JUDEN in der ehemaligen Tschechoslowakei
von Chaim FRANK
Barock
Rund um die jüdischen Gemeinden und des
Prager Ghettos tobte ein erbitterlicher Kampf zwischen den beiden
christlichen Konfessionen: oder des absoluten Katholizismus des
Herrschers und der protestantischen Ständeopposition. Die Lage war
äußerst gespannt. Trotz der Zusicherung Rudolfs II., im Jahre 1609, für
die Religionsfreiheit der nicht-katholischen Stände (Adel und Bürger),
kam es 1617 zur gewaltsamen Schließung von zwei protestantischen
Kirchen.
Rudolfs Nachfolger wurde sein Bruder
Matthias (1557-1619), dem 1608 Österreich, Mähren und Ungarn zufiel,
übernahm zwischen 1611 bis 1619 die Regentschaft Böhmens. Als sich der
König im Jahre 1618 gegen die Abhaltung des Ständetages stellte, kam es
zum offenen Bruch.
Der Fenstersturz der beiden königlichen
Stadthalter, Vilem SLAVATA und Jaroslav BORITA z Martinic, am 23.Mai
1618, sollten das Signal zum Aufstand werden; Doch zur eigentlichen
Konfrontation kam es erst am 8. November 1620, in der Schlacht am Weißen
Berg nahe Prags. In einem kurzen Kampfe, von lediglich zweistündiger
Dauer, wurde die Armee der böhmisch-mährischen Stände von den
Verbündeten des Kaisers Ferdinand II. vernichtend geschlagen.
Kurz darauf kam es durch den Mob der
Ärmsten zur Plünderung des Prager Ghettos, an der sich jedoch nicht das
kaiserliche Kriegsvolk beteiligte. Als neuer kaiserlicher Stadthalter
wurde Karl von Liechtenstein eingesetzt, der sogleich mit der Verfolgung
der Aufständischen begann. Ein großer Teil des tschechischen Adels wurde
um sein Eigentum gebracht; viele gingen ins Exil und ihren Platz nahmen
folglich der in- und ausländische katholische Adel ein. Den Trumpf
spielten die Habsburger im Jahr 1627, mit ihrer neuen Verfassung aus. In
einem Zusatz wurde festgelegt: ''daß das tschechische Volk durch seine
schändliche Rebellion jeden Anspruch auf seine Rechte und Freiheiten
verloren habe''.
Ferner wurde die deutsche Sprache als
Amtssprache festgelegt und die Regierungsgewalt über die
böhmisch-mährischen Ländereien nach Wien übertragen. Ähnliches sollte
sich 300 Jahre später wiederholen, jedoch mit Befehlssitz in Berlin...
Die Juden wurden während der ganzen Zeit
mehr oder weniger unbehelligt gelassen, schließlich ''entlieh'' sich die
Krone, nach der Schlacht, bei den Juden runde 240.ooo Gulden. Der
Statthalter Karl von Liechtenstein gestatte den Juden sogar, trotz der
Proteste der Bürger, 39 Häuser außerhalb des Ghettos zu erwerben, - und
der Kaiser bestätigte zwischen 1623 und 1627 alle ältere Privilegien und
erweiterte diese mit der Handelsfreiheit auf allen Märkten des Landes
und gewährte einen teilweisen Erlaß von Zölle und Mautgelder. Aber schon
zehn Jahre später stiegen die Steuer- und Sonderzahlungen, die in den
Jahren 1638-39 von den Landtagen gefordert wurden. Die hohen
Forderungen, sowie die Pestepidemie und die stets aufflammenden
kleineren Kriegereien ließen fast alle jüdischen Gemeinden verarmen; -
ich erzählte schon darüber, bei meinem Vortrag über die Juden in Polen.
Während der Verteidigung Prags gegen die Schweden kämpften auch die
Juden erfolgreich mit den Bürgern. Als Dank für ihre Mithilfe erhielten
die Prager Juden von Ferdinand III. das Recht ein Wappen zu erwerben,
auf dem eine schwedische Haube mit einem Magen David, in deren Mitte, zu
sehen ist.
An dieser Stelle möchte ich wieder kurz
eine jüdische Persönlichkeit erwähnen, die etwa um 1610 in Prag in
Erscheinung trat: Es handelt sich hier um Jacov Baschevi von Treuenberg
(1570-1634). 1590 schon galt er als angesehener Kaufmann, der 1599 von
Rudolf II. zum Hoffaktor ernannt wurde. Damit waren ihm vielerlei
Privilegien zuteil, freier Handel und Wohnsitzwahl, Steuerbegünstigungen
und vor allem die Befreiung von dem Tragen des Judenzeichens. Diese
Privilegien bestätigten ihm auch Matthias und Ferdinand II zumal er für
sie zu einem der wichtigsten Finanziers der kaiserlichen Armee wurde.
Baschewi war seit 1616 auch Vorsteher der
jüdischen Gemeinde zu Prag, bereiste in schwieriger Zeit das Land und
sorgte für die Einbringung der Steuern bei den Bürgern. Er war übrigens
der erste Jude in Österreich, der vom Kaiser (am 18.Jan..1622) geadelt
wurde. Dank seiner Stellung und großen Einflusses, gelang es Baschewi
die jüdische Bevölkerung vor den Übergriffen gieriger und mordlustiger
Truppen, während des Dreißigjährigen Krieges, zu bewahren.
Seine Haupteinnahmen stammten vorwiegend
aus der Beteiligung an der Münzpräge, deren Mitglied er war. Ihr
unterstanden 1622-24 alle Münzstätten Böhmens, Mährens und auch
Österreichs. Mehrere Adelige, die an der Münze beteiligt waren (Fürst
Liechtenstein, Albrecht von Waldstein, Pavel Michna von Vacinov, der
Bürger Johann de Witt, u.a.) verstrickten sich in Intrigen, in
Betrügereien und Bestechungen. Folglich gingen die Münzstätten wieder
unter die Verwaltung des Staates. In diesem Zusammenhang kam 1631 auch
gegen Baschewi ein Haftbefehl heraus, der sich aber - rechtzeitig
gewarnt - zu seinem Beschützer Albrecht von Waldstein, nach Jicin retten
konnte, wo er am 2. Mai 1634 verstarb.
Durch die Geschehnisse in Polen, 1648-49,
den Chmielnicki-Pogromen und der Vertreibung der Juden aus Wien und
Ungarn stieg die jüdische Bevölkerung zwischen 1670-1708 von 7.000 bis
auf 12.000 an. Zwei größere Katastrophen reduzierten abermals die Prager
jüdische Gemeinde: 1680 war es eine neue Pestepidemie, der rund 3.5oo
Juden zum Opfer fiel; und schließlich der schreckliche Brand am 21 Juni
1689, der in der Altstadt ausbrach und auf das Ghetto übergriff und
folglich 318 Häuser und 11 Synagogen zerstörte. Die Überlebenden fanden
bei einigen christlichen Familien Zuflucht, die meisten Juden
übersiedelten in die ehemalige Vorstadt ''Spitalska'' (heute Karlin) und
nach Liben.
Bei dem Wiederaufbau des Ghettos - dank
der Zuwendung ausländischer Juden -, durften von den ehemals 12
Synagogen Prags nur noch sechs neu aufgebaut werden. Bis 1694 war die
Herstellung der ''Klausen-Schil'' vollendet, und bald darauf erfolgte
auch die Erneuerung der ''Alt-Schil''; Wobei hingegen die Zigeuner-, die
Popper-, sowie die Großhof-Synagoge ganz neu gebaut wurden.
Doch schon gleich, nach diesen
Katastrophen, begann erneut ein böser Haß sich gegen die Juden zu regen.
ähnlich wie in Polen trieben auch in Böhmen und Mähren, vor allem aber
in Prag, die gehässigen Jesuitenpadres gemeinsam mit ihren Schülern ihr
Unwesen.
In diesem Zusammenhang fällt auch die
tragische Geschichte des jüdischen Knaben Simon Abeles, der von den
Jesuiten im September 1693 zur Taufe verführt wurde. Der erboste Vater -
so berichtet es eine ältere Chronik - versuchte seinen Sohn zum eigenen
Glauben zurückzuführen, was jedoch durch den starken (Droh-) Einfuß der
Patres mißlang. In einer Rage soll der Vater Lazar Abeles gemeinsam mit
Löbl Kurtzhandl am 21. Februar 1694 Simon geschlagen und ihn dabei
tödlich verletzt haben. Heimlich wurde der Leichnam begraben. Am 27.
Februar wurde der Kindskörper aber exhumiert und amtlich untersucht und
am letzten Märztag unter Anteilnahme einer riesigen Menschenmenge
christlich beigesetzt.
Egon Erwin KISCH, dem wir vielerlei
Aufklärung sonderbarer ''Geheimnisse'' zu verdanken haben, ging dieser
Sache in seinem Buch ''Prager Pitaval'' nach und beschrieb den Fall des
Simon Abeles in dem Artikel ''Ex odio fidei'': Die erste Anzeige gegen
den Vater, daß er seinen Sohn ermordet haben solle, stammte
ausschließlich von den Jesuiten. Kisch wies nach, daß auch die Zeugen
unter jesuitischen Einfluß standen und daß dem ganzen Prozeß kein
Verteidiger zugelassen war. Obwohl keine Zeichen eines Verdachts bei
beiden zu finden war, kamen beide durch grausame Folter um.
Ende des 17. Jahrhunderts wuchs vor allem
Prag, neben wenigen anderen europäischen Städten, zu einer größten aber
auch bedeutendsten Judengemeinde der damaligen Epoche. Die Regierung
Karls VI. strebte deshalb mit allen Mitteln die Verminderung des
jüdischen Bevölkerungsanteil an. Zu diesem Behufe kam es 1724 zur ersten
Registrierung sämtlicher jüdischer Gemeinden des Landes, um die Zahl der
jüdischen Familien in Böhmen (8.541) und Mähren (5.106) für alle Zeiten
festzusetzen.
Ab diesem Zeitpunkt wurden die Juden
systematisch unterdrückt, und nach 1726 regelten sogar noch die
sogenannten ''Familianten-Gesetze'' durch Quotierung von
Heiratserlaubnissen nicht nur die ehelichen Verbindungen, der
erstgeborenen Söhne der Juden, sondern auch die Größe der jüdischen
Bevölkerungszahl überhaupt.
Diese und weitere harte Gesetze trieben
zahlreiche Juden aus Böhmen und Mähren nach Westungarn, Polen und
östliches Galizien und bremste gleichzeitig auch jede weitere geistige
wie natürliche Entwicklung der jüdischen Gemeinden.
Zwischen 1655 bis 1793 besaß das Land
eine weitgefächerte sogenannte böhmische Landesjudenschaft mit einem
Landesrabbinat (von 1689-1750); auch Mähren hatte diese Institution,
jedoch schon 1570 und sogar länger als Böhmen, nämlich bis 1925.
Die Kriege um Schlesien, die bald nach
der Regentschaft Maria Theresias (Krönung fand am 12.Mai 1744 in Prag
statt) ausbrachen, schlugen auch auf die jüdischen Gemeinden nieder.
Man beschuldigte die Juden sie hätten das
preußische Heer bei der Besetzung Prags, im September 1744, angeblich
unterstützt. Der Prager Mob drang wieder einmal in das Ghetto um es zu
plündern. Es war daher nur naheliegend, daß die Juden bei den Preußen
Schutz suchten, und die sie ihnen auch gewährten. Am 16. November endete
jedoch die preußische Besetzung und gleich darauf machte sich der Pöbel
sofort daran erneut ins Ghetto zu dringen und es zu plündern. über den
Pogrom berichtet Dr. Zigmund Winter in dem Buch ''Prazske Ghetto'' (Prag
1902):
''Im Ghetto erklang
verzweifeltes Schreien. Juden schlossen sich in ihren Häusern ein,
flohen über die Dächer, wo auch Frauen und Kinder die Nacht in
tödlicher Angst verbrachten.... Volle dreißig Stunden wurde im
Ghetto von Haus zu Haus, von Laden zu Laden geplündert. So mancher
Jude, in dessen Haus die rasenden Räuber gewalttätig eingedrungen
waren, wurde mit Feuer unter den Achselhöhlen gefoltert, damit er
verrate, wo er seine Schätze verborgen hält.''
Dem nicht genug, erließ am 18. Dezember
1744 die Kaiserin ein Ukas, der die Ausweisung aller Juden aus Prag und
Böhmen anordnete.
Am 2. Januar 1745 ließ Maria Theresia die
Juden, trotz vielerlei Proteste sogar aus England, Holland und der
Türkei, auch aus dem eroberten Teil Schlesiens vertreiben.
Schon 1747 klagten die Vertreter der
Böhmischen und Prager Zünfte über die schmerzlichen Verluste, die sie
durch das Fernbleiben der jüdischen Kunden und Lieferanten zu erleiden
hatten. Erst auf Grund dieser Klagen zeigte sich, im Juli 1748, die
Herrscherin bereit, für einen befristeten Zeitraum von 10 Jahren, den
Aufenthalt von Juden in Böhmen und später auch in Prag, zu genehmigen.
Damit war aber eine unverschämte Forderung gegen Juden verbunden, die
sogenannte ''Toleranzsteuer'' in Höhe von 204.ooo Gulden jährlich, die
nach fünf Jahren erneut von ihr erhöht wurde.
Ein erneuter Großbrand in Prag - er
vernichtete vier von den sechs Synagogen sowie 190 Häuser -, vor allem
aber die unerträglich hohe Steuerforderung, ließ die jüdische Gemeinde
zu Prag aber auch andere jüdische Gemeinden Böhmens enorm verschulden,
wodurch der einstige wirtschaftliche Glanz über Jahrzehnte hinweg an
Bedeutung verlor.
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