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Koscher leben...
Jüdische Weisheit
 
 

"Wilma, entspann'  Dich":
Zwischen Shalom und venceremos!

Wieder ein offizielles jüdisches Leben auf Cuba?

Von Wilma de Toledo-Gruber (Teil 2)
[Teil 1] [Teil 2] [Teil 3]

Wochenlang saß ich über unserer Reiseroute. In den uns zur Verfügung stehenden 12 Tagen wollten wir so viel wie möglich sehen und kennenlernen. Und möglichst auch an einem Freitag in Santiago de Cuba sein, um dort den Kabbalat Schabbat und den Samstag-G'ttesdienst mit der Gemeinde begehen zu können.

Innenraum der Hatikva-Synagoge in Santiago de Cuba,
im Schrank links, sorgsam gehütete Gebetsbücher

Axel organiserte derweil wunderschöne und repräsentative Geschenke aus Israel, mehrere Kiddusch-Becher mit Unterteller und Hawdalahkerzen. Seitens unseres Rabbiners erhielten wir eine Art Beglaubigungsschreiben, so richtig mit Unterschrift und Stempel. Das sah schon mal sehr spannend aus. Aber endgültig perfekt wurde es, als uns der Vorstand noch für jede cubanische jüdische Gemeinde mit einem offiziellen Begrüßungsschreiben ausstattete. In diesem Schreiben wurde nicht nur über die derzeitige Situation der Juden in Deutschland berichtet, sondern auch unsere Gemeinde vorgestellt. Ich übersetzte dieses Schreiben in's Spanische und dann war es auch schon soweit.

Per E-mail hatte mir die Präsidentin der Hatikva Gemeinde von Santiago de Cuba noch mitteilen lassen, dass sie uns leider nicht kennenlernen könne, weil sie kurzfristig nach Canada fliegen müsse. Wir würden jedoch von Herrn Prof. Julio Aloma und Herren Prof. Eduardo Uribazo abgeholt und während unseres gesamten Aufenthaltes betreut.

Mit Air France flogen Axel und ich also am 15.05.05 zunächst nach Paris und stiegen dort in eine andere Maschine um. Schon lange vorher hatte ich Axel verrückt gemacht wegen meiner Flugangst. Eingedeckt mit einer Menge von Beruhigungspillen klammerte ich mich an seinen Arm. Sein "He Wilma, entspann Dich", tröstete mich nicht wirklich. Wegen des 6-stündigen Zeitunterschiedes landeten wir noch am gleichen Tag in Cubas Capitale.
Den nächsten Tag nutzen wir für notwendige Reiseorganisationen und ein erstes Treffen mit Dr. Miller von Beth Shalom. Wegen unserer bevorstehenden Rundreise durchs Land vereinbarten wir für den 24.05., gleich nach unserer Rückkehr aus Santiago de Cuba, ein festliches Beisammensein mit der Gemeinde.

Adath Jisrael de Cuba

Eingang der Synagoge "Adath Jisrael de Cuba", orthodox, Alt-Havanna

Am Abend besuchten wir auch noch die kleine Synagoge von "
Adath Israel de Cuba"
 in Alt-Havanna und nahmen am Abend-G'
ttesdienst dieser orthodoxen Gemeinde teil. Der Organisator und Verantwortliche, Yacob Berezniak, hatte zuvor schon alle informiert, so dass wir anschließend ungezwungen zusammensitzen und miteinander sprechen konnten. Das Interesse war beiderseitig. Nachdem ich unser Begrüßungsschreiben vorgetragen und auch ein Präsent überreicht hatte im Namen unserer Münchner Gemeinde, beantworteten wir viele Fragen. Wie wir auch später noch feststellen konnten, waren die cubanischen Juden allgemein überrascht zu hören, dass es in  Deutschland wieder ein aktives jüdisches Leben gibt. Die Verständigung klappte hervorragend. Axel parlierte englisch und ich natürlich spanisch. Unser Besuch verlief in sehr herzlicher Atmosphäre. Während eines anschließenden, fast nächtlichen Bummels durch Alt-Havanna erfuhren wir von so manchen ganz privaten Schwierigkeiten oder Kümmernissen. Die Mehrzahl dieser Gemeindemitglieder waren schon älter. Einige kamen aus Russland, Polen oder Argentinien.


"Adath Israel de Cuba", re. Jacob Berezhiak

Am Morgen des 17.05. ging es so dann per supermodernem aber unterkühltem Reisebus von Víazul nach Trinidad. Für dieses mittelalterliche 35.000 Einwohner-Städtchen an der Südküste Cubas hatten wir nur eine Übernachtung geplant. Anschließend ging es sofort weiter in Richtung Santiago de Cuba.

haTikvah, Santiago de Cuba

Professor Eduardo, der mich mit Komplimenten überschüttete

Nach ca.12-stündiger Busfahrt Donnerstag abends endlich am Ziel, schlug uns in Santiago infernalische Hitze entgegen. Wir wurden am Busbahnhof schon erwartet. Die uns angekündigten beiden Professoren standen feierlich am Bus, begleitet vom Wohnungsbesitzer unserer Unterkunft sowie auch vom dazugehörigen Fahrer des synagogeneigenen Jeeps. Zum Staunen hatten wir wenig Zeit. Wir verabredeten uns mit den beiden Professoren für den nächsten Tag und nahmen unsere – für cubanische Verhältnisse luxeriösen Zimmer - in einem im Kolonialstil erbauten Haus in Beschlag. Die Besitzer, ein sehr sympatisches Arztehepaar mit 2 Kindern, servierten uns trotz der mittlerweilen späten Stunde noch ein tolles Essen.
Während der nächsten 4 Tage wurden wir täglich von dem Fahrer und den beiden sehr netten Professoren abgeholt und vollkommen betreut. Man zeigte uns nicht nur die gesamte, unglaublich spannende Stadt, sondern fuhr mit uns auch in die nicht minder interessante Umgebung.

Zuhause bei Prof. Julio und seiner Frau Matilda. Er ist Organisator der Präsidentin und lebt in bescheidenen Verhältnissen

Da unsere Interessen etwas verschieden waren, trennten wir uns hin und wieder. Während Axel seine Englischkenntnise auffrischte und mit Prof. Eduardo durch die Stadt lief, interessierte ich mich mit Prof. Julio vor allem auch für das Leben auf der Straße, die Arbeit in den Werkstätten, die Stimmung auf dem Markt oder für die typisch cubanischen Cafeterias. So entstanden viele Fotos, die für manche Heiterkeit sorgten.

Wie geplant, trafen wir dann am Freitagabend, den 20.Mai, in der kleinen, bescheidenen, aber ältesten Synagoge Cubas ein. 1924 gegründet, feierte sie im vergangenen Jahr ihr 80-jähriges Jubiläum.
Die Synagoge besteht aus einem kleinen Vorraum. An den Längsseiten der Wände sind die Tische aufgestellt, welche bei Bedarf sofort und unkompliziert zusammengerückt werden können. Viele der Bilder sind handgemalt und stammen vom derzeit einzigen jüdischen Kunstmaler, der ebenfalls Mitglied der Gemeinde ist. Das dazugehörige, sehr einfache Gestühl holt man sodann aus dem eigentlichen Betraum (siehe oben). Vorn links, neben der Bima, befindet sich ein längeres Bücherregal. Fast alle Einbände darin tragen hebräische Schriftzeichen. Die Gebete und Lieder der Sidurim sind transkribiert und liebevoll aufgearbeitet für die Mitglieder, welche mit dem Lesen noch Schwierigkeiten haben. Daneben die cubanische Staatsflagge und natürlich der obligatorische Ventilator, gleich im Doppelpack.
Hinter einem Vorhang ruht in einem größeren Fach die ungefähr 200-jährige Torah. In einem kleinen Seitenraum rechts befindet sich die Küche.

Der Eingang zur Hatikvah-Synagoge, Santiago de Cuba

Auch die Hatikva-Gemeinde erhält Unterstützung aus Canada und von amerikanisch-jüdischen Organisationen. Wir wurden sehr herzlich begrüßt und einander vorgestellt. Die Spannung war auf beiden Seiten spürbar.
Als der Schabbat-G'ttesdienst begann, durfte ich als Gast die Kerzen anzünden. Das war für mich besonders aufregend, denn es war das erste mal überhaupt, dass ich diese Broche sprechen durfte in einer Synagoge.

Nach dem G'ttesdienst wurden die Tische und Stühle zusammengerückt, und ich verlas die Grußbotschaft unserer Gemeinde Beth Shalom. Danach wurde aufgetragen, was man zu bieten hatte.

Auch am Samstagvormittag nahmen Axel und ich am G'ttesdienst teil. Die Hatikva-Gemeinde ist liberal. Männer und Frauen sitzen, beten, singen gemeinsam und nicht getrennt. Da es auf ganz Cuba derzeit keinen einzigen Rabbiner gibt, wird der G'ttesdienst von dafür ausgesuchten Gemeindemitgliedern gestaltet, z.B. Marcos Farín - er war extra einige Monate in Israel, wo er sich detaillierte Kenntnisse der Religion sowie einen Grundwortschatz im Hebräischen aneignete. Er stand also mit noch zwei anderen Gemeindemitgliedern vor der Bima, mit dem Rücken zur Gemeinde, und las aus seinem Tanach vor. Aus der zwar ausgerollten Torahrolle wurde nicht gelesen, weil der Schrift ja die Punktierung fehlt und somit das Vorlesen viel zu schwierig ist. Die Gemeindemitglieder beherrschten jedoch sämtliche hebräischen Gebete und Lieder, was uns sehr beeindruckte. Einige Zeremonien, die wir hier gar nicht mehr anwenden, wurden dort ganz akribisch und feierlich durchgeführt, z. B. das gemeinsame, rituelle Hände waschen.

Gerätschaften zum gemeinsamen Händewaschen

Erfahrungsaustausch mit der Hatikvah-Gemeinde in fröhlicher Stimmung

Die Stimmung war hervorragend und wir fühlten uns sofort wie Zuhause. Man stellte uns viele Fragen. Und auch hier überraschte, dass es in Deutschland überhaupt wieder ein jüdisches Leben gibt. Man fragte uns nach eventuellem Antisemitismus und interessierte sich auch dafür, wie denn die heutige Jugend in Deutschland mit dem Thema der Schuld und Sühne fertig wird.

Die Bilder an der Wand stammen vom einzigen jüdischen Maler auf Kuba, auf den man als Hatikvah-Mitglied sehr stolz ist

Da die Cubaner vom Rest der Welt fast abgeschottet leben, denn ihre Medien berichten fast nur über den lateinamerikanischen Raum und Internet ist nicht zugänglich, schlug unserer Antrittsbesuch, unsere Grußbotschaft mit den schönen Geschenken fast wie eine Bombe ein. Die unglaubliche Herzlichkeit und diese großzügige Gastfreundschaft seitens der jüdischen Gemeinde Hatikva hat uns sehr beeindruckt. Nicht nur mittels unserer Gespräche sondern auch durch unsere Rundgänge in der Stadt oder über Privateinladungen bei einzelnen Familien erhielten wir Kenntnis vom wahrhaftig schwierigen Leben dort durch den täglichen Kampf um die allernotwendigsten Dinge. Ganz zu schweigen von der besonderen Hitze, der hohen Luftfeuchtigkeit, den Abgasen der ultra-alten Vehikel auf den Straßen oder dem allgegenwärtigen Lärm.

Unserem Abschied von der Gemeinde Hatikva ging nach dem Samstag-G'ttesdienst noch ein gemeinsames Essen voraus. Wir bedankten uns herzlich und erhielten zum Schluß ebenfalls eine Grußbotschaft für unsere Gemeinde in München, die ich in's Deutsche übersetzte und nach unserer Rückkehr natürlich feierlich vortrug.

Was Axel und mir auffiel, war der große Gemeindezusammenhalt, ganz gleich, ob in Santiago de Cuba oder in Havanna. Da das cubanische Leben außerordentlich schwierig und entbehrungsreich ist, werden in den Gemeinden regelmäßige Mahlzeiten organisiert sowie andere notwendige Hilfsprogramme. Solidarität hilft Überleben. Auch psychologisch, denn so manch' alter Mensch hat mittlerweile resigniert und irgendwie die Hoffnung aufgegeben, eventuell doch noch einmal andere Zeiten erleben zu dürfen. Die meisten Gemeinden sind auch technisch einigermaßen ausgerüstet, verfügen über ein gut funktionierendes Büro, TV und Radiogeräte. Die Jugend hat dort Räumlichkeiten für Tanz, Spiele, Bildung oder andere gesellschaftlichen Zusammenkünfte.

Einige Gemeindemitglieder tanzen uns eine Horah "à la cubana" vor

>>> weiter.. Cuba, quierra baillar la salsa (Teil 3):
Socialismo o muerte, venceremos!

Gibt es ein jüdisches Leben auf Cuba? Nach Santiago de Cuba reisten wir am 22.05. weiter nach Camagüey...

[Teil 1] [Teil 2] [Teil 3]

Havanna (Ciudad de la Habana), Viñales-Tal (Valle de Viñales), Varadero, Trinidad, Santiago de Cuba, Cienfuegos, Baracoa, Cayo Coco / Cayo Guillermo:
Wie wär's einmal mit Kuba?
Die Perle der Antillen hat einiges zu bieten. Sie lockt nicht nur mit paradiesischen Sandstränden, auch die Musik und die Verbindung von afrikanischen, amerikanischen und europäischen Einflüssen sind einzigartig. In Städten wie Havanna, Santiago de Cuba und Cienfuegos beschwören mondäne Prachtbauten den Glanz vergangener Tage herauf. Die ersten beiden Städte bieten außerdem viel musikalisches Entertainment...

hagalil.com 23-06-2005


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