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Die vier Minister der
fundamentalistischen SchaS-Partei haben heute ihre seit Wochen
angedrohten Rücktritte eingereicht. Die Rücktrittserklärungen treten
erst in 48h in Kraft. Die stellvertretenden SchaS-Minister haben
diesen Schritt noch nicht vorgenommen. Damit besteht im
Regierungslager weiterhin die vage Hoffnung, dass die vor zwei Woche
zu Hochform aufgelaufene Regierungskrise beigelegt werden könne.
Während
Raw Owadjah Yosef, der geistige Mentor der Partei, dazu
aufrief im morgendlichen Gebetsablauf Verfluchungen gegen
Bildungsminister Sarid einzubauen (..."seine Tage sollen wenige
sein, sein Name sei getilgt, seine Witwe sei kinderlos" etc.) und
Gesundheitsminister Benisri (SchaS) Minister Sarid als Nazi
beschimpfte und der israelischen Gesellschaft die Planung einer
Schoah an den "getreuen Kindern Israels" unterstellte, versuchten
Unterhändler beider Seiten weiterhin Möglichkeiten zu finden
um auf die finanziellen und administrativen Forderungen von SchaS,
z.B. auch die Forderung nach Legalisierung ihrer illegalen
Sendestationen.
Der
Friedensprozess mit den Palästinensern, den Schas letzte Woche noch
als einen Grund für ihren Auszug aus der Regierung mit angeführt
hatte, spielte offenbar keine Rolle mehr. Ungeachtet aller
Beleidigungen, Verächtlichmachungen und Drohungen hat
Ministerpräsident Ehud Barak auch am Dienstag klar gemacht, dass
"die Tür zu Verhandlungen" zur Beilegung des Konflikts weiter offen
stehe.
Schas und
zwei kleinere Koalitionspartner Baraks hatten vor zwei Wochen die
Kriese ausgelöst, als sie in erster Lesung für ein Gesetz zur
Auflösung der Knesset und damit für Neuwahlen stimmten.
Barak drohte daraufhin, alle sechs Minister zu entlassen, die mit
der Opposition gestimmt hatten. Wie es jetzt hieß, ist die
Schas-Partei bereit, bei der nächsten Abstimmung gegen das Gesetz
über Neuwahlen zu stimmen, wenn ihre religiösen Sender legalisiert
werden.
Barak machte
inzwischen erneut deutlich, dass er eine möglichst starke Koalition
wünscht, um das geplante Friedensabkommen mit den Palästinensern -
über das beide Seiten gegenwärtig in Washington verhandeln - durch
das Parlament zu bringen. Sollte SchaS mit seinen 17 Abgeordneten
die Koalition (68 von 120 Knesset-Sitzen) verlassen, bliebe Barak
zunächst voraussichtlich nur die Bildung einer Minderheitsregierung
mit Unterstützung zehn israelisch-arabischer Abgeordneter übrig. Ihr
werden nur kurze Uberlebenschancen gegeben.
Der
Vorsitzende des oppositionellen Likud-Blocks, Ariel Scharon, lehnte
vorerst die Bildung einer großen Koalition mit dem "Ein
Israel"-Block Baraks ab. Scharon sagte im israelischen Rundfunk,
eine solche Koalition der "nationalen Einheit" sei in der
gegenwärtigen Lage nicht möglich. Der Likud-Abgeordnete Michael
Eitan bestätigte dagegen, dass der Likud und "Ein Israel" hinter den
Kulissen bereits seit Monaten Gespräche über ein solches Bündnis
führen.
Aus der
Kanzlei des Ministerpräsidenten verlautete, eine Möglichkeit der
Beilegung des Konflikts mit Schas wegen der Finanzierung ihres
Schulwesens bestehe darin, die Zuständigkeit dem
Unterrichtsministerium unter Meretz Unterrichtsminlster Jossi Sarid
zu entziehen und das "elastischere" Kulturministerium unter
Zentrumspolitiker Minister Matan Vilna'i damit zu betrauen. Diese
Meldung hat bei Meretz-Anhängern heftige Proteste und sogar
Rücktrittsdrohungen des Ministers für Industrie und Handel Ran Cohen
ausgelöst. Letzte Woche löste der umstrittene Likud- und damit
Oppositionsführer Ariel Scharon Empörung in seiner eigenen Partei
aus, als er sich bereit erklärte, das marode Schulnetz der SchaS
(23.000 Zöglinge) mit Spendensammlungen in rechtsgerichteten Kreisen
des Auslands zu finanzieren. Exrundfunkintendant Mordechai
Kirschenbaum bezichtige in einem Radio-Interview die israelische
Politik der Gefahr einer offenen Käuflichkeit. Wer immer von nun an
SchaS mehr Geld bieten würde, könne ihre Stimmen haben.
haGalil onLine
20-06-2000
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