Eine Genisah in Nordbayern?
Das wiedergefundene Buch
Die Titelseiten der fünf Bände des inzwischen komplett
in deutscher Übertragung vorliegenden
Chumasch von Plaut zieren Photos von Seiten des betreffenden Buches aus
Handschriften oder Drucken früherer Generationen. Die Titelseite zu
Dewarim, dem zuletzt erschienenen V. Buch, schmückt eine bei Dtn. 1
aufgeschlagene Bibel, die man in einer
Genisah in Nordbayern fand.
Fund in der ehemaligen Synagoge in Westheim (Bayern),
entdeckt 1984.
Pentateuch mit Megillot und Haftarot. Aufgeschlagen ist fol. 130, der Beginn
des Buches Dewarim. Der jiddische Kommentar am Rand stammt von Moses
Saertel.
Druck mit Resten des Einbandes, nicht identifizierte Ausgabe, 17./18. Jh.
(?)
Fragment, ohne Titelblatt. 20x16,5 cm.
Das Buch Deuteronomium präsentiert sich als eine Aneinanderreihung von
Abschiedsreden Mosches und endet mit einer Beschreibung seines Todes, an den
wir uns am 7.Adar erinnern.
Eine Genisah in Nordbayern?
Nicht mehr benutzbare rituelle Gegenstände oder
Bücher auf den
Dachboden der Synagoge abzulegen, war unter deutschen Landjuden ein
selbstverständlich ausgeübter Brauch. Zu keiner Zeit wurden die
Synagogendachböden systematisch durchgesehen. Noch heute stehen auf dem
Lande zahlreiche ehemalige Synagogengebäude, die entweder nach der
Vertreibung und Deportation der Juden in die Hände von Nichtjuden gelangt
waren oder bereits zuvor, zum Teil lange vor der Zeit des
Nationalsozialismus, von den Juden verkauft worden waren.
Abb.: Synagoge Westheim (Nordbayern) |
Abb.: Bergung der Texte auf dem Dachboden der eh.
Synagoge in Westheim 1984. |
Viele wurden baulich verändert. Beim Verlassen der Häuser
wurden die Dachböden - wenn überhaupt - meist nur oberflächlich ausgeräumt.
Oft wurden bei Renovierungsarbeiten Holzböden über dem Gewölbe eingezogen,
wobei alles, was sich über dem Bodenniveau befand, entfernt und weggeworfen
wurde. Was darunter lag, verschwand unter Brettern und konnte so erhalten
bleiben. Seit den 90ger Jahren des 20. Jahrhundert sind durch Zufall oder
aufgrund gezielter Nachforschungen vor allem im süddeutschen Raum in
ehemaligen Synagogen eine Reihe von Genisa-Resten ans Tageslicht gekommen.
Fund
aus der ehemaligen Synagoge von Westheim (Bayern). Das mit einer Schnur
umwickelte und in der Genisa abgelegte Bündel enthält Kalender aus den
Jahren 1764 und 1766, Teile von zerlesenen Gebetsbüchern und ein
Papierfragment aus einem Geburtenverzeichnis des Jahres 1776. Foto: Andreas
Hemstege, Wesel
Einzelne, häufig Laien, die sich auf die Spurensuche
begaben, nahmen sich der Überreste jüdischer Kultur an. Keine der bis jetzt
bekannt gewordenen Genisoth ist in ihrem Originalzustand wiederentdeckt
worden. In der Regel stieß man nur auf Überreste aus den Genisot. Die
abgebildete Bibelausgabe stammt aus der Genisah in der Synagoge in Westheim
in Nordbayern, deren Reste 1984 entdeckt wurden.
Quelle - Falk Wiesemann (Hg.), Genizah - Hidden Legacies of the German
Village Jews.
Genisa - Verborgenes Erbe der deutschen Landjuden. Ausstellungs-katalog,
Wien 1992, S. 144.
Der Chumasch nach Plaut:
Die Torah in jüdischer Auslegung
hagalil.com
18-03-2005
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