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Jüdische Weisheit
 
 

Die Zwangsdisputation von Barcelona 1263:
Argumentationsstrategien im christlich-jüdischen "Dialog"

Von Andrea Livnat

"שני החיבורים העברים הקטנים המדברים על הוויכוחים שנעשו בפומבי בפאריש בשנת 1240 ובברצלונה בשנת 1263 הם היסוד לכל האפולוגטיקה של התלמוד בסוף ימי הביניים וראויים להיחשב בין הספרות הקלסית. מכל מקום לא זכו עדיין לניתוח פנימי מספיק, למרות כל המאמרים החשובים שנכתבו עליהם."

An dieser Aussage Fritz Yitzhak Baers[1] aus dem Jahr 1930 hat sich auch bis heute nicht wirklich viel verändert. Noch immer gibt es viele Unklarheiten über die Umstände und Bedeutungen der beiden Disputationen von Paris und Barcelona, die einen jüdischen Gelehrten dazu zwangen, mit einem christlichen Vertreter über essentielle Glaubensgrundsätze zu sprechen. Gerade die Zwangsdisputation von Barcelona beschäftigt Generationen von Historikern weiterhin nicht allein wegen des Ereignisses an sich, sondern vielmehr wegen ihrer herausragenden Stellung in der Geschichte der christlich-jüdischen Auseinandersetzungen im Mittelalter. Das Streitgespräch zwischen dem dominikanischen Apostaten Pablo Christiani und einem der größten jüdischen Gelehrten, Rabbi Moses ben Nachman, auch Nachmanides genannt, stellt einen bedeutenden Wendepunkt in der christlichen Missionstaktik dar und veranschaulicht neue Argumente und Herangehensweisen der christlichen Seite, um Druck auf die jüdischen Gemeinden auszuüben.

Daher soll es hier auch nicht darum gehen, die Disputation nach Sieger und Verlierer zu untersuchen. Dies würde von einem gerechten und vor allem gleichgestellten intellektuellen Diskurs ausgehen, der nicht stattgefunden hat. Es geht vielmehr um die Bedeutung der Disputation im Kontext des christlich-jüdischen "Dialogs", also um die Rahmenbedingungen eines erzwungenen Dialoges, der die Essenz der jüdischen Religion in Frage stellen sollte. Dabei möchte ich besonders die jeweiligen Taktiken und Argumentationsstrukturen der Disputationsgegner untersuchen, um daran den psychologischen Druck aufzuzeigen, dem die jüdische Gemeinde in Spanien unter christlicher Herrschaft ausgesetzt war. Zählen die Missionierungsversuche, Zwangspredigten, Disputationen und andere Maßnahmen, besonders der neuen Bettelorden der Franziskaner und Dominikaner, einerseits nicht zu den schlimmsten Repressionen, die Juden zu dieser Zeit in Europa erleiden mussten, so ist doch andererseits der extreme Druck, der dadurch auf die Gemeinden ausgeübt wurde, nicht zu unterschätzen. Gleichzeitig ist die Tatsache, dass den aggressiven Praktiken der Bettelorden widerstanden werden konnte, auch Zeichen für Stärke, inneren Zusammenhalt und Macht des spanischen Judentums, auch unter christlicher Herrschaft.

Nach einer Einführung in die Geschichte der Missionsversuche, des christlich-jüdischen "Dialogs" und der Zwangsdisputationen im allgemeinen, werden die Kontrahenten vorgestellt und der Verlauf der Disputation von Barcelona zusammengefasst. Anschließend wird die christliche und jüdische Argumentationstaktik, die auf die christliche Strategie antwortet, dargestellt und analysiert.

Als Quellen liegen sowohl das lateinische Protokoll der Disputation, in der Edition von Heinrich Denifle[2], wie auch das hebräische Sefer haBikuach, übersetzt von Hans-Georg von Mutius[3], vor. Das hebräische Protokoll ist die Niederschrift von Nachmanides selbst, die sich nicht nur in der Detailliertheit von ihrem christlichen Gegenstück unterscheidet. Das tatsächlich Gesagte dürfte sich irgendwo in der Mitte der beiden Protokolle situieren, da die schriftliche Darstellung eng mit den Argumentationstaktiken selbst verknüpft ist. Die christliche Aufzeichnung ist eindeutig von Christen für Christen geschrieben, während Nachmanides seine Niederschrift für eine jüdische Leserschaft verfasste.

Aus der Reihe der zahlreichen Sekundärliteratur zur Disputation von Barcelona seien zunächst die Arbeiten von Yitzhak Baer erwähnt. Baer, der mehrfach Forschungsreisen nach Spanien unternahm und eine umfassende History of the Jews in Christian Spain vorlegte, befasste sich bereits 1930 mit dem eingangs zitierten Artikel gesondert mit der Disputation von Barcelona, rückte dabei jedoch relativ einseitig die Darstellung von Nachmanides in den Mittelpunkt. Von der neueren Forschung sind besonders Jeremy Cohens The Friars and the Jews, sowie die verschiedenen Arbeiten von Robert Chazan, vor allem die detaillierte Darstellung Barcelona and Beyond, wichtig. Beide Werke überlappen sich ein wenig, wobei sie unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Cohen beschäftigt sich mit dem, was er als neue antijüdische Ideologie sieht, die in der Mitte des 13. Jahrhunderts aufkam, also die grundlegenden Anschauungen und religiösen Überlegungen, die die neuen Bettelorden in ihrer Judenmission antrieben. Cohen stellt die These auf, dass Franziskaner und Dominikaner eine neue Weltanschauung in Bezug auf die Juden implementieren wollten, die den Juden jedes legitime Existenzrecht in den europäischen Gesellschaften verwehrte. Chazan beschränkt sich dagegen auf die Missionsstrategien als solche und spricht sich für eine Analyse der Mission der Bettelorden in ihrem jeweiligen Kontext aus. Die These Cohens hält er nicht für berechtigt.

Jeremy Cohen hat in seiner Analyse jedoch wesentlich umfassender auch die Entwicklungen der folgenden Jahrhunderte berücksichtigt. Seine Beurteilung der Missionsaktivitäten der neuen Bettelorden als Ausgangspunkt für eine neue Dimension antijüdischer Hetze und Verfolgung erscheint mir plausibel und soll daher in der Schlussanalyse berücksichtigt werden.

>> Weiter:
Zur Geschichte der Missionsversuche und der Zwangsdisputationen
Die Kontrahenten
Der Verlauf der Disputation

Anmerkungen:
[1]  .172 ע ,בער, פריץ יצחק: לבקורת הוויכוחים של ר' יחיאל מפאריש ושל ר' משה בן נחמן, בתרביץ למדעי הרוח
[2] Heinrich Denifle, Quellen zur Disputation Pablos Christiani mit Mose Nachmani zu Barcelona 1263, in: Historisches Jahrbuch im Auftrag der Görres-Gesellschaft 8, München 1887.
[3] Hans-Georg von Mutius, Die christlich-jüdische Zwangsdisputation zu Barcelona. Nach dem hebräischen Protokoll des Moses Nachmanides, Frankfurt a.M. 1982 (Judentum und Umwelt 5).

hagalil.com 18-09-2006


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