die im Libanon erarbeitete Liturgie nicht wahllos ergänzt oder verändert
werden kann, dennoch sind wir der Meinung, dass dieses Problem gerade in
Deutschland nicht übergangen werden darf. Auch vor dem Hintergrund der
Diskussion, die bereits um die Weltgebetstagsliturgie der Frauen aus
Palästina entbrannt ist, sind wir verwundert, dass eine solche Kritik, wie
wir sie äußern, überhaupt noch nötig ist. Wir würden uns über eine
Berücksichtigung unserer Stellungnahme und eine Antwort auf diesen Brief
freuen.
Mit freundlichen Grüßen
(es folgen 12 Unterschriften)"
Das Weltgebetstagskomitee reagierte mit folgender Pressenotiz:
"Gottesdiensttext teilt die Erfahrungen libanesischer
Frauen differenziert mit
Stein, 9. Januar 2003 - Die Kritik am diesjährigen
Weltgebetstagsgottesdienst, die von TeilnehmerInnen eines Seminars an der
Berliner Humboldt-Universität in einem offenen Brief geäußert wurde, weist
der Vorstand des Deutschen Weltgebetstagkomitees zurück. Auf differenzierte
Weise beschreiben libanesische Frauen ihre leidvollen Erfahrungen und deren
Ursachen. Bereits im Anfangsteil werden Angehörige des eigenen –
libanesischen – Volkes als Verantwortliche für Gewalttaten während des
Bürgerkriegs benannt.
Dem Eingeständnis eigener Schuld schließen sich Berichte
weiterer Unrechtserfahrungen an. Als Beispiele werden Entführungen durch
libanesische Milizen, die Problematik der palästinensischen Flüchtlinge im
Libanon und die bestehende Gefahr durch israelische Landminen im Südlibanon
genannt. Die libanesischen Frauen wollen hierbei keine einseitige
Schuldzuschreibung vornehmen, sondern ihre Erfahrungen mitteilen. Sie regen
damit auch zu einer Auseinandersetzung an."
Mitglieder des deutschen Weltgebetstagskomitees
sind:
Bund Alt-Katholischer Frauen Deutschlands, Bund Evangelisch-Freikirchlicher
Gemeinden in Deutschland, die Heilsarmee, Evangelische Brüderunität -
Herrnhuter Brüdergemeine, Evangelische Frauenarbeit in Deutschland e.V,
Frauenwerk der Evangelisch-Methodistischen Kirche, Frauenseelsorge der
Diözesen, Frauenarbeit in der Arbeitsgemeinschaft deutscher Mennonitischer
Gemeinden, Gemeinschaft Katholischer Gemeindereferentinnen e.V., Orthodoxe
Kirche in Deutschland, Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands und
Katholischer Deutscher Frauenbund
haGalil online hat sich seit 14. Januar bei der
Geschäftsstelle des deutschen Weltgebetstagskomitees um eine
Interviewpartnerin aus den Reihen des WGT in Berlin bemüht. Eine solche
Vermittlung kam bis jetzt trotz mehrmaliger Nachfragen nicht zustande.
Benannt wurde vom Büro Frau Gudrun Lunkenheimer von der evang. Frauenarbeit.
Frau Lunkenheimer konnte die erste Woche nicht erreicht werden, weil vom
WGT-Büro falsche Telefonnummern benannt wurden. Danach war nur in Erfahrung
zu bringen (letztes von mehreren Telefonaten am 5. Febr.), daß Frau
Lunkenheimer krank ist und frühestens ab dem 11. Februar wieder erreichbar
sei. Der mehrmaligen Bitte eine andere Gesprächspartnerin in Berlin zu
benennen wurde nicht entsprochen. Durch eigene Recherchen wurden wir auf
eine Mitarbeiterin der Frauenarbeit des bischöflichen Ordinariats
hingewiesen. Diese reagierte auf die Bitte nach einem Rückruf nicht und sei
auch derzeit nicht erreichbar, ebenso wurde versucht mit einer weiteren
Mitarbeiterin im Haus der Kirche einen Gesprächstermin zu vereinbaren. Auch
diese sei erst nächste Woche erreichbar. (Stand: 7. Febr. 2003).
Weitere Beiträge der Dokumentation zum Weltgebetstag 2003:
hagalil.com
31-01-03
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