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Jüdische Weisheit
 
 

JIDDISCH - Die Mameloschn

Eine Sprache, ihr historischer und kultureller Hintergrund

Ein Vortrag von Chaim FRANK, 20.03.1997

I.Teil

Einleitung

Salomo A. BIRNBAUM schrieb im Jahre 1915 in der Einleitung zu seiner 'Grammatik der Jiddischen Sprache':

  • ''Es ist merkwürdig, wie wenig man in der nichtjüdischen Welt vom jüdischen Volk weiß. Dies ist heute nicht anders als in all den zweitausend Jahren''.
  • Birnbaum widmete sein Leben speziell der Erforschung der jiddischen Sprache und Literatur. Und damals hatte er einen sehr wesentlichen Vorteil, im Gegensatz zu heute: Osteuropa bot ihm für seine Forschungsarbeiten einen reichhaltigen 'Weide-Platz', wo er die vielfältigsten Studien über die Formen, Charaktere und Unterschiede der Sprache der Ostjuden erforschen konnte.

    Das entscheidendste daran war, vor allem für einen k&K-Österreicher, wie Birnbaum, der zahlreiche Forschungsreisen unternahm, daß es für ihn, von Krakow über Galizien - und von der Bukowina bis ins ferne Tarnopol, so gut wie keine Grenzen gab.

    Hier, im östlichsten Gebiet der Habsburg-Monarchie, grenzend an Ostpolen, Belo-Rußija, Südukraine und Bessarabien, befand sich auch eines der Zentren der Shtetl-Welt. Von hier entstammten zahlreiche große Persönlichkeiten: Wissenschaftler, Ärzte, Musiker, Schauspieler, Bildende Künstler und Literaten die die Menschheit mit ihrem Wissen und Können bereichert haben.

    Doch diese Welt der Ostjuden, wie sie Salomo Birnbaum und andere Sprach-Forscher noch bis zum Ausbruch des I. Weltkriegs vorfanden existiert längst nicht mehr.
    Sie ist nicht einfach 'untergegangen' oder 'verlorengegangen' wie man es zu umschreiben versucht - sondern dieser jiddische Bereich ist systematisch vernichtet worden. In diesem Vernichtungs-Prozeß spielte natürlich der I. Weltkrieg ebenso eine große Rolle, wie der spätere, terroristische Stalinismus. Aber den eigentlichenTodesstoß setzte der expansionssüchtige Faschismus mit seiner millionenfachen Ermordung der Ostjuden und der Verwüstung ihres Lebensraumes.
    Mittels dieser Erkenntnis sollte also nicht von etwas 'Verlorenem' oder 'Untergegangenem' gesprochen werden, sondern von einer sinnlosen und brutalen Vernichtung.
    Das Wort 'Vernichtung' - oder wie wir es benennen 'HaShoah' - ist ein Begriff, den wir im Judentum nicht erst aus der jüngsten Vergangenheit kennen; dieses Vokabel ist leider fest in unserer Geschichte verankert.

    Wenn ich Ihnen heute über die jiddische Sprache erzähle, so möchte ich zu Beginn vorausschicken, daß die Sprache der Juden nicht - wie es einige vermuten dürften - das Jiddisch oder auch das Ladino war. Die Sprache der Juden - war und ist bis heute: das Hebräische.

    Erst durch das Diaspora-Dasein, d.h. durch die Vertreibung und die Verschleppung der Israeliten aus ihrem Staat in ferne Länder, begannen die Juden sich in der Sprache ihrer Niederlassungen zu verständigen. Hebräisch jedoch - nun als religiöse Ausdrucksform, als 'Lashon haKodesh', als 'die heilige Sprache' diente fortan im kultischen und synagogalen Bereich. Die Hebräischen Schriften bildeten - egal in welchem Land sich die Juden befanden, der zentrale Mittelpunkt ihres Handelns.

    Die Juden der Diaspora werden in zwei Hauptgruppen geteilt:

    • ASCHKENASIM (die nord- und osteuropäischen Juden)
    • S'FARDIM (die spanischen und orientalischen Juden). Schauen Sie mal unter ''Anyos Munchos y buenos...'' (haGalil onLine: Galluth Jisrael) nach.

    Sie unterscheiden sich in ihren Lebensgewohnheiten, auch im Ritus und teilweise sogar heute noch in ihrer Feiertags-Kleidung. Ein besonderer Unterschied liegt jedoch in ihrer exilischen Umgangs-Sprache.

    So entstand bei den Aschkenasim (Erez Aschkenas ist eine hebr.Bez. für Deutschland) das Jiddisch; und bei den S'fardim (S'farad hebr.Bez. für Spanien) bildete sich das Laddino, welches wie auch das Jiddische eine Mischsprache ist. (Ladino besteht aus alt-spanischen, arabischen und hebräisch-aramäischen Elementen).

    Die Bezeichnung 'JIDDISCH' hat sich in Deutschland erst seit rund hundert Jahren eingebürgert, wo man bis dahin von 'Jüdisch' und 'Juden-Deutsch' sprach; - oder wie es die MASKILIM, die Aufklärer, abwertenden nannten: der 'Jargon'.
    Die Juden selbst verwendeten die Ausdrücke: 'Taitsch', 'Jiddisch' oder einfach nur die 'Mameloschn' - die 'Mutter-Sprache'.

    Sprach-Historisch widerfuhren dem Jiddischen drei Entwicklungsstufen nämlich:
    'Altjiddisch', 'Mitteljiddisch' und 'Neujiddisch'.

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    Altjiddisch

    Die Anfänge dieser Misch-Sprache sind nicht eindeutig geklärt. Sicherlich liegen sie im Zusammenhang mit der Niederlassung der Juden in Deutschland. Aber es wäre falsch anzunehmen, daß die Entstehung auf die Ghettoisierung der Juden zu schließen sei.

    Salomo Birnbaum gibt uns eine logische Erklärung:

  • 'Die Entstehung des Jiddischen wurzelt also in der kultur-schöpferischen Kraft der jüdischen Religion. Sie war grundsätzlich gegeben, als die Juden als Gruppe das Deutsche übernahmen. Das Alter der Sprache ist dem gemäß mit fast einem Jahrtausend anzusetzen. In dem Übergang von der Ur- zur Altjiddischen Periode machte sie die Entwicklung vom Mittel- zum Früh-Neuhochdeutschen mit, gestaltete sich aber immer selbständiger aus.'
  • Das älteste uns bekannte jiddische Sprachdokument stammt aus dem Jahr 1272/73. Es ist der WORMSER MACHSOR (2), wo innerhalb eines hebräischen Textes ein jiddischer Segensspruch eingefügt ist:

  • 'gut tak im betage
    se wer dis machasor in
    beß ha'kneßeß trage!'

    (Ein guter Tag sei dem beschieden, der diesen Machsor in die Synagoge trage.)

  • Hier finden wir also bereits zwei wesentliche Grundsätze:

  • 1) der jiddische Vers ist in hebräischer Schrift geschrieben;
    und 2) die religiösen Begriffe 'machasor' und 'beß ha'kneßeß' (die Synagoge) bleiben in der hebräischen Original-Form stehen.
  • Dieser aelteste Beleg beweist uns also eindeutig, daß es sich beim Jiddischen von Anfang an um eine Komponenten-Sprache handelt. Jiddisch ist eine Misch-Sprache, die aus einem mittel- bzw. frühneu-hochdeutschem Grundelement besteht, welchem vom Anfang an (zunächst zwar noch gering) hebräisch-aramäische, und erst wesentlich später - nach der Vertreibung der Juden - auch slawische Elemente (und Wort-Suffixe) ein- und hinzugefügt wurden.
    Abgesehen davon lassen sich auch altromanische Komponenten nachweisen, wie z.B. das Wort 'antsposen' 'verloben' (vom altfranz. 'espouser'; und d. ital. 'sposare'). Im Neujiddisch ist das 'antsposen' längst schon vom Wort 'far'knaßn' verdrängt worden (es stammt aus d. lat. census 'Geldstrafe', weil für den Verlobungsakt Geld 'bezahlt' werden mußte); - Auch das Wort 'bentschn' 'segnen', läßt sich aus dem Lateinischen, vom 'benedicere', ableiten.
    Auch griechische Spuren lassen sich im Jiddischen entdecken, wie beispielsweise die Worte 'apikoireß' für 'Ketzer' von 'epikuros', oder das Wort 'katoweß' aus 'kata`phasis' für Unsinn, bzw. im übertragenen Sinn auch für 'Scherz'.
    Beispiele dieser Art könnte ich beliebig lang fortsetzen...

    Aus der altjiddischen Epoche hat sich leider nur sehr wenig erhalten. Doch diese frühen Belege genügen, um gemeinsam mit den späteren Schrift- und Druck-Werken, die einzelnen Entwicklungsphasen der jiddischen Sprache nachvollziehen zu können.
    So kennt man (neben dem vorhin erwähnten 'erst 1966 entdeckten' Vers), abgesehen von verschiedenen religiösen Schriften, wie die Talmuderklärungen und Thora-Übersetzungen oder auf biblische Stoffe zurückgreifende Erzählungen, auch eine Art jiddische 'Spielmanns-Dichtung' und 'Heldenepos'.

    Laib FUKS, der Entdecker der sogenannten 'Cambridger Handschrift', die eine Sammlung jiddischer Schriften ist, schrieb diesbezüglich:

  • 'Das jüdische Volk schwärmte in nicht geringem Maße für 'Dukus Horant' (die in Jiddisch bewahrte älteste Version der 'Hildesage'), für Majster Hiltibrant und Ditrich fun Bern als für biblische epische Gedichte wie 'Avro'om ovinu' und 'Joseph HaZadik', die allesamt von jüdischen Spielmännern bearbeitet oder auch verfaßt und dem Geschmack der Juden angepaßt wurden.'
  • In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen eines der bekanntesten jüdischen Troubadoure dieser Epoche nennen: Süßkind von Trimberg (2.Haelfte d.13.Jhdt), er stammte aus Schweinfurt und von ihm haben sich einige humorvolle aber auch nachdenkliche Texte erhalten.
    Aus dem eben erwähnten epischen Gedicht 'Avro'om Ovinu' (Unser Vater Abraham) - möchte ich Ihnen als Hörprobe - die ersten zwei Strophen vortragen.

    Abraham, der erste unser drei Erzväter, entsprach anfangs gar nicht dem jüdischen Glauben, denn er handelte mit 'Apikoireß' mit Götzen, die er, im Auftrag seines Vaters, auf dem Markt verkaufen mußte:

  • Er vaßte si wil ebene
    er machte sich hin vür
    Er korte siene verßen
    zu sieneß fater tür
    Er warf den ßak zume rüken
    er machte sich zu den velden
    Er began di apgote
    se'ere schelden.
    Er sprach: vor woßen apigote
    vor woßen mü'ßet ir sien
    Ir habet vil gar zu'riten
    den armen rüken mien.
    Wil mir der wor'haftige got
    sien hülfe senden
    Ich wil üwern gelouben
    gar vor'ßwenden.
  • (Abraham geht aus dem Haus seines Vaters. Doch bald begann er über die Götzen zu klagen, und fragt sich: 'wozu sind denn die Götzenbilder überhaupt gut?' denn sein Rücken tut ihm schon weh von dem Schleppen der Figuren zum Markt. Wenn ihm der wahre Gott seine Hilfe senden würde, so wolle er sich sofort von ihnen befreien.)

    Dieser Text aus der 'Cambridger Handschriften-Sammlung' stammt aus dem 13.Jahrhundert und gehört zusammen mit dem 'Wormser Machsor' zu den ältesten bisher aufgefunden Sprachzeugnisse.

    Zum II. Teil: Mitteljiddisch, geographische Verschiedenheiten

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