Aus Gewissensgruenden...
...die sollen
mit den Häftlingen
versenkt werden!
Der Gestapo in Halle war W.O. Schmidt schon lange ein Dorn im Auge.
Seit der seine Stelle als kirchlicher Jugendarbeiter fuer den Kirchenkreis
Delitzsch angetreten hatte, stand die Hitlerjugend vor massiven
Nachwuchsproblemen. Alle potentiellen Fuehrungskader fuer die HJ hatte Schmidt
laengst in kirchlichen Jugendgruppen organisiert. Immer wieder wird Schmidt
von der Gestapo zur Vernehmung vorgeladen.
Am Tag nach der 'Reichskristallnacht' zeigt Schmidt Zivilcourage. In einer
Predigt geisselt er das Vorgehen der SS als Unrecht. So kann er seine
Konfirmanten davon abhalten, sich an der Zerstoerung des juedischen Friedhofes
zu beteiligen. Im Juli 1941 reisst der Gestapo der Geduldsfaden. W.O. Schmidt
wird nach einer Beerdigung vom Friedhof weg verhaftet: Gestapogefaengnis
Halle. Ueberfuehrung nach Berlin zur beruechtigten Wache am Alex . Abtransport
ins KZ Sachsenhausen.
Ueber die Zeit im Konzentrationslager spricht Herr Schmidt nicht gerne: "Das
wuerde einen ganzen Roman fuellen", wehrt er ab. Vier lange Jahre 1941 bis
1945 bleibt er interniert. Als die Befreier in unmittelbarer Naehe sind,
treiben die SS-Wachen die halb verhungerten Haeftlinge am 21. April 1945 in
Richtung Ostsee. In der Luebecker Bucht liegen Schiffswracks bereit. Die
sollen mit den Haeftlingen versenkt werden. Erst kurz vor Schwerin bereitet
die Rote Armee dem Schrecken ein Ende. Spaeter in der DDR hat Herr Schmidt
'aus Gewissensgruenden' nie eine Entschaedigung beantragt. Als religioes
Verfolgtem waere sie ihm wohl auch verweigert worden. Gleich nach der
Wiedervereinigung - da ist Herr Schmidt 87 Jahre alt - stellt er einen Antrag
auf Anerkennung und Entschaedigung als Verfolgter des Nationalsozialismus. Und
wartet!
Die Behoerden klaeren derweil erstmal Zustaendigkeiten. Immer neue Antraege
muessen - jetzt mit Hilfe der Informations- und Beratungsstelle fuer
NS-Verfolgte - ausgefuellt werden. Obwohl Herr Schmidt durch einen
Wohnungsbrand fast seine gesamte Habe verliert, bereitet der Nachweis der
Konzentrationslagerhaft zum Glueck keine Schwierigkeiten. Endlich, dreieinhalb
Jahre nach der Wiedervereinigung wird sein Entschaedigungsantrag entschieden.
Herr Schmidt gehoert damit zu den wenigen in der DDR von Entschaedigung
ausgeschlossenen NS-Opfern, die nach der Wiedervereinigung eine laufende Rente
erhalten.
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