München feiert im Sommer 2008 das 850. Jubiläum der
Stadtgründung. Wir erinnern hier an ehemalige Münchner. Heute:
Gad Kidron, ehem. Hans Kitzinger.
Teil 2
München
in der Prinzregentenzeit:
"Kunststadt" der Gegensätze
Von Ilse Macek
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Malerfürsten und die Moderne
München war vor dem Ersten Weltkrieg in der Prinzregentenzeit, an deren
Ende Hans Kitzinger auf die Welt kam und die seine Eltern noch erlebt
hatten, die Stadt der Maler, der "Malerfürsten" gewesen, wie Thomas Mann
neidvoll bemerkt hatte. Da gab es den Altmeister Friedrich August von
Kaulbach, der selbstredend in der Kaulbachstraße 15 "Hof hielt"6,
das Haus von Gabriel von Seidl erbaut, Franz von Lenbach, dessen Villa bei
den Propyläen stand, den Maxvorstädter Franz von Stuck7,
und davor Cornelius, Kobell, Spitzweg.8
Nach Lovis Corinth 9
stießen in keiner Stadt Deutschlands Altes und Neues so
heftig aufeinander wie in München. Beide Entwicklungen, sowohl der Aufbruch
in die Moderne des jungen München, als auch die Tradition und Rückschau des
alten München, bestanden in verwirrender Gleichzeitigkeit nebeneinander. Das
"moderne" München hatte besonders im zweiten Jahrzehnt der Zeit des
Prinzregenten Luitpold dem offiziell propagierten Kunstgeschmack des
kaiserlichen Deutschland, der "preußischen Prüderie", den Kampf angesagt.
Romantizismen, Schönheitskult, Erotismus und Mystizismus dominierten das
Lebensgefühl und das Schaffen der Münchner Künstler. Gleichzeitig übten sich
Sittlichkeitsvereine in Scheinmoral gegen die des sozialistischen Umsturzes
verdächtigte, naturalistische Sichtweisen bevorzugende bildende Kunst, die
Literatur und das Theater. Die Münchner Kultur-Moderne hatte also gänzlich
andere Themen als die mit der politischen Linken verbundene in Berlin.
Konflikte um Kirche, Religion und Sexualität sowie ab und zu um "wunde
Punkte" der Monarchie, wie die längst bewältigte, vergangenen Zeiten
angehörende Affäre "Lola Montez", standen im Vordergrund.
Der etablierte Kunstbetrieb mit seinen internationalen Ausstellungen im
Glaspalast war nicht so avantgardistisch wie der in Paris, aber immerhin
hatte Picasso 1897 empfohlen, in München - nicht in Paris - das Kunststudium
zu beginnen.
Schon die erste Münchner Secession10
hatte gezeigt, dass München eine Geburtsstätte der Moderne war. Gleichzeitig
bewiesen die elitären "g'spinnerten" Schwabinger Zirkel, dass Irrationales
und spirituelle Weltsichten hier ihre Heimstatt hatten: Albert von Keller11
und Carl du Prel12 nahmen für
sich die Mystik, die Metaphysik, die Seelenlehre und die Traumdeutung in
Anspruch.
Dazu gehörte auch, dass das Tier als der bessere Mensch galt, wie das sowohl
Gabriel von Max als auch der Maler und Denker der Moderne, Franz Marc13,
vertrat.
Museenstadt
München war auch hochgelobte Museumsstadt mit den Pinakotheken, der
Glyptothek, dem Völkerkunde-, dem Nationalmuseum. Es zog um die
Jahrhundertwende herum als liberale Kulturstadt europäischen Ranges Künstler
und Literaten, Publizisten und Theaterleute aus dem gesamten
deutschsprachigen Raum an. Dem stand eine konservative, traditionell
geprägte Umwelt, der in kultureller Hinsicht wachsende Einfluss des Zentrums
mit seiner Landtagsmehrheit, die Zensur und das Strafgesetzbuch mit seinen
Möglichkeiten entgegen. Zum Beispiel waren die nackten Antiken der
Glyptothek 1894 mit Feigenblättern bedeckt worden, was Christian Morgenstern 14
zu ironischen Kommentaren gereizt hatte.
Literaturstadt
Paul Heyse 15, 1910 mit dem
Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet, galt dem "jungen München" als Relikt
des "alten München", des Klassizismus, als "Stellvertreter Goethes auf
Erden", wie er spöttisch tituliert wurde. Ibsen16,
Zola und Flaubert, die als "undeutsch" angesehen wurden, nicht, weil sie
Franzosen waren, sondern weil sie als "unanständig" galten, waren dem "alten
München" verpönt. Ludwig Ganghofers17
Heimatkunst, der wegen des Kaisers Vorliebe für ihn und seine Schriften mit
dem Spottnamen "Hofganger" belegt worden war, galt wiederum in den Augen des
"jungen München" als heillos veraltet.
Meist jüdische Studenten gründeten in den ersten Jahren des Jahrhunderts
den literarischen Verein "Phöbus", der Stücke von höchst umstrittenen
Autoren aufführte und Vorträge literarischen Inhalts anbot. Fast alle
berühmten Berliner Kritiker wie Siegfried Jacobson, Alfred Kerr und Stefan
Großmann sprachen. Von berühmten Schauspielern wurden noch nicht aufgeführte
Dramen mit verteilten Rollen gelesen; auch kämpfte man für ein
Heine-Denkmal. 18Theater- und
Kabarett-Stadt
Das Münchner Schauspielhaus wurde 1897 eröffnet und die Heimstätte
moderner Dramatik. Der "Akademisch-Dramatische Verein", nach seinem Verbot
"Neuer Verein", brachte wichtige moderne Dramen heraus, die in der
offiziellen Theaterwelt der Prinzregentenzeit ignoriert wurden: Hauptmann,
Ibsen, Sudermann, Schnitzler.
Um die Jahrhundertwende begann auch die Opposition gegen die Kunst- und
Theaterzensur der "Lex Heinze" mit ihrem Paragraphen gegen erotische Kunst
und Literatur. Der Münchner "Zensurbeirat", eine im Reich einmalige
Erscheinung, bestand aus Sachverständigen und Honoratioren aus verschiedenen
gesellschaftlichen Bereichen, der über die Moral alles Schriftlichen wachte.
Ein Jahr, 1912/13, gehörte diesem Rat als Nachfolger von Max Halbe 19
auch Thomas Mann20 an.
Das Verbot von Wedekinds "Lulu" veranlasste ihn dann zum Austritt. Erich
Mühsam21, einer der berühmten
Schwabinger Anarchisten, erstattete im Übrigen gegen das Verbot von "Lulu"
wegen "Mißbrauchs der Amtsgewalt" vergeblich Anzeige. Im Gefolge der
"Lex Heinze" war bereits 1900 der "Goethebund zum Schutz freier Kunst und
Wissenschaft" von Max Halbe und Georg Hirth22
gegründet worden sowie das erste Münchner Kabarett, "Die Elf Scharfrichter",
in dem dann Frank Wedekind23 und
Otto Falckenberg24
experimentieren konnten. "Die Elf Scharfrichter e.V." traten im Rückgebäude
des Gasthofes "Zum Goldenen Hirschen" in der Türkenstraße 28 auf und
attackierten die Ordnungsmächte und Obrigkeit, die der Freiheit der Kunst
entgegenstanden.
Die Gesellschaft für modernes Leben
Die Auseinandersetzung zwischen dem modernliberalen und dem
konservativ-katholischen Lager nahm zum Teil scharfe Formen an. Hier ist
Oskar Panizza 25, der
Katholikenschreck der Jahrhundertwende zu erwähnen. Psychiater von Beruf und
Exzentriker von Gemüt, legte er sich in der "Gesellschaft für modernes
Leben", die so etwas wie die Geburtsstunde der Avantgarde-Kultur verkörperte
und in Schwabing von Michael Georg Conrad26,
zusammen mit Otto Julius Bierbaum27
und Julius Schaumberger28 1890
gegründet worden war, mit der christlichen Moral an.
Das konservativ-katholische Lager vermutete bei dieser Gesellschaft ohnehin
"... zahlreiche Sozialdemokraten ..., ebenso viele junge Geschäftsleute
und Juden ,.."29 und
"Sozialisten im Frack", die gefährlicher als Proletarier wären. Man
argwöhnte, die Monarchie solle untergraben, die Religion diffamiert werden
und diese Gesellschaft wäre eine "kulturelle Tarnkappe für die SPD".30
Kurz: Panizza wurde wegen seiner jegliches Tabu verletzenden Verkündung
der sexuellen Freiheit, wobei er beispielsweise in seinem Drama "Das
Liebeskonzil" auch bei der Heiligen Familie eine Clique berauschter
Lüstlinge unterstellte, wegen "Vergehen gegen die Religion" und
Sittenwidrigkeit zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Zum Märtyrer machte er
sich vollends, als er nach seiner Entlassung wegen Majestätsbeleidigung
erneut angeklagt wurde, sich der Verhandlung zu entziehen suchte, indem er
in Unterwäsche auf die Straße lief. Dies führte zu seiner Einweisung in eine
Nervenheilanstalt; er wurde als unzurechnungsfähig erklärt. Doch er muss uns
nicht sehr leid tun: Er war ein Antisemit, der mit seinen hämischen
Behauptungen, Juden seien weichlich, kraftlos, hinterhältig und feige,
Kernaussagen der späteren NS-Ideologie vorwegnahm.
Das
"Künstlerdorf" Schwabing:
"Wenn ich an Schwabing denke, denke ich an Maler und Malerinnen aus dem
Kreise meiner Eltern"
Es scheint, als ob die saturierten Vertreter des "alten München" die
Gegenbewegung, die Kunstopposition geradezu herausgefordert haben, sich in
München und vorzugsweise in Schwabing zu versammeln.
In Schwabing wohnten Maler der Moderne, wie Wassily Kandinsky 36
oder Paul Klee37, der mit seiner
Frau 1906 in ein Gartenhaus in der Ainmillerstraße 32 zog. Für Kandinsky und
Giorgio de Chirico, welcher — wie August Macke - in München studiert hatte,
auch für Marcel Cuchamp und Naum Gabo war München der spirituelle Kunstort
schlechthin. Franz Marc38, der
schon 1908 sein Schwabinger Atelier aufgegeben und nach Sindelsdorf gezogen
war, hatte 1912 zusammen mit Kandinsky den Almanach "Der blaue Reiter"
herausgegeben. Robert Delaunay hatte auf einer Postkarte an Franz Marc 1913
dieses anstatt München in die Liste der Hauptstädte der modernen Kunst
aufgenommen, neben Berlin, Paris, New York und Moskau. Kandinsky hatte auch
zusammen mit Alfred Kubin39,
Alexej Jawlensky40 und dessen
Lebensgefährtin Marianne von Werefkin 1909 die "Neue Künstlervereinigung"
München gegründet. Kandinsky und Gabriele Munter betrieben später ihr
Atelier in der Ainmillerstraße 36 wechselweise mit dem Haus in Murnau.
Kunstgewerbler von Rang wie Hermann Obrist41,
der in seinem von Exter entworfenen Haus mit Atelier in der
Karl-Theodor-Straße 24 wohnte, verhalf der Jugendstilbewegung zur
Berühmtheit. Ebenfalls wohnten und arbeiteten der Jugendstilkünstler Julius
Diez42 oder Wilhelm von
Debschitz43 im "Künstlerdorf".
Daneben gab es eine unzählbare Menge an kleinen Ateliers mit "Malweibern"
und Malern, die oft armselig genug in Schwabing auf ihren erhofften
zukünftigen Erfolg hinlebten.
>> Die Kitzingers führten ein
offenes Haus in der Viktoriastraße 11, wo Künstlerinnen und Künstler
ein- und ausgingen. Wie die 1840 errichtete Universität viele
Professoren und Studenten in die Maxvorstadt und nach Schwabing
gezogen hatte, so hatte die drei Jahrzehnte später neben dem
Siegestor entstandene Akademie der bildenden Künste private
Malschulen und Künstler sowie Möchtegernkünstler in die Gegend
gebracht. Hans Kitzinger vergnügte sich als Jugendlicher und junger
Mann an seinen freien Nachmittagen damit, Ateliers in Schwabing zu
besuchen und den Künstlern bei der Arbeit zuzusehen.
"Ich bin furchtbar gern früher zum Kreis meines Vaters, meiner
Eltern, zu Künstlern und Künstlerinnen ins Atelier gegangen. Die
'Sandsteins' 31
und die Desclabissac 32
... Ich habe von ihr viele Bilder. Und Adele Slocovich
53 - das waren so
Typen. ... wie ich mal in den Ferien in München war, also als ich
Student war, irgendwann zwischen 18 und 22, bin ich mit einer
Freundin zur Adele Slocovich, der Malerin, gegangen. Und wir kamen
hin, Adele schaute meine Freundin an: 'Ziehen Sie sich aus! Ziehen
Sie sich aus!'"
(letzteres Kitron mit erhobener Stimme)
Der Oberlandesgerichtsrat Dr. Emil Ulmann
34 und seine Frau Agnes, geborene Speyer
35, die Malerin, waren gute Freunde. Dr.
Kitron besitzt von Agnes' Werken eine ganze Mappe.
<< |
Anmerkungen
- Näheres zu der Wahl am 5.3.1933: Vgl. das Kapitel im vorliegenden
Band von Willibald Karl: Bau- und Bevölkerungsentwicklung Schwabings
zwischen den Weltkriegen.
- Schalom Ben-Chorin, 1913 geb. in München, 1999 gest. in Jerusalem,
vormals Fritz Rosenthal, Journalist, Religions-wissenschaftler, setzte
sich für den christlich-jüdischen Dialog ein, hat zahlreiche Ehrungen
erhalten, u.a. das Große Verdienstkreuz mit Stern 1993, wohnte auch eine
kleine Weile in Schwabing in der Mandlstraße 24, wo vorher der
Schwiegervater seiner Schwester Jeanne, der Schriftsteller Alf Bachmann,
gelebt hatte.
- Jeckeniton ist eine deutsch-hebräische Zeitschrift für die
Altenheime in Israel. Die Verfasserin hatte dort eine Annonce
geschaltet, um Zeitzeugen zu finden.
- Ben-Chorin, Schalom: Jugend an der Isar, Gerungen 1980, S. 152.
- Zit. nach: Prinz, Friedrich: Annäherung an München. Postmoderne
Rückblicke auf die Geburt einer Großstadt, in: München - Musenstadt mit
Hinterhöfen. Die Prinzregentenzeit 1886 bis 1912, hrsg. von Friedrich
Prinz und Marita Krauss, München 1988, S. 9.
- Die Straße war nach seinem Onkel Wilhelm von Kaulbach benannt, der
ebenfalls Kunstmaler war, unter anderem Decken- und Wandgemälde malte,
und in der Oberen Gartenstraße 16 wohnte, die ab 1887 zur Kaulbachstraße
10 wurde.
- Franz von Stuck, 1863 geb. in Tettenweis, Niederbayern, 1928 gest.
in Tetschen, wohnte und arbeitete in der Gabelsberger- 39, Theresien-
148 (Atelier), Schraudolph- 5 (Atelier), Augusten- 77 (Wohnung) und in
der Schellingstraße 5.
- Vgl. zu diesem Kapitel vor allem: Frühwald, Wolfgang: Zwischen
Arkadien und Babylon. Münchner Literatur in der Zeit des Prinzregenten
Luitpold, in: München - Musenstadt, a.a.O., S. 258ff., Engelmann, Roger:
Öffentlichkeit und Zensur. Literatur und Theater als Provokation, in
München - Musenstadt, a.a.O., S. 267ff.; Schmitz, Walter: "Die Elf
Scharfrichter". Ein Kabarett in der "Kunststadt" München, in: München -
Musenstadt, a.a.O., S. 277 ff.; Vergangene Tage. Jüdische Kultur in
München, hrsg. von Hans Lamm, insbesondere der Abschnitt: Von Weltkrieg
zu Weltkrieg: Von Krise zum Untergang. München-Wien 1982, S. 369ff.; Die
Zwanziger Jahre in München: Katalog zur Ausstellung im Münchner
Stadtmuseum, Mai bis September 1979. Im Auftrag des Münchner
Stadtmuseums hrsg. von Christoph Stölzl; Ude, Karl: Schwabing von innen.
Kulturelle Essays, München 2002; Bauer, Reinhard: Schwabing. Das
Stadtteilbuch, München 1997; Large, David Clay: Hitlers München.
Aufstieg und Fall der Hauptstadt der Bewegung, München 1998, S. 9 ff.;
für fast alle Adressen wurde benutzt: Wer wohnte wo in Schwabing?
Wegweiser für Schwabinger Spaziergänge. Für phantasievolle Fußgänger
zusammengesucht von Kristian Bäthe, München 1965; Ergänzung der
biographischen Daten in den Anmerkungen zum Teil aus Wikipedia, aktuelle
Fassungen vom 6.8.2007.
- Lovis Corinth, 1858 geb. inTapiau, Ostpreußen, 1925 gest. in
Zandroort, Holland; wohnte ab 1891 in der Giselastraße 7 in Schwabing
und später, bis er im Oktober 1901 nach Berlin ging, in der
Gabelsbergerstraße 77 in der Maxvorstadt.
- Erste Münchner Secession nannte sich die Gruppe in den 70er Jahren
des 19. Jahrhunderts um Wilhelm Leibl in ihrem Gemeinschaftsatelier in
der Arcisstraße.
- Albert von Keller, 1844 geb. in Gais bei Zürich, 1920 gest. in
München, wohnte in der Gartenstraße 33, Rgb., diese wurde in
Kaulbachstraße 33 umbenannt, und in der Theresienstraße 148,
Ateliergebäude.
- Carl Freiherr du Prel, 1839 geb. in Landshut, 1899 gest. in
Heiligkreuz bei Hall, Tirol, Stiftung Maximilianeum, Gymnasium und
Studium in München, Hauptmann in der bayerischen Armee, Themen: Hypnose,
Somnambulismus, Mesmerismus, Traumdeutung, gründet in München 1886 die
"Psychologische Gesellschaft", wo parapsychologische Experimente
stattfanden.
- Franz Marc, 1880 geb. in München, 1916 gefallen bei Verdun, wohnhaft
in der Königinstraße 75, dann in der Kaulbach- 68, kurz in der
Friedrich- 4, und in der Schellingstraße 33, Rgb. (Atelier).
- Christian Morgensterns Geburtshaus war in der Theresienstraße 23,
geb. 6.5.1871, gest. 31.3.1914 in Meran an Tuberkulose. Der Vater war
ein bekannter Landschaftsmaler. Nachdem die Mutter, Christian war 10
Jahre alt, an Tuberkulose gestorben war, nahm der Vater in Breslau eine
Professur als Kunsthistoriker an. Christian lebte unter anderem dort,
studierte erst Volkswirtschaft und Jura, dann Philosophie, lebte
zeitweise auch in Berlin.
- Paul Johann Ludwig von Heyse, 1830 geb. in Berlin, 1914 gest. in
München, 1910 geadelt und Nobelpreis für Literatur, wohnte gegenüber der
Lenbachvilla am Königsplatz (unbebaut).
- Henrik Ibsen, 1828 geb. in Skien, 1906 gest. in Oslo, wohnte
zeitweise in der Amalienstraße 50 und 53, vorher in der Schönfeld- 17
und Schellingstraße 53.
- Dr. Ludwig Ganghofer, 1855 geb. in Kaufbeuren, 1920 gest. in
Tegernsee. Zunächst Maschinenbau-Studium am Polytechnikum in München,
dann Literaturgeschichte und Philosophie in München und Berlin,
Promotion in Leipzig, Dramaturg in Wien, ab 1894 in München, 1898
Gründung der "Münchner Literarischen Gesellschaft".
- Vgl. Feuchtwanger, Lion: Der literarische Verein "Phöbus" und seine
Heine-Feier, in: Lamm, a.a.O., S. 265.
- Dr. Max Halbe, 1865 geb. in Guetdand bei Danzig, 1944 gest. auf Gut
Neuötting, Oberbayern, wohnhaft in der Giselastraße 16 und 1, der
Wilhelmstraße 7a, 6 und 2 und der Martiusstraße 6.
- Dr. Thomas Mann, 1875 geb. in Lübeck, 1955 gest. in Zürich, wohnte
als Junggeselle in der Ramberg- 2, Theresien- 82, Pension Gisela- 15,
Markt- 5, Feilitzsch- 5, Ungerer- 24, Konrad- 11, Ainmiller- 31, und
dann, mit Katja Pringsheim verheiratet, ab 1905 -1910 in der
Franz-Joseph-Straße 2, das ist das Eckhaus zur Leopoldstraße, dort
wurden Golo, Erika und Klaus geboren, dann zog die Familie nach
Bogenhausen.
- Erich Mühsam, 1878 geb. in Berlin, 1934 ermordet im KZ Oranienburg,
war 1919 in der Räteregierung, wohnte in der Akademiestraße 9 und der
Georgenstraße 105, siehe auch das Kapitel im vorliegenden Band von Ilse
Macek: Juden im Münchner Kunstleben und in der "Künstlerkolonie"
Schwabing, Anm. 16.
- Georg Hirth, 1841 geb. in Gräfentonna, Thüringen, 1916 gest. in
München, nationalliberaler Protestant, scharfer Gegner des politischen
Katholizismus, Mitinhaber der "Münchner Neuesten Nachrichten", 1896
Gründung der Zeitschrift "Jugend", die bis 1940 bestand.
- Frank Wedekind, 1864 geb. in Hannover, 1918 gest. in München, wohnte
in der Akademie- 21, der Adalbert-34, Türken- 69, Franz-Joseph- 42 und
Amalienstraße 86.
- Otto Falckenberg, 1873 geb. in Koblenz, gest. 1947 in München,
wohnte in der Siegfriedstraße 14, Mandlstraße 10 und die längste Zeit,
mit Familie, in der Viktoriastraße 11, wo auch die Familie Kitzinger
lebte. "
- (Leopold Hermann) Oskar Panizza, 1853 geb. in Bad Kissingen, 1921
gest. in Bayreuth, Schriftsteller, Satiriker, Publizist, wohnte
wiederholt in Schwabing, starb in der Nervenheilanstalt. Hatte viele
Bewunderer, unter anderem Kurt Tucholsky.
- Michael Georg Conrad, 1846 geb. in Gnodtstadt, Unterfranken, 1927
gest. in München, Schriftsteller des Naturalismus, obwohl berühmter
"Simpl"-Schwabinger wohnte er nicht dort, sondern in der Ismaninger
Straße, verheiratet mit der Schriftstellerin Marie Ramlo, Mitgründer der
Gesellschaft für modernes Leben, national-liberaler
Reichstags-Abgeordneter.
- Otto Julius Bierbaum, 1865 geb. in Grünberg, Niederschlesien, 1910
gest. in Kötschenbroda bei Dresden, wohnte in der Kaulbachstraße 41 und
der Veterinärstraße 10.
- Julius Schaumberger, geb. 1858, gest. 1924.
- Polizeibericht über einen Vortragsabend am 29. Januar 1891, zit.
nach Large, a.a.O., S. 33.
- Large, a.a.O., S. 36.
- Walter Sandstein, Graphiker und Kunstmaler, hatte sein Atelier in
der Horschelstraße 3/4 und wohnte in der Keuslinstraße 10/0, 1935 ist er
nicht mehr im Adressbuch zu finden.
- Felice Desclabissac, geborene Kurzbauer, geb. 19.11.1876 in Wien;
Wohnung: 1933-1938: Bismarckstraße 11/2, Studium an der Kunstschule für
Damen in Krakau, an der Damenakademie des Künstlerinnenvereins in
München und bei ihrem späteren Mann Alexander Desclabissac, geb.
23.6.1868 in Aachen, gest. 1938. Ihr Genre, Blumen; Kollektivausstellung
bei Neuner in Berlin, 1920.
- Adele Slocovich, Witwe, Kunstmalerin, wohnte in der Kaiserstraße
23/4.
- Dr. Emil Ulmann, geb. 23.3.1870 in Fürth, gest. 8.12.1947 in New
York, Oberlandesgerichtsrat a.D., 1908 am Landgericht München
II, 1920 bis 1933 am Oberlandesgericht München,
Schwager von Jakob Wassermann; vgl. zu Ulmanns auch das Kapitel im
vorliegenden Band von Brigitte Gmelin: Oberlandesgerichtsrat Dr. Emil
Ulmann.
- Agnes Ulmann, geb. 23.12.1875 in Wien, geb. Speyer, gest. 1942 in
Kew Gardens.
- Wassily Kandinsky, 1866 geb. in Moskau, 1944 gest. in
Neuilly-sur-Seine, wohnte in der Gisela- 28, Georgen-35, Friedrich- 1,
Schelling- 75, dann ab 1908 bis zum 1. Weltkrieg in der Ainmillerstraße
36, wo sich auch das Atelier befand.
- Paul Klee, 1879 geb. in Münchenbuchsee bei Bern, 1940 gest. in
Muralto bei Locarno, wohnte in der Amalien- 24, Leopold- 63, Georgen-
48, hatte in der Amalienstraße 57 im Rgb. sein Atelier, wohnte kurz in
der Barer- 24, dann in der Ainmillerstraße 32, wo er das
Gartenhaus-Atelier hatte, außerdem hatte er noch ein Atelier in der
Feilitzschstraße 3 und eines, 1919-1921, in der Werneckstraße 1, im
Suresnes-Schlösschen.
- Franz Marc, vgl. Anm. 13.
- Alfred Kubin, 1877 geb. in Leitmeritz, Böhmen, 1959 gest. in
Zwickledt, wohnte zuerst in der Theresienstraße 108, dann in der
Mandlstraße 1a.
- Alexej Jawlensky, 1864 geb. in Torschok bei Twer, 1941 gest. in
Wiesbaden, wohnte in der Giselastraße 23.
- Hermann Obrist, 1863 geb. in Kilchberg bei Zürich, 1927 gest. in
München, arbeitete sowohl in seinem Atelier, das im Wohnhaus in der
Karl-Theodor-Straße 24 lag, als auch in den Werkstätten in der
Hohenzollernstraße 21, Rgb., siehe auch Anm. 43.
- Julius Diez, 1870 geb. in Nürnberg, 1957 gest. in München, wohnte in
der Theresienstraße auf mehreren Hausnummern 61, 67 und 148 sowie in der
Augustenstraße 85 und dann 49 Jahre seines Lebens in der Elisabethstraße
3.
- Wilhelm von Debschitz, 1871 geb. in Görlitz, 1948 gest. in Lüneburg,
wohnte in der Leopoldstraße 65 und 87, am Kaiserplatz 2, in der
Clemensstraße 30 und hatte, zusammen mit Hermann Obrist die "Lehr- und
Versuchs-Ateliers für angewandte und freie Kunst" in der
Hohenzollernstraße 21, Rgb.
Fortsetzung
folgt...
[BESTELLEN?]
1933 bis 1945:
Naziherrschaft in München
Nirgendwo trat der Charakter des Naziregimes so unverhüllt
zutage wie in den Untaten gegenüber Kindern im Zeichen des Rassenhasses. Die
jüdischen Überlebenden, damals noch Kinder, äußern sich über den einstigen
manchmal noch unbeschwerten, dann immer stärker albtraumhaften, kaum zu
beschreibenden Alltag...
München 1933 bis 1945:
Schwabing und
Schwabinger Schicksale
Am 13. März konnte Ilse Macek das Buch "Ausgegrenzt –
entrechtet – deportiert. Schwabing und Schwabinger Schicksale 1933 bis 1945"
vorstellen. Das Buch ist das Ergebnis der Geschichtswerkstatt zur
NS-Geschichte in Schwabing. Unter den Anwesenden waren auch Charlotte
Knobloch und Christian Ude...
Schwabing in der NS-Zeit:
Ausgegrenzt –
entrechtet – deportiert
Das Buch beleuchtet die Entwicklung des einstigen Literaten-
und Künstlerviertels zu einem Stadtteil, dessen Bürgerinnen und Bürger in
der Märzwahl 1933 deutlich mehr für die Nazi-Partei als im Stadtdurchschnitt
votierten... |