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Jüdische Weisheit
 
 

JIDDISCH - Die Mameloschn

Eine Sprache, ihr historischer und kultureller Hintergrund

(Ein Vortrag von Chaim FRANK, 20.03.1997)

III.Teil

Der Chassidismus

Die CHASSIDIM (hebr.: die Frommen) sind orthodoxe Juden, in der Tradition einer Erweckungs-Bewegung, die im 18.Jahrhundert wie ein Fieber religiöser Begeisterung in der Shtetl-Welt ausgebrochen war.

Der Chassidismus entstand zuerst in Podolien (Südwest-Ukraine) und setzte sich sehr bald, als herrschende Form jüdischer Frömmigkeit, in Polen, Galizien, Böhmen, Rumänien und in andere osteuropäischen Ländern durch. Gerade in den verarmten Bewohnern der Shtetls fand er seine Anhänger.
Die Chassidim waren in allen Berufen und Schichten vertreten. Jeder hatte seinen Alltag mit Hingabe und Freude zu erfüllen.
Die Bewegung entwuchs aus einer tiefen Sehnsucht, bei der die Menschen das wesentliche Gefühl genießen wollten, ''G'Tes-Geschöpfe'' zu sein. Beim innigen Gebet wollte und sollte man die Mühen des täglichen Lebens vergessen. Ihr Motto war, eine uns heute längst schon abhanden gekomme Weisheit:

  • Wer die Traurigkeit und Sorgen über sich gewinnen läßt, der errichtet eine Barriere zwischen sich und seinem G'T; ...und, wer gesündigt hat kann jederzeit umkehren; ewiges Lamentieren oder schlechtes Gewissen, hindert den Menschen geradezu daran sein Leben hinkünftig besser zu gestalten.
  • Ein wesentliches Merkmal des Chassidismus war die Aufhebung religiöser Wertunterschiede zwischen rabbinischen Funktionären, Gelehrten und dem einfachen Volk. Jeder Fromme, egal welchen Standes, konnte - mittels seiner aufrichtigen Glaubenskraft - die Stufe eines Zaddiks, eines Gerechten, erreichen. Die Zaddikim besaßen Ansehen und hatten nicht selten ein mächtiges und weitreichendes Wort. Manchen von ihnen wurde sogar die besondere Kraft von Wundertaten nachgesagt.

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    Noch bis kurz vor dem II. Weltkrieg gab es mehrere bedeutende Zaddik-Dynastien mit prunkvoller Hofhaltung, sie lagen verstreut in Ostgalizien, in Weißrußland, in Podolien sowie auch in rumänischen und bessarabischen Gegenden.

    Überreste solcher Zaddik-Dynastien findet man noch heute, allerdings nicht mehr in Osteuropa, sondern vor allem in Amerika, in Israel und, in der jüdisch-belgischen Stadt, Antwerpen.
    Hier haben sich die Anhänger-Scharen der 'Lubawiczer'-Rebben (genannt nach dem Ort Ljubowitsch bei Moghilew), der 'Belzer'- Rebben (nach der Stadt Belz in Moldavien) und 'Satmarer'-Rebben (eine Stadt in Rumänien) um ihre religiösen Führer versammelt.

    Einer, von vielen berühmten chassidischen Meister, war der Rabbi NACHMAN von Braslav (5), ein Urenkel des berühmten Ba'al SchemTov, der vor allem durch seine wunderlichen, allegorischen Geschichten bekannt geworden ist.
    Martin Buber nannte ihn 'den einzigen jüdischen Märchendichter'.

    Natürlich kann ich Ihnen hier wiederum nur einen kurzen Abschnitt bieten, aus einem Text, den Nachman's Schüler Nathan ben Naftali Herz im Jahre 1800 niederschrieb. Ich lese es in Süd-ost-Jiddisch:

  • ''Eß is faranen a barg, un af dem barg schtejt a schtejn, un fun dem schtejn gejt a kwal.
    Un itleche sach hot a harz, un di welt inganzn hot oich a harz.
    Un doß harz fun der welt is a ganze kuime mit a punem un mit hent un fiß.
    Un der barg mit dem kwal schtejt in ejn ek fun der welt, un doß harz fun der welt schtejt in dem andern ek fun der welt.
    Un doß harz schtejt akegn dem kwal un glußt un benkt tomed sejer, as eß sol kumen zu dem kwal. (...)
    Un as doß harz sol chas-veschulem oiß gejn, wolt gur di welt churev geworn, wurn doß harz is oich doß chaie fun itlecher sach, in wi kon die welt a kiem hubn on dem harz?
    ''
  • (Der kluge Rabbi stellt sich vor, daß alles quasi ein Lebewesen ist. Denn selbst ein Berg und auch etliche andere Sachen, haben ein Herz, die sich sogar nach einander sehnen. Und wenn - G'T behüte - das Herz erlöschen sollte, werde die Welt gar in Trümmern gehen...)

    Solche Anschauungsweisen, die im 18. Jahrhundert natürlich weit verbreitet waren, rühren einem auch heute noch, gerade durch ihre fromme, fast kindliche Naivität.

    Seinerzeit jedoch traten die Maskilim, die Aufklärer, vehement gegen alles - wie sie es meinten - 'Rückständige' auf. Der Berliner Historiker Josef MEISL (6) schrieb einmal über die 'Aufklärer':

  • ''Die HaSkala war jene Bewegung im Judentum des 18. und 19. Jahrhundert in Mittel- und Osteuropa, die durch Sprengung der traditionellen Formen die Synthese zwischen jüdischem Wesen und den Schöpfungen der Umwelt herstellen und damit einen neuen Typus des in der jüdischen und allgemeinen Kultur wurzelnden Juden schaffen wollte.''
  • Einer der bedeutendsten Vertreter der Aufklärung in Deutschland, war der Philosoph Moses MENDELSSOHN. Vor allem graute es ihm vor dem ''Jargon'' - der Sprache - der Ostjuden.
    In einem Brief an seinen Freund Klein schreibt Mendelssohn 1782:

  • ''Ich fürchte dieser Jargon hat nicht wenig zur Unsittlichkeit des gemeinen Mannes beigetragen, und verspreche mir sehr gute Wirkung von dem unter meinen Brüdern seit einiger Zeit aufkommende Gebrauch der reinen Mundart.''
  • Unter 'reiner Mundart' verstand Moses Mendelssohn natürlich nicht ein einheitliches Jiddisch, sondern die 'reine' deutsche Sprache, in die er die 'heiligen Bücher' der Juden - wie Thora, Psalmen u.a., zum Schock seiner jüdisch-orthodoxen Zeitgenossen -, übersetzte.
    Darüber hinaus bemühte er sich, gemeinsam mit seinen Freunden Ephraim Lessing und Christian Wilhelm Dohm, um die Emanzipation der europäischen Juden.

    Die Aufteilung Polens: Preussen, Oesterreich, Russland

    Der Blick in die Geschichte zeigt, daß im 18. Jahrhundert die politische Aufteilung Polens vollzogen wurde, mit der nun die bis dahin gewissermaßen homogene jüdische Lebenswelt gleichfalls in drei Teile aufgeteilt worden ist.

    Die Juden, die den Preussen zufielen, wurden unter Friedrich II. mehr-oder-weniger 'assimiliert'. D.h. durch die allgemeine Schul- und Wehrpflicht wurde nicht nur die Assimilation beschleunigt, sondern gleichzeitig versucht, den Juden von seiner religiösen Tradition auch innerlich zu distanzieren. Folgedessen galt nun der preussisch gewordene Jude für die übrigen Ostjuden, als 'Teitscher' und schlimmer noch als 'Golech' als Rasierter, weil er neben dem traditionellen Bart auch andere jüdische Gewohnheiten ablegte.

    Die Entwicklung in Galizien, das nun Österreich zufiel, und wo auch ein reichhaltiges Shtetl-Leben zu finden war, verlief weniger glücklich. Hier zeigte sich alsbald der herabwürdigende Umgang der Habsburger gegenüber ihren neu hinzu gewonnenen Untertanen verschiedenster Volksgruppen.
    Zum einen wurde unter MARIA THERESIA die alte Autonomie der Juden weitgehend eingeschränkt, und anderseits trug auch ihr Nachfolger so gut wie nichts zur Hebung des Lebensstandards bei.

    Kaiser JOSEPH II. gab gleich zu Beginn seiner Regentschaft einen Erlaß heraus, der die Juden zwang bürgerliche Namen anzunehmen (7). Gerade in diese von 'treuen' Beamten vollzogenen Maßnahmen zeigte sich die ganze Willkür und Verachtung der Habsburger gegenüber ihren Juden; was sich offenkundig in der Vergabe von Ekel-und Spottnamen bemerkbar machte (8)

    Die galizischen Juden, die dem österreichischen Staat zugefallen waren, auch wenn ihnen ab 1870 die Emanzipation zuerkannt wurde, erlangten erst viel spät den Weg in die tatsächliche Freiheit.
    Unter solchen Umständen war es verständlich, daß viele Juden die Revolution von 1848 mit Freuden aufnahmen (9). Die Begeisterung war in der Tat sehr groß, wie wir es aus dem Ausruf von Isaak Juda ben Abraham entnehmen können, den er am 20. März 1848 in Lemberg an die jüdische Bevölkerung richtete (10):

  • Wus is dus asoinz geschejen in Wien in in Lemberg?

    Libe harzedike brieder, heirts a puur werter, wus senen aach zind najtik zi wisn.

    Ez (h)ot minestame schoin gehejrt, as es (h)obn sech arlofnwinderleche sachn in Wien un Lemberg, in ez (h)ot efscher gur moire, as es wet noch epes schlechts derfirn arous kimen.

    Iber dejm wil ech aach akorat der'zailn in der'klern, wus es (h)ot sech getien in far wus es (h)ot sech asoi getien, kedaj as ez solt aan sejen, wus far a nisem schemisbuurech (h)ot bavisn in wus far a toives es senen schoin arois'gekimen, in wus far a gits es wet noch arous'kimen far ale mentschn, s mejgn san jidn oder go'im, wus es senen nor du in ale lender, wus es kejrn zim estra'achischn kajser.
    (Sprache: Zentral-Ost-Jiddisch)

  • Das eigentliche Gros der Ostjuden, die in der typische Shtetl-Welt lebten, fielen an das russische Zarenreich. Die nun zu Westprovinzen gemachten Länder - das war das restliche Polen, Litauen, die Ukraine, Podolien und Bessarabien - wurden für die Juden als TCHUM-Gebiet, als sogenanntes 'erlaubtes ANSIEDLUNGS-RAYON' bestätigt.

    Die Einreise ins zentrale Zarenreich, mit seinen damals noch ungenutzten wirtschaftlichen Möglichkeiten, blieb für Juden - mit wenigen Ausnahmen - bis ins 19. Jahrhundert verwehrt.

    Die russische Verfassung, die den Juden noch nie wohlgesinnt war, versuchte ihre neuen Bevölkerungsgruppen in ihr zaristisch-bürgerliches System einzubinden; und hob gleichzeitig damit die bis dahin existierende jüdische Kulturautonomie auf.
    Abgesehen von vielen judenfeindlichen Verordnungen, kam auch noch unter Zar NIKOLAI I. Pavlowitsch (1796-1855) die Zwangsrekrutierung hinzu, und zwar für 12-jährige Knaben, für die Dauer von 25 Jahre.
    Das Ziel war, die männlichen Juden von ihrem Glauben abzubringen.

    Erst unter Zar Alexander II. Nikolajewitsch (1818-1881) schien es, als würde sich eine leichte Verbesserung abzeichnen, indem er die strengen Ukas seiner Vorgänger teilweise aufhob bzw. zurücknahm.
    Doch gleich nach seiner Ermordung, im Jahre 1881, kam es wieder zu blutigen Pogromen, da man die Juden für das Attentat verantwortlich machte.
    Die Revolutionäre sahen in diesen mörderischen Ausschreitungen das Zeichen einer ''Volks-Gaehrung'', und die zaristischen Beamten schürten ihrerseits die Pogrome quasi als Ventil, jenes Dampfes, der sich sonst womöglich gegen sie richten könnte.
    An diesem 'Spiel' war auch der bekannte Fjodor Michailowitsch DOSTOJEWSKI (1821-1881) beteiligt, der mittels seiner seit 1845 bis zu seinem Tode verfaßten Schriften 'Tagebuch eines Schriftstellers', provokant kräftig an diesem Antijudaismus mitschürte.

    Innerhalb des Ostjudentums erhielt die Aufklärung allmählich ebenfalls größere Beachtung. Die Belehrung richtete sich inzwischen nicht gegen den ''Jargon'', sondern erfolgte ab 1750 gerade mittels der jiddischen Sprache (dem ''Neujiddisch''), und zwar in Form von Erzählungen, Romanen, Dramen und aufklärerischen Schriften.

    Zum IV.Teil: Neujiddisch

    Zurueck zum I.Teil

     


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