antisemitismus.net / klick-nach-rechts.de / nahost-politik.de / zionismus.info

haGalil onLine - http://www.hagalil.com
     

hagalil.com
Search haGalil


Newsletter abonnieren
Bücher / Morascha
Koscher leben...
Jüdische Weisheit
 
 

JIDDISCH - Die Mameloschn

Eine Sprache, ihr historischer und kultureller Hintergrund

Ein Vortrag von Chaim FRANK, 20.03.1997

II.Teil

Mitteljiddisch

Das ''Mitteljiddisch'', welches S.Birnbaum in die Zeit von 1450 bis etwa 1650 (und Otto F. Best zwischen 1500 bis 1750) ansetzt, besaß zum Unterschied zum 'Alt-Jiddisch' bereits eine Selbständigkeit nicht nur als Sprache, sondern auch in seiner Schrift.
Aus der Periode des ''Mitteljiddisch'' hat sich wesentlich mehr, auch Dank der Erfindung der 'schwarzen Kunst' erhalten.

Die Autoren griffen zunächst wieder auf die 'klassischen' Themen zurück (also auf geistliche, biblische Stoffe) und versuchten den Leser von den vielgescholtenen 'törichten Bychern' abzubringen.
Aus Bibel und Midrasch schöpfte z.B. Mosche ESRIM WeARBA mit epischen Gedichten in seinem ''Sefer m'lochim'' (Buch der Könige); -
und auch das ''Sefer schel Rav Anschel: Markevet ha-Mischna'' (Wagen des Wesirs), war ebenfalls nichts anderes als ein 'jiddisch-teutsch-hebräisches' Glossar zur Bibel.
Rabbi Ascher LEML stellte es zusammen und veröffentlichte es im Jahre 1534.
Vor allem das ''BOVO MA'AßE'' (Bovo-Buch) des aus Neustadt stammenden Elia LEVITA-BOCHER (1469-1549), war überaus beliebt. Levita hatte dieses Werk zwar 1507 verfaßt, doch das Buch gelangte erst im Jahr 1541 zum Druck.
Seine 650 Strophen umfassende Dichtung, war keineswegs 'rein' religiös, sondern richtete sich mit einer gewissen Ironie und spöttischem Unterton gegen die frühere Ritter-Welt. In einigen Anspielung verweist der Verfasser auch auf die Geschichte der jüdischen Könige, und meint in diesem Zusammenhang, mittels einer damals volkstümlichen Moral, daß man sich vor bösen Weibern in acht nehmen solle:

  • ''Drum libe hern ir solt schouen
    was umglik kumt fun den besen weibn...
    seht was Schlome HaMelech buchr schrejbn,
    wie er sucht ein frou ein rejne
    un al sejn tag fand er ni kejne
    .''
  • Doch nicht alle Bücher waren gegen die 'liderlich froun' gerichtet, sondern es erschien auch eine große Anzahl sogenannter ''Muser''-Bücher (hebr. Musar, Moral) für die brave jüdische Frau.
    Sie sind als Sammlung traditioneller Vorschriften für die, des Hebräisch nicht mächtigen, jüdische Frau entstanden. Sie dienten ihrer Erbauung und Belehrung. Deshalb wurde dieses Jiddisch zeitweise auch ''wajber-tajtsch'' genannt.
    Als Hörprobe eines ''Muser-Textes'' habe ich für Sie die 5. Strophe eines Schabbat-Gedichtes gewählt, welches von einem gewissen BENJAMIN aus Zürich im Jahre 1574 verfaßt wurde:

  • Am schabeß sölen sejn drej eßen berajt
    as unds di vejsen lejren.
    Ouf dem tisch sölen vesen gemajt
    Smieres sagen se'eren
    fergest trourikajt unde al das lajt,
    das günt öich got der here,
    ir sölt an'tuen ajn guetes klajt,
    dem hailigen schabeßß zu ejren
    ei, seks tagen beschuef got himel unde erd
    am sübenden ruet got der verd.
  • (Am Shabbat sollen 3 (warme) Speisen bereitgehalten werden, wie es uns die Weisen lehren. Man solle beten und die Traurigkeit und das Leid vergessen, das gönnt uns der Herr; und man soll schöne Kleider anlegen, um den heiligen Schabbat zu ehren...)

    Ein anderes, ebenso interessantes Dokument aus dem ''Mitteljiddisch'', ist die ''Klageschrift des Götz von Fiderholz''. In diesem, an die jüdische Gemeinde zu Regensburg gerichteten Brief, klagt Götz über seinen Stiefvater Mendel:

  • ''Menzel schames, ich tue ach das zu visen un kol haKa'al zu sagen den groosen gevalt un das groos unrecht, das uns waaisen ist viderfaren in Regenspurk fon unserem stiffater Man...
  • Götz beklagt sich, daß sein Stiefvater, der bereits einen ansehnlichen Anteil von der Mutter bekam, nun, nach ihrem Tode alles, auch seinen Erbteil und das Haus an sich gerissen habe. Das Geld, das der leibliche Vater eigentlich für die Schulbildung der Kinder zurücklegte, war längst von Mendel vergeudet.
    Und schlimmer noch: Als Götz bei Mendel wegen seinem Erbteil vorstellig wird, da ließ ihn der Stiefvater kurzerhand vom Erbhof vertreiben.

    Mit bitterem Ton schließt Götz von Fiderholz seine Klageschrift:

  • ''Volt got fon himel, das di byrger un aajn ganze gemaajn fon regenspurk solt visen den groosen gevalt, der mir geschicht, mir armen man, fon dem Mendel, mejnem stif-fater.
    Es möcht got fon himel der-barmen.
    Ich, göz fon fider-holz.''
  • Der G't im Himmel hatte leider kein Erbarmen, ... auch nicht mit den Regensburger Juden. Denn ein Jahr später, im Februar 1519, wurden sämtliche Juden aus Regensburg vertrieben, die Synagoge und der alte jüdische Friedhof von den 'braven Regensburger Christen' dem Erdboden gleichgemacht.

    Man sieht, nicht erst in unserem Jahrhundert wurde nach dem Leben der Juden getrachtet, schon seit dem Mittelalter wurde seitens der kirchlichen und weltlichen Macht vielerorts in Europa der Haß gegen Minderheiten geschürt, was unzählige Opfer forderte.

    Neben den wenigen Dingen, die die Juden während der Verfolgung und ihrer Flucht aus Deutschland, Österreich, aus Böhmen und Mähren mitnehmen konnten, war ihre Sprache, das Jiddisch.
    Die Chachamim und religiösen Gelehrten verstanden und schrieben daneben natürlich auch Hebräisch.

    Die Händler und Handwerker, die sich mit ihrem neuen Klientel zu verständigen hatten, erlernten allmählich die Sprache ihrer neuen Niederlassung und nahmen selbstverständlich Grundbegriffe auch in ihrem ''Tajtsch'' auf.

    Damit steht für den Sprachwissenschafter eindeutig fest, daß sich hier die jiddische Sprache, erstmals und zwar grundsätzlich in Ost- und West-Jiddisch spaltete.

    1. Das West-Jiddisch blieb zwar bestehen, wurde bei der Vertreibung der Juden unter anderem nach Elsaß, Frankreich und Oberitalien getragen und erlebte in Deutschland und Österreich - so, wie die deutsche Sprache selbst - größere Reformen und endete schließlich in einer assimilierten Verstummung.
    2. Das Ostjiddisch hingegen, das zur Hauptsprache der Juden im gesamten osteuropäischen Raum wurde, erreichte im Verlauf der Zeit anhand verschiedener Entwicklungen die Stufe einer vollausgebildeten Schriftsprache; das allerdings erst seit dem frühen 19. Jahrhundert.

    Ostjiddisch

    Das Ostjiddisch blieb aber nicht einheitlich als solches bestehen, sondern verteilte sich regional in nord-östliches, süd-östliches und zentral-östliches Jiddisch auf.

    Als Vergleich dienen hier die deutschen Mundarten, wie beispielsweise das Berlinische, das Bayrische, das Hessische oder Schwäbische, wo man ebenfalls sofort die regionale Herkunft des Sprechers erkennt.

    • Das Zentral-Ost Jiddisch erstreckt sich über die Region von Polen über Karpathorußland und Ukraine hinunter bis zur Krim; -
    • das Nord-Ost Jiddisch erfaßt die Pribaltischen Länder (Estland, Lettland und Litauen) sowie einen Teil Belo-Rußland (bis etwa zum Pripjat-Fluß); -
    • und das Süd-Ost Jiddisch verläuft, als kleinerer Bereich, von der Bukowina, über Rumänien und Bessarabien hinunter in Richtung nach Odessa.

    Die wesentlichen Unterschiedsmerkmale machen sich, abgesehen von den slawischen Elementen, vor allem im ''O'' und ''U'', sowie im ''AJ'', ''EJ'' und ''OI''-Vokalismus der Dialekte bemerkbar. (Sie zeigen aber keine Wirkung auf die Orthographie der jiddischen Schrift-Sprache!)

    Hierzu möchte ich Ihnen nun ein Beispiel geben und einen kurzen Text in ''zentral-ost-jiddischer'' Ausprache lesen. Es ist dies ist eine Zeugenaussage aus dem Jahre 1579 vor dem jüdischen Gerichtshof zu Koousmer (Koousmer ist Kazimierz bei Krakau):

  • Izindert ejn jour bin ich ibern iam gezoegen, dou bin ich gekimen ken rodos, dou bin ich krank gewooren, dou is an alter jid gekimen zi mir in hot mich gefreegt, fin wanen ich weer.
    Dou hob ich ges'prochen: fin krouke. Dou hot er ges'prochen, er wer ouch fin krouke, ober baai lange iouren: izindert ken ich niement nit...
  • Der ganze Text nochmals, jedoch in ''süd-ost-jiddischer'' Aussprache:

  • Azind ajn jur bin ich ibern iam gezoign, do bin ich gekumen ken rodos, un do bin ich krank geworn, (do) is an alter jid gekumen zu mir un hot mich gefregt, fun wonen ich wer.
    Do hob ich ges'prochn: fun krokke. Do hot er ges'prochn, er wer oich fun krokke, ober far lange iurn: azind ken ich niement nischt...
  • Ins Deutsche übertragen lautet der Text:

  • Vor einem Jahr fuhr ich übers Meer (iam), da kam ich nach Rhodos und da wurde ich krank. Da kam ein alter Jude zu mir und frug mich, von wo ich wäre. Da sagte ich: von Krakau. Da sagte er, er wäre auch von Krakau, aber vor vielen Jahren: jetzt kenne ich keinen mehr...
  • Aus 1614, also vier Jahre vor dem Dreißigjährigen Krieg (1618-48) stammt eine andere Zeugenaussage und zwar vor dem jüdischen Gericht in Florianow (d.in Ostpolen, heute Westukraine). Es war die Zeit der ersten Kossaken und Bauernaufstände gegen Polen.
    Ein Zeuge gibt im Namen 11 anderer Bürger zu Protokoll, daß sie, als sie beim Heer waren, gesehen haben, wie ein Jude, Boruch ben Hakodesch Aron aus Tischwitz, 2-3 mal während des Krieges zu den Moskwitern übersprang. Er habe auch gesehen, daß man dem Juden vom Wald aus nachgeschossen, und daß die Ladung ihm im Rücken gesteckt habe...

  • Mir 11 balbatem saajn im chaiel gevesen, is arous ges'pringen a jid, brouche ben ha'koudesch aaren mi'Tischwiz, hot gedient ouf 3 sisem, is gespringen zim chaaiel schel moskviter 2 ve 3 peoumem kesejder ha'milchoume. Di moskvitern hoben goiver gewesen, is der jid zi'rik ges'pringen, asoi hot men im nouch'geschosen ous dem wald. Hob ich gese'en di loudink schtekn im am riken... (3)
  • Dieser Text ist wie das vorherige Beispiel in Zentral-Ost-Jiddisch, wobei im Gegensatz zum anderen bereits wesentlich mehr hebräische Worte zu finden sind.

    Zahlreiche solche kriegerische Auseinandersetzungen, sowie der anschließend stattfindende 30jährige Krieg versetzten das Land und die Bewohner der Shtetls und Dörfer in Angst und Schrecken.
    Überhaupt, als 1648 der Aufstand unter der Führung des Bogdan CHMELNIZKIs ausbrach, der sich von der Ukraine aus, eigentlich gegen die polnische Oberherrschaft richtete. Es kam nicht nur zu einem tragischen Wendepunkt in der Geschichte Polens, sondern in besonderem Maße in der Geschichte der polnischen Juden.

    Die Kriege gegen die Ukraine, gegen Rußland, Schweden, Türken usw., zwischen den Jahren 1648 - 1717, verursachten den tragischen Niedergang der Shtetln und Städte. Die Zahl der Toten jener Jahre wird auf rund 700 Tausend Menschen berechnet, in der auch die Schätz-Zahl von etwa 125 - 160.000 Juden enthalten ist.

    Während der zunehmenden PAUPERISIERUNG, also der allgemeinen Verarmung, entstand quasi aus der Not heraus eine neue jüdisch-mystische Bewegung. Es war die Antwort der Gequälten, auf die nicht erfüllte Hoffnung, mit der sie der Pseudomessias SABBATAI ZWI und seine Anhängerschaft enttäuschte (4), als er die Ankunft des Messias verkünden ließ. Insofern geschah eigentlich nichts anderes als ein schöpferischer Prozeß der religiösen Verinnerlichung: Es begann der CHASSIDISMUS.

    III. Teil: Der Chasidismus
    Zurueck zum I.Teil

     


    Spenden Sie mit PayPal - schnell, kostenlos und sicher!
     

    haGalil.com ist kostenlos! Trotzdem: haGalil kostet Geld!

    Die bei haGalil onLine und den angeschlossenen Domains veröffentlichten Texte spiegeln Meinungen und Kenntnisstand der jeweiligen Autoren.
    Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber bzw. der Gesamtredaktion wieder.
    haGalil onLine

    [Impressum]
    Kontakt: hagalil@hagalil.com
    haGalil - Postfach 900504 - D-81505 München

    1995-2014 © haGalil onLine® bzw. den angeg. Rechteinhabern
    Munich - Tel Aviv - All Rights Reserved