Einbürgerung in Baden-Württemberg:
Planen Sie einen Anschlag?
Von Udo Wolter
Jungle World 2 v.
11.01.2006
"Wie stehen Sie zu der Aussage, dass die Frau ihrem
Ehemann gehorchen soll und dass dieser sie schlagen darf, wenn sie ihm nicht
gehorsam ist?" "Halten Sie es für zulässig, dass ein Mann seine Frau oder
seine Tochter zu Hause einschließt, um zu verhindern, dass sie ihm in der
Öffentlichkeit 'Schande macht'?" Solche und ähnliche Fragen müssen
Einbürgerungswillige aus den 57 Mitgliedsländern der Islamischen Konferenz
seit 1. Januar in Baden-Württemberg beantworten, statt lediglich das in
allen Bundesländern übliche Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen
Grundordnung zu unterschreiben.
Im Gespräch sollen die Mitarbeiter der Einbürgerungsbehörde "Zweifel
ausräumen, (…) ob bei Muslimen generell davon auszugehen sei, dass ihr
Bekenntnis bei der Einbürgerung auch ihrer tatsächlichen inneren Einstellung
entspreche", heißt es in einer Pressemitteilung des Stuttgarter
Innenministeriums. Zu diesem Behufe sollen die Beamten mit den BewerberInnen
einen 30 Fragen umfassenden "Gesprächsleitfaden" abarbeiten, um bei ihnen
"die Akzeptanz der Werteordnung" – was auch immer das heißen mag – zu
ergründen.
Die Fragen weckten nicht nur bei dem Grünen Volker Beck Erinnerungen an die
unselige "Gewissensprüfung" für Kriegsdienstverweigerer. Wer die kafkaeske
Prozedur über sich ergehen lassen musste, erinnert sich wohl, selten im
Leben so hochkonzentriert gelogen zu haben wie in dieser einen Stunde. Es
liegt nahe, dass auch bei dem Einbürgerungstest nur der deutschen Sprache
Unkundige und schlichte Gemüter das Falsche sagen werden, während gerade
ideologisch geschulte Fans des Jihad plumpe Fallen zu umgehen wissen
dürften. Was würden Sie tun, falls "Sie erfahren, dass Leute aus Ihrer
Nachbarschaft oder aus Ihrem Freundes- oder Bekanntenkreis einen
terroristischen Anschlag begangen haben oder planen"?
Im Innenministerium des "Ländles" hat man wenig Verständnis für den von
islamischen Verbänden und Migrantenorganisationen sowie von zahlreichen
PolitikerInnen fast aller Parteien zurecht geäußerten Vorwurf, muslimische
Einbürgerungswillige würden unter einen diskriminierenden Generalverdacht
gestellt. Mit einer politischen Bekämpfung des Islamismus oder gar
aufgeklärter Religionskritik hat die Gesinnungstesterei nicht das Geringste
zu tun, umso mehr aber mit den rassistischen Traditionen deutscher
Einwanderungspolitik. Das wird nicht zuletzt daran deutlich, dass bei
späterer Zuwiderhandlung gegen die geleisteten Bekenntnisse die
Wiederausbürgerung droht.
Anscheinend wird man in diesem Land nie begreifen, dass Jihadisten und
türkischstämmige "Ehrenmörder" ebenso juristisch zu belangen und zu
bestrafen sind wie "mehrheitsdeutsche" Volksverhetzer, Terroristen und
Mörder, statt Menschen aufgrund ihrer zugeschriebenen Religion und Kultur
mit rassistischen Sondergesetzen und –verordnungen zu schikanieren. Durch
die politisch hochkorrekten Fragen nach den Einstellungen zur
Homosexualität, zur Gleichberechtigung der Geschlechter und gegenüber Juden
wird zudem ebenso stillschweigend wie realitätswidrig suggeriert, dass "wir"
in dieser Hinsicht über jeden Verdacht erhaben sind. Führten nicht im
betreffenden Bundesland vor gut einem Jahr die Ambitionen Anette Schavans
auf das Amt der Ministerpräsidentin dazu, dass sie in ihrer Partei als Lesbe
denunziert wurde? Den vorhandenen Problemen des Antisemitismus und der
Homophobie unter MigrantInnen wird jedenfalls mit selbstgerechter
Gesinnungsabfragerei nach zweifelhaften Auswahlkriterien nicht beizukommen
sein.
Interview mit Stephan Kramer:
Muslim-Test - "Operative
Hektik"
Man sollte vorsichtig sein, das Alte Testament oder
den Koran dazu zu benutzen, um bewusst Leute auszugrenzen. Nur weil
man daraus eine Fallkonstellation konstruieren will, dass sie
automatisch gegen die Verfassung eingestellt sind...
"Eine Ohrfeige zum neuen Jahr":
Kommentar zum Einbürgerungsleitfaden in
Baden-Württemberg
Der von Baden-Württemberg eingeführte Leitfaden bei
der Einbürgerung muslimischer Immigranten wird in der in London
erscheinenden Tageszeitung Al-Sharq Al-Awsat kommentiert. Der Autor
des Beitrags ist Fahmi Huweidi, ein renommierter ägyptischer
Journalist, der islamistischen Positionen nahe steht....
hagalil.com
15-01-2006 |