ISAAK ABRAWANEL
MUTIGER VERTEIDIGER DES GLAUBENS
1437-1508, Spanien, oft auch Abravanel, Abarbanel oder Abarvanel
Im Frühling 1492 ordneten der
katholische König Ferdinand und Königin Isabella von Spanien die Vertreibung
des ganzen jüdischen Volkes von ihrer Halbinsel an. Dieses Edikt bewirkte
das Ende der kulturellen Errungenschaften des spanischen Judentums, das die
europäische Zivilisation über 500 Jahre lang bereichert hatte.
Der Bankier und jüdische Philosoph Don Isaak Abrawanel war in keiner
Hinsicht vor der wachsenden antijüdischen Stimmung im Königreich geschützt,
obwohl er eine angesehene Stellung als staatlicher Schatzmeister hatte. Er
bot hohe Summen dafür, dass das Edikt der Vertreibung widerrufen würde,
wurde aber schließlich von gerade den Machthabern verstoßen, denen er so
treu gedient hatte. Angesichts des drohenden Exils weigerte er sich
standhaft, zum Christentum zu konvertieren. Stattdessen zog er es vor - wie
später Leo Baeck in seiner Zeit, dem Volk Trost und Hoffnung in seinen
letzten Leidenstagen zu spenden. Seine Loyalität zum Judentum und zu Gott
war für seine Glaubensgenossen ein tapferes Beispiel und ermutigte sie, in
ihrem Glauben standhaft zu bleiben und sich ebenfalls zu weigern, zum
Christentum zu konvertieren, was die Inquisition von ihnen verlangte.
Da er seine Regierung nicht mehr anerkennen konnte, verließ Abrawanel
Spanien zusammen mit mehr als 150.000 staatenlosen und verarmten Juden auf
der Suche nach einer neuen Heimat. Er selbst fand Zuflucht in Neapel, wo er
sein Leben dem Studium widmete und eine neuen Position als wirtschaftlicher
Berater des Königs annahm. Hier schrieb er seine Werke über politische
Philosophie und seinen Bibelkommentar, in denen er Bezug auf die Werke von
jüdischen und christlichen Gelehrten nahm.
Indem er die Ideen der Renaissance aufgriff, führte er Gedanken des
damaligen Humanismus in das jüdische Denken ein. Trotz seiner Erfahrung mit
Frömmelei und Verfolgung hielt er an der prophetischen Vision einer
gerechten und religiös toleranten Gesellschaft fest. Dieser Gesellschaft
würde eine regelmäßig gewählte Regierung vorstehen, die allen Rechenschaft
schuldig wäre. Von diesem rationalistischen Geist geprägt, sah er die
biblischen Propheten weniger als Seher, sondern stärker als große
Persönlichkeiten eines
universalen
Humanismus, als visionäre Führer, die die Grundsteine für eine
moralische Gesellschaft legten, indem sie ihrem eigenen Volk in ihrer
eigenen Zeit Gottes Botschaft brachten.
Don Isaak Abarwanel trug öffentliche Verantwortung, aber er erlitt auch
die persönliche Demütigung des jüdischen Volkes des Mittelalters. Er wurde
zu einer Symbolfigur für das Volk, indem er wechselweise geehrt, verworfen
und verbannt wurde. Gleichzeitig symbolisierte er den geistigen Widerstand
des jüdischen Volkes mit seiner unerschütterlichen Liebe zu Wissen und
Wahrheit und seinem Streben nach Gerechtigkeit. Seine Hoffnung auf eine
bessere Welt wurde in der Moderne verwirklicht, aber es war ihm nicht
vergönnt, dies zu Lebzeiten zu sehen. Er starb in
Venedig
1508, betrauert von den Leitern der Republik und der gesamten jüdischen
Gemeinschaft.
DEMOKRATISCHES LEITUNGSAMT
Es wird von uns verlangt zu wissen, ob ein Monarch eine Notwendigkeit
ist, von Natur aus vom Volk gebraucht oder ob es möglich ist, ohne einen
solchen zu existieren.
Wenn Menschen denken, dass eine Regierung auf drei Dingen gegründet sein
muss - auf Einheit, Kontinuität und Macht - dann ist die Notwendigkeit eines
Monarchen trugschlüssig. Denn es ist nicht unmöglich, dass ein Volk viele
Leiter hat, geeint und übereinstimmend und in einem Rat zusammenkommend, der
administrative und richterliche Fragen entscheidet. Denn warum sollte nicht
ihre Verwaltung ein oder drei Jahre oder weniger dauern.
Es ist wahrscheinlicher, dass ein Mann sich vergeht aufgrund seiner
Dummheit oder seiner starken Versuchungen oder seines Zorns als dass viele
Männer, die zusammen beratschlagen, sich vergehen. Denn wenn einer von ihnen
vom rechten Weg abweicht, werden die anderen gegen ihn protestieren.
Im Übrigen wird, da ihr Amt zeitlich begrenzt ist und sie einander nach
einer kurzen Zeit Rechenschaft ablegen müssen, die Furcht vor den Menschen
auf ihnen sein.
(Kommentar zu Deuteronomium 17,14)
DIE QUELLE DER MACHT
Alle diese Kommentare und Arbeiten schrieb ich, nachdem ich mein Land
velassen habe. Vorher war ich die ganze mir zur Verfügung stehende Zeit in
den Höfen und Palästen des Königs und stand in ihrem Dienst. Ich hatte keine
Muße zum Studium und schaute in kein Buch, sondern verbrachte meine Tage in
Eitelkeit und meine Jahre in der Sorge darüber, Reichtum und Ehre zu
erlangen. Und nun sind diese Reichtümer aufgrund eines bösen Ereignisses
vernichtet und die Ehre ist geschwunden von Israel. Erst nachdem ich ein
Flüchtling geworden war, ein Wanderer auf der Erde von einem Königreich zum
anderen und ohne Geld, erforschte ich das Buch Gottes... Ich habe mich in
meinem Alter auf die Betrachtung des Führers der Unschlüssigen (von
Maimonides) konzentriert und auf die Auslegung der Bibel. Dies sind die
Quellen meines Wissens, und in ihrer Weisheit lösen sich alle Zweifel und
Unschlüssigkeiten.
(Brief an Shaul haKohen Aschkenasi, Venedig 1507)