Josef Burg
In seinem Aufsatz ",Der Ewige' - Mendelssohn und der Gottesname"
schreibt Franz Rosenzweig 1929:
"Die geschichtliche Bedeutung der Mendelssohnschen
Pentateuchübersetzung ist bekannt. Ihre Lebenskraft entspricht aber
nicht diesem geschichtlichen Rang, noch auch ihrem Wert. In
hebräischen Lettern ist sie zwar mehrfach wiederaufgelegt - zuletzt
noch 1888 in Warschau -, dank der Verbindung mit dem wichtigen
Kommentar, dem sogenannten Biur, der an der Schwelle des
bibelkritischen Jahrhunderts noch einmal, schon in modernem Geiste
und doch noch naiv, gleich fern von kritischer wie von restaurativer
Tendenz, die Fackel der großen mittelalterlichen Erklärer übernimmt
und neu entzündet. Aber in deutschen Lettern ist sie nach einem von
Mendelssohn selbst begünstigten, aber nur bis zur Genesis gekommenen
Versuch zwar 1813 und 1815 herausgegeben, dann aber erst wieder 1845
und auch da nur im Rahmen der Gesamtausgabe der Schriften, und
nachher nicht wieder. Als die deutsche Judenheit in dem großen
geistigen Aufschwung der dreißiger und der vierziger Jahre nach
einer deutschen Bibel verlangte, rangen nicht weniger als drei
Unternehmen gleichzeitig um den Kranz: Zunz, Salomon, Johlson, etwas
später dann Philippson; Mendelssohns Pentateuch galt als nicht
vorhanden."
Zu dem Satz, daß "Mendelssohns Pentateuch als nicht vorhanden
galt", bringt Rosenzweig - als Fußnote - darauf bezügliche Worte aus
einem Brief, den Philipp Ehrenberg 1841 dem Historiker Isaak Markus
Jost (1793-1860) geschrieben hatte:
"Philipp Ehrenberg an Jost (handschriftlich, im Besitz meiner
Mutter): Wolfenbüttel, den 26. Oktober 1841.
... Beim Lesen des Subscriptionsprospectus der Mendelssohnschen
Werke fällt es mir auf, daß die Übersetzung des Pentateuch wieder
abgedruckt werden soll, und daß namentlich die Subscribenten
gezwungen sind, dies veraltete Werk zu kaufen, das nur für Literatur
und Kulturgeschichte noch Werth hat..."
Vor mir liegt der erste Band (Genesis) jener deutschen
Bibelübersetzung in hebräischen Buchstaben, deren Subskribenten laut
Ehrenberg "gezwungen sind, das veraltete Werk zu kaufen, das nur für
Literatur und Kulturgeschichte noch Werth hat". Er ist 1839 gedruckt
in Krotoschin, damals Provinz Posen, in der berühmten Druckerei von
B. L. Monasch. Ehrenbergs Brief trägt das Datum 1841!
Nach einem langen hebräischen Vorwort, das einen Überblick sowohl
über die Geschichte der Bibelübersetzungen wie über die Grundlagen
der hebräischen Grammatik gibt, kommen, wiederum in hebräischen
Buchstaben, die Namen der "Herren Pränumeranten" je nach den
hebräisch-alphabetisch geordneten Ortsnamen, hundertundvierzehn an
der Zahl. Da ist es doch schwer, mit Ehrenberg von einem "Zwang"
gegenüber den Subskribenten zu sprechen. Die Ortsliste beginnt laut
Aleph mit Adelnau, dann entsprechend der hebräischen Schreibweise
Inowrazlaw (Hohensalza) und Oppeln. Sie enthält unter anderen
Beuthen und Breslau, aber nicht Berlin. Es gibt Subskribenten, die
mehrere Exemplare bestellt haben.
Sehr oft ist der frühere Wohnort erwähnt, wie zum Beispiel bei
Wollstein Herr "P. Maier aus Schocken", dies ein Zeichen der
Binnenwanderung. Der Beruf wird im allgemeinen nicht angegeben, wohl
aber bei Rabbinern und Lehrern. Eine Ausnahme ist Herr J. David aus
Stanowitz mit dem in Klammern gedruckten Zusatz "Gutsbesitzer". Als
Berufe der Prämuneranten finden wir auch Buchbinder, Kantor und
Konditor.
Angesichts der Vielfalt von Orten, Berufen und Bestellungen
scheint Ehrenbergs Bewertung, die Subskribenten seien zum Kauf
"gezwungen" worden, nicht gerechtfertigt.
In seinem Vorwort zur ersten Auflage am Neumondstag des Monats
Nissan 1783 schreibt Mendelssohn: "Und es war, als Gott mir Söhne
gab und die Zeit herankam , sie Thora zu lehren und das geschriebene
Wort des lebendigen Gottes - da begann ich die fünf Bücher der Thora
in ein gepflegtes und korrektes Deutsch zu übersetzen, entsprechend
dem heutigen Sprachgebrauch." Im letzten Abschnitt dieses Vorworts
betont Mendelssohn den Wert des hebräischen Sprachunterrichts im
jugendlichen Alter. Es gebe nichts Besseres als die Knaben täglich
in der Schule in den Grundlagen des Hebräischen zu unterrichten ,
"wie es beherzte Menschen in manchen der heiligen Gemeinden Israels
eingeführt und gegründet haben." 1784!
Das war Mendelssohns Absicht und Plan zur Fundierung jüdischen
Wissens und zur Fortsetzung jüdischer Existenz. Der Gang der
Geschichte Europas, Deutschlands, der Juden war ein anderer, bitter
und grausam - für die Individuen und für das Kollektiv.
Die Tora: