Rabbiner Samson
Rafael Hirsch: Chorew
Versuch über Jisraels Pflichten in der
Zerstreuung
Aus dem ersten Abschnitt:
"Toroth - Geist und Gemüt zum Leben
rüstende Lehren"
Kapitel 14. Selbstbearbeitung
Und nun, Jisrael!
Was ist's, das haSchem dein Gott
fordert von dir?
als nur zu fürchten haSchem, deinen Gott, zu gehen im All Seinen Wegen
und Ihn zu lieben,
und zu dienen haSchem, deinem Gott,
mit dem All deines Herzens und mit dem All deiner Seele;
auf dass du achtest der Gebote haSchems und Seiner Gesetze,
zu denen ich dich heute verpflichte, auf dass es dir gut sei.
Siehe! haSchem deinem Gott,
sind die Himmel und der Himmel Himmel,
die Erde und das All, das in ihr;
- nur an deinen Vätern fand Er Wohlgefallen sie zu lieben
und wählte nun ihre Nachkommen nach ihnen,
euch, aus dem All der Völker, wie diesen Tag.
So beschneidet denn das Üppige eures Herzens
und euren Nacken lasset nicht mehr hart sein.
(V, 10, 12-16.)
denn Ich, haSchem, sei euer Gott;
- erstrebet euch Heiligkeit, so werdet ihr heilig werden,
denn heilig bin Ich - - -
- - - erstrebet Euch die Heiligkeit, so werdet ihr heilig,
denn Ich, haSchem, bin euer Gott.
(III, 11,44.) (III, 20, 7.)
§ 106.
Erkenne, Jisraels Sohn und Tochter Jisraels, erkenne deine
Aufgabe in dem, was haSchem, dein Gott von dir fordert, - und mache dich
tüchtig, um sie ganz zu erfüllen.
Diese Tüchtigkeit besteht aber nicht sowohl im Besitz äußerer Mittel, nicht
im Besitz der Kenntnisse, nicht im Besitz von Kunstfertigkeit, sondern
besteht ganz vorzüglich in Herzensreinheit und in Gesinnungslauterkeit und
in Strebensheiligkeit. Sie besteht ganz vorzüglich darin: dass Herz und
Gesinnung frei seien von allem, was sich stelle zwischen deine Aufgabe und
dich, und versehen seien mit aller Kraft der Lebensweihe, die dein Beruf
fordert.
Sieh! mein Sohn, meine Tochter, sieh!
Dazu genügt es nicht, nur so geradezu ins Leben hineinzuleben, und höchstens
den Wunsch mitzubringen, auch gut zu leben; dazu müsst ihr erst selber euch
bearbeiten, dass ihr auch gut leben könnt, sonst bleibt der Wunsch nur
Wunsch - und hört unter allen Wünschen dann auch am ersten auf - selbst nur
Wunsch zu sein.
§ 107.
Worauf es dann am meisten ankommt, lehrt euch Gottes Lehre
selber; Beschneidet das Üppige eures Herzens, und brechet den starren
Hochmut eures Sinnes - und dann erstrebt euch die Heiligkeit. - Ihr habt's
schon erkannt,
Taawah und Gaawah, Gelüst und Stolz sind die Eltern jeder
Sünde, sind die Feinde eines Berufs; sie trägt jeder in sich, - der eine
viel, der andere wenig, - der eine bewusst, unbewusst der andere; - sie
bekämpft, sie bekämpft, sie rottet aus mit letzter Wurzelfaser. Das ist die
Arbeit, zu der diese Torah euch ruft; und dann - in das lichtgeräumte Feld,
pflanzt ein die Heiligkeit, die euer ganzes Wesen zum Gottesdiener weiht.
§ 108.
Dazu gehört zuerst: Selbsterkenntnis, dass ihr euch selber
kennet, Herz und Gesinnung kennet, und, ohne Täuschung, selber wisset, wie
viel Gelüst und Hochmut darin hause, und wie und wo sie sich am meisten
zeigen; dass euch kein Winkelchen eures Innern fremd bleibe: Dann habt den
festen, festen Willen, euch zu befreien von solchen Leben tötenden Feinden.
Seiet stets aufmerksam auf euch selber, wacht über jede Herzensregung und
unterdrückt jeden unlauteren Wunsch im Aufkeimen; wacht über eure Gesinnung,
und beugt alles Stolze, brecht alles Starre. Setzt euch selber Aufgaben;
selbst Erlaubtes versagt euch zur Übung, über eure Pflicht zu leisten spornt
euch an; - auf dass es euch leicht werde, Verbotenes zu meiden und eure
Pflicht zu erfüllen. Und jeden Tag beschließt mit Selbstprüfung wie euer
Herz und eure Gesinnung gewesen den Tag über; ob ihr fort- oder
rückgeschritten, - reiner euer Herz, bescheidener euer Sinn geworden, oder
üppiges Unkraut im Herzen aufgeschossen und ihr starrer geworden seid.
Täuschungslos, streng und unbestechlich seid euer eigener Richter, verzeiht,
entschuldigt euch nichts; und erneut immer den Entschluss zum "Vorwärts" für
morgen.
§ 109.
Aus der Tora erschaue sich jeder sein Bild, was und wie er
mit seinen Fähigkeiten, Anlagen, Kräften, in solcher Umgebung, auf dem Fleck
und in der Zeit sein könnte, sein müsste. Dieses heilige Vorbild schwebe ihm
stets vor Augen, sei Ziel seines Wünschens und Strebens, - sei Muster, mit
dem täglich das nun wirklich gelebte Leben verglichen werde. Was vor dem
Geist dieses Bildes als üppiger, unlauterer Herzensaufschluss erscheint,
werde zurückgedrängt, ausgerottet; was starr in dieses Bildes Form sich
nicht fügt, werde gebrochen. - Was ihr schon errungen, sei euch nichts, -
sei euch nur Bürgschaft, dass ihr mehr werden könnet; - und immer vorwärts
locke euch euer selbsterschautes, heiliges Vorbild.
§ 110.
Früh, schon im Knaben und Mädchen, muss dieses Leben mit
sich selber, dies Bearbeiten des inneren Selbst beginnen, wo noch jung ist
das Unkraut, wo erst sich härtet der Nacken, - und enden - mit dem Tod.
Wer nicht früh schon sich übt in diesem inneren, nur von Gott geschauten
Umgang mit sich selbst, - den fasst des Lebens Zerstreuung, und ergeht von
der Wiege bis zum Grab - und hat, ach, sich im Leben - das Leben nicht
errungen.
§ 111.
Es ist schwer? Ja, freilich ist es schwer, - aber, wie dem
Unlauteres Erstrebenden Tür und Tore offen stehen, - also hilft Gott selber
dem, der Lauterkeit anstrebt. Wollet nur, wollet nur ernstlich euch
Heiligkeit erstreben; so werdet ihr auch heilig werden, denn Ich, haSchem,
bin ja euer Gott, - also lautet unserer Lehre Ruf.
- Und dann? Wie?
Dass ihr euer Brot habt, leiblich nicht sterbt, dafür rüstet ihr euch emsig
und früh mit Kenntnis und Fertigkeit; dass ihr aber mit diesem leiblichen
Leben nicht dennoch tot seid, tot eurem Lebensberuf, tot eurem wahren Leben,
in Jisraelgeist und Jisraelwandel, - eurem Gott tot seid - da wollt ihr
sprechen von Schwierigkeiten und Mühe??
- Ist's ja euer Beruf, zum Segen zu fördern und zu hüten jedes Wesen, das in
euren Kreis Gott setzt; wohlan, mit eurem eigenen inneren Selbst beginnt
solch ein Segenswirken.
§ 112.
Hören wir nun noch den Sohn Ja'irs, wie er, der selber die
hohe Stufe der Jisraelsgrösse erstiegen, uns die Strecken bezeichnet, die
allmählich zu dieser inneren Höhe hinaufleiten.
Torah, also sind seine Worte (nach der im
Rif rezipierten Lesart des Jeruschalmi), Torah führt zur
Achtsamkeit, diese zur Rüstigkeit, diese zur Schuldlosigkeit, diese zur
Enthaltsamkeit (Meiden der Schuldgrenze), diese zur Reinheit, diese zur
Heiligkeit, diese zur Demut, diese zur Sündenfurcht, diese zu heiliger
Gottesbegeisterung, diese zur Demut, diese zur Sündenfurcht, diese zu
heiliger Gottesbegeisterung, diese zur Liebeshingebung (Chassidut).
Und der Sinn: Kenntnis des in der Torah ausgesprochenen Lebensberufs
bringt zuerst ein Bewusstsein des Guten und Bösen, entwickelt sich zuerst in
Schuldlosigkeit, damit du im Leben jede wirkliche Schuld meidest, das Böse
nicht Tat werden lässt, dann in Enthaltsamkeit, noch immer im äußeren Leben,
selbst die Nähe des Bösen meidest und dich selbst des Erlaubten enthaltest,
wenn es nahe an Unerlaubtes grenzt; dann wird, erst innere Aneignung in
Herzens- und Sinnes-Reinheit, auf dass du auch nicht einmal eine Regung und
Gedanken des Bösen aufkommen lässt; - dann Heiligkeit, wo erstorben ist alle
unerlaubte Taavah; - und dann Demut, wo erstorben ist jede Gaawah,
und du, dich selber aufgebend, nur den Anspruch Gottes und der Welt an dich
kennst.
Dann gewinnst du Kraft in Sündenfurcht, dass du so, über alle
Selbstrücksicht erhaben, nur die Sünde fürchtest; - Begeisterung, dass du
auf solcher Höhe begreifst das Leben und sein Ziel, jeden Moment
überschauest, und, von Gott erleuchtet, das Gute, und Heilbringende in Ihm
erkennst;
- - - und wirst in solcher Kraft, mit solchem Geist: Chassid, ein
Mensch, der, für sich nichts seiend, alles für andere ist, und nur dem Heil
des ihn umgebenden Kreises der Welt lebt.
- - - Bemerke hierein Zweifaches:
1) wie jede Stufe der inneren Tüchtigkeit durch Tat-Übung im äußeren Leben -
durch Tun und Lassen, erstiegen wird;
2) wie Prischut, Enthaltsamkeit, nur erst eine sehr frühe
äußere Stufe zum Chassidut, der höchsten, ist; und spiele nicht mit
dem Namen "Chassid", dass du ihn Männern zuerkennen willst, von denen
du nur Prischut kennst, die, wie bemerkt, selbst wo sie rein ist, nur
eine Stufe zur Meisterschaft des Lebens ist, zum Chassidut,
geschweige denn, wo du selbst Prischut
nicht gewahrst, und nur eine Heiligkeitsgebärde siehst.
Rabbi Moses Ben Nachman:
Brief des RaMBaN
an seinen Sohn
Der "Brief über
Bescheidenheit"...
hagalil.com
15-09-2004
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