Koscherer Wein -
Jájin kaschér
Mit großem Verständnis für das
praktische Leben und in ernster väterlicher Mahnung gesellt sich als Krone
der Vorbeugebestimmungen der Weisen - zu den anderen - das auf ihren
Vorschlag von Israel angenommene Verbot, andern Wein zu trinken als solchen,
den jemand, der selbst im Taurohgeist (im Geiste der Torah) und nach
Taurohgesetz lebt, oder doch wenigstens nicht sein prinzipieller Leugner
ist, vom Anfang der Kelterung bis zum Augenblick des Genusses bedient hat.
Wein ist nun einmal der Kitt des
geselligen Verkehrs. Aber nicht gemeinsam zu tafeln, sondern gemeinsam Gutes
zu wirken, ist unsere Aufgabe.
Der leichte Sinn der ausgelassenen
Lebensart, die andere Völker in fröhlichen Bacchanalien geistig veröden und
sittlich verkommen ließ und auch unsern Staat ehedem ins Unglück brachte,
soll sich unserer fürder nicht bemächtigen. Dieser Bestimmung und dem durch
sie erhaltenen und geförderten Geist der Enthaltsamkeit und Mäßigkeit dankt
es unser heutiges Geschlecht, daß wir in unseren Reihen nicht den "Kampf
gegen den Alkohol" aufzunehmen haben. Wir brauchen in unseren Kreisen keine
Heilanstalten für Alkoholiker zu errichten. Die Weisen nahmen nicht den
Kampf gegen das Getränk, sondern gegen die Trinker auf, schufen eine
Vorbeugebestimmung, damit der Satz des Propheten Hosea nicht zu Schanden
würde: "Du Israel hast dich nicht auf Jauchzen zu freuen wie die Völker".
Die Weisen waren die Ärzte der Prophylaxis. Sie wollten uns vor Verirrung
schützen, um nicht hinterher Führer Verirrter werden zu müssen.
Unserer Jugend soll es
nicht zur Schande angerechnet werden, wenn sie "nichts vertragen kann", und
ganz "kornmentwidrig" nicht "in die Kanne zu steigen" versteht. Unserm Volk
gereicht die Klage der Wirte wirklich nicht zum Tadel und nicht zum
gesundheitlichen Nachteil, wenn an unsern Tafeln "nichts getrunken" wird.
Aber auch von den noch
häßlicheren und schlimmern Folgeerscheinungen des Alkohols sind wir dadurch
verschont geblieben. Nur ausnahmsweise und nie in so frühen Jahren haben wir
Verirrungen unserer Jugend zu beklagen. Natürlich erübrigt diese
Volkserziehung nicht die Einzelerziehung und verlangt dessen ungeachtet ein
ernstes Vorbild und eine häusliche Gewöhnung, die nicht im Wohlleben ein
Lebensglück erblickt und deren Unterhaltung sich nicht in der Körperpflege
erschöpft.
Wenn es eine Zeit
gibt, die den tiefen Geist und daher nicht zu unterschätzenden Wert dieser
Vorschrift über Jajin stam,
erkennen müßte, so ist es die unsrige. Denn in ihr hat der erwachte soziale
Sinn die weittragende Bedeutung der ansteckenden Schädlichkeit der
Alkoholgefahr erfaßt. Was für Opfer kostet es unserer Zeit heute, die
unglücklichen Folgen von jahrtausendelangem Unwesen des Alkohols zu
beseitigen, neue abzuwehren. Organisationen, Heilverfahren, Literaturen und
Anstalten müssen mit Aufwendung von Millionen dazu geschaffen werden —
unsere Weisen brauchten nur schlicht eine Gsarah zu machen, den Wein m'schum
Banothehem "wegen ihrer Töchter" zu verbieten — und unser Volk war gerettet
und blieb gerettet, solange man sich der höheren Einsicht unserer Weisen,
dem tiefen Empfinden des Volkswillens widerspruchslos unterordnete und vor
den Tatsachen des eignen und des Volkslebens nicht in gewollter
Selbsttäuschung die Augen verschloß. Diese Bestimmung ist, obwohl nur eine
Vorschrift der Weisen, wie viele andere, durch das Gebiet, das sie regeln
will, so wichtig und ins Leben einschneidend, daß man sagen kann, daß nur in
d e m Hause der unverfälschte wahre jüdische Geist noch zu finden ist, wo
diese Bestimmung mit dem Ernst beachtet wird, der durch ihre geschichtliche
Bedeutung, die ihr zukommt, zu uns spricht.
An die Jugend vor
allem ergehe das ernste Wort, sie möge einen Brauch nicht unberücksichtigt
lassen, dessen Bedeutung und wohltuende Wirkung der Vergleich lehrte, den
wir zwischen dem ethischen Stande unserer Volksmassen und denen anzustellen
in der Lage sind, die den Staaten und eigens geschaffenen Organisationen
Probleme stellen, die schier unlösbar sind. Denn diese Massen stellen einen
ungeheuren Prozentsatz der Bevölkerungsziffer dar. Das zu bekämpfende Elend
ist ein weit verbreitetes und die Gesundheit vergiftendes Laster, das
Seuchen im Gefolge hat, deren man nicht mehr in genügendem Maße Herr werden
kann. Eine Jugend aber, die die Augen für die Bestrebungen aller Kreise
unserer Zeit offen hat, wird nicht gleichgültig an den ernsten
weitschauenden Gesetzen der Thora und Einrichtungen unseres Volkes und
seiner Weisen vorübergehen, wird es immer mehr unter ihrer Würde halten,
lediglich aus verächtlichen Bequemlichkeitsgründen und aus verwerflichem
Leichtsinn das Gesetz von sich abzuschütteln und sich über Gedanken erhaben
zu wähnen, deren Höhe nur solches Geschlecht nicht mehr zu ahnen vermag, das
den Willen zur Tat und zu ernster Selbsterziehung preisgegeben hat, das dem
"naasse" entsagte und darum das "nischma" wirklich nicht mehr würdigen kann.
Aber auch darin ist ja
ein Wandel eingetreten. In der Einleitung zu dem Buch: "Der denkende Jude",
von dem diese Neuauflage der "Speisegesetze" nur ein Teil ist, haben wir aus
Zitaten zeitgenössischer Philosophen zu erweisen uns bemüht, daß der moderne
Stand der Ethik zwei unerläßliche Forderungen an das Leben des denkenden
Menschen stellt: das Wissen und die Tat. Nur diese beiden Faktoren vermögen
für den Kampf des Lebens gegen Menschen und Geschick den Rücken zu stärken
und die Kraft zu stählen. Zwei Momente, die die göttliche Lebensnorm des
jüdischen Volkes als die unerläßlichen Forderungen zur Schaffung einer
soliden Grundlage für das Leben als erste Pflicht betont.
Der Entschluß, ein
ernstes Pflichtenleben zu führen, legt heute noch manche Schranke und
Zurückhaltung auf, verbietet die Teilnahme an manchen gesellschaftlichen
Freuden und legt die Absonderung von gar manchem gesellschaftlichem Verkehr
auf. Denn vielfach gilt von diesem heute noch der Satz unseres
poetischen Zeugen für das Geschichtsdrama unseres Volkes, der elegisch
singt: "Denn von Sodorns Weinstock ist ihr Wein und auf den Gefilden Amoras
ist er gereift, ihre Trauben sind giftgeschwollen und bittere Beeren sind
ihr Teil."
Allmählich wird der
Zuckergehalt heilkräftige Süße spendender Menschenliebe im edlen Gewächs am
Weinstock der Menschheit sich mehren. Bis dahin aber muß die ungemischte
reine Freude am Entsagen und selbstlosen Wohltun unser Eigentum bleiben. Wir
dürfen unsern Labetrunk, den wir der Menschheit zu reichen imstande sind,
nicht "mit Wasser vermischen" lassen. Bis man uns aufsucht, um von uns zu
lernen, bleiben wir für uns! Sonst laufen wir Gefahr zu lernen, wo wir
lehren sollten.
Es erstreckt sich
diese Bestimmung über Jajin stam auch auf W e i n e s s i g
und daher auch auf solche Speisen, die in Weinessig eingelegt sind. Ebenso
auf destillierten Wein, also auf Kognak. Weinstein ist nicht als verboten zu
betrachten.
R o s i n e n w e i
n
wird in Bezug auf das Gesetz als Wein betrachtet. Getränke, denen
Traubentreber zugesetzt sind, wie es bei Fruchtwein vielfach zu geschehen
pflegt, fallen ebenfalls unter das Gesetz. Jajin mewuschal
(abgekochter Wein), der in nicht abgekochtem Zustand erlaubt war, kann durch
Berührung nicht mehr unbrauchbar werden.
Drum ist es ratsam,
den Wein, der zum Kochen verwandt wird, selbst vorher abzukochen, bevor man
ihn in die Küche gibt.
Im Sinne des Weingesetzes der
Weisen heißt der Traubensaft von dem Augenblick an Wein, sobald die
Kerne und Hülsen sich gesetzt haben und der Traubensaft als Flüssigkeit
emporsteigt. Wenn von diesem Augenblick an ein in diesem Sinne des Gesetzes
Unbefugter den Inhalt der Kelter —
an welcher Stelle auch immer —
bewegt, so kann dieser Wein nicht mehr getrunken werden. Die Bewegung
braucht keine direkte zu sein. Der Wein wird auch dadurchs dem Genuß
entzogen, daß er mit einem Saugheber dem Faß entnommen wurde, oder daß ein
offenes Weingefäß geschüttelt oder der Hahn der Kelter geöffnet oder
geschlossen und so das Ausfließen befördert oder verhindert wurde.
Es kommt übrigens auf
die Beschaffenheit des Gefäßes an, ob eine Erleichterung bei offenem
Weintransport eintreten kann.
Es muß der den Wein
Bewegende wissen, ob die Flüssigkeit Wein ist und er muß sie mit Absicht
haben bewegen wollen, wenn das Genußverbot statthaben soll. Wenn es also z.
B. nur galt, Fliegen vom Faß zu verscheuchen oder durch Umrühren - mit einem
Gerät - die Gährung zu beruhigen oder aus Gründen des Staatsgesetzes, etwa
zur Verzollung, dem Weinfaß eine Probe zu entnehmen, so ist der Wein drum
nicht unbrauchbar geworden.
Wurde Wasser in den
Wein gegossen, so wird er dadurch nicht unbrauchbar. Wurde aber in nicht
Koscher-Wein Koscher-Wein gegossen, so ist nach einigen selbst der in dem
Gefäß des Koscher-Weines zurückbleibende Wein nicht mehr zu trinken. Es kann
darin aber in gewissen Fällen erleichternd entschieden werden.
Man läßt den Wein
nicht unverschlossen. Schon aus dem Grunde, damit er nicht verdirbt, pflegt
man den Wein, den man im Keller lagert, zu versiegeln.
Es sind in Bezug
darauf und für den Transport die Bestimmungen maßgebend, die an anderer
Stelle (... Dawar sche nit'alem min haAjin) bereits angedeutet sind.
Eine zu ängstliche
Überwachung ist nicht erforderlich.
Wenn D i e b e in den
Weinkeller eingebrochen sind, so darf der Wein, der nicht verschlossen war,
nicht mehr getrunken werden, wenn anzunehmen ist, daß die Diebe mit
demselben in Berührung gekommen sind.
Wenn jemand den Wein
absichtlich bewegt hat, um den Besitzer zu ärgern oder zu schädigen, dann
trinke man den Wein in seinem Beisein, damit er sieht, daß der beabsichtigte
Zweck in dieser Weise doch nicht erreicht wird.
Denn alle diese
Gesetze sehen keineswegs diese Speisen (Stam Jajin, Bischul Nokhri)
als unrein an, was ja so lächerlich als widersinnig wäre, sondern sollen
bloß heilsamer Schutz sein, Jisroels Geist und Leben treu und unversehrt zu
erhalten; und je befreundeter, je menschlich gesinnter die Völker gegen
Jisroel werden, je größer das Kapital der Liebe wird, das sich in dankbaren
Jisroelherzen für das Vaterland häuft, je näher Jisroel und Nichtjisroel im
Verkehr sich kennen, ja, je verwandter zum Teil Glauben und Ansicht der
übrigen Völker dem Glauben und der Ansicht des Jisroeltums geworden, um so
wichtiger werden diese Gesetze; denn um so mehr ist das Übertreten in ihren
Lebenskreis, ist das Verschmelzen des eigentümlichen Jisroeltums, ist das
Verschwinden des Jisroellebens aus Jisroels Kreisen zu befürchten.
Freue dich, heutiges
Jisroel, im Kreise der Völker, unter denen du größtenteils heute lebst.
Sieh, wie das heilige Licht, das Gott am Sinai dir zur Hut übertrug, wie es
sich Bahn gebrochen und verscheucht hat schon aus einem großen Teile der
Menschheit den Wahn und die Greuel des Götzentums, freue dich, daß in
Europa, in Amerika, in einem Teil von Asien und Afrika, auch nichtjüdische
Völker von der dir gewordenen 0ffenbarung des Alleinen sich erleuchten
lassen und eine Lehre in Händen tragen, die sie lehrt, die sieben Pflichten
zu erfüllen, die deine Lehre dich als alle Menschen verpflichtend lehrt,
keine Götzen zu verehren, den Namen des alleinigen Gottes nicht zu
verhöhnen, Besitz des Nächsten zu achten, zu achten das Leben des Nächsten,
Unkeuschheit zu meiden, kein dem lebenden Tier entrissenes Glied zu
verzehren, Gerechtigkeitspflege zu halten, —
freue dich deß.‘ (Hirsch Choreb S. 330.)
Aber nur dadurch konnte die
Zeitentwicklung diesen Fortschritt machen, daß die Thora in Israel lebte,
lebte als das Gewissen der Menschheit. Und noch hat die Thora ihre Sendung
nicht erfüllt, drum kann Israel auf seine Sonderstellung noch nicht
verzichten. Ja — so
meinen die Weisen im Midrasch zu III 26, 3 —"wenn
die Völker wüßten, daß ihr Glück von Jisroels religiös-sittlichem
Lebenswandel abhängt, sie würden jedem Juden zwei Aufseher bestellen, damit
er vom Gottesgesetze nicht abweiche".
Bei Vermischung des Weines oder
Weinessigs mit erlaubten Speisen ist auch das Verhältnis von 1: 60
maßgebend, bei Vermischung von Wasser schon das Mengenverhältnis 1: 6.
Fällt auf trockene Früchte oder
Speisen, die glatt sind und keine Spalten haben, Wein, so kann er
abgetrocknet werden.
Flaschen, in denen sich nicht
Koscher-Wein befand, brauchen nur umgespült zu werden. Fässer müssen
dreimal 24 Stunden mit Wasser über den Rand hinaus gefüllt werden, indem
man alle 24 Stunden das Wasser wechselt.
Die Vorschriften über das
Kaschern der Kelter und damit im Zusammenhang stehende Maßnahmen gehören
nicht in den Rahmen dieser Blätter.
Quelle: DIE SPEISEGESETZE v.
Rabb. Dr. Wolf, Cöln (s.f. Der denkende Jude), Hirsch Choreb.~1908.
Kashruth (Koscheres Leben)
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