Andrea Ehrlich
Antisemitismus, Rassismus
und Fremdenfeindlichkeit
in der Tschechischen Republik
-
Einleitung
-
Historischer Rückblick zum Antisemitismus
-
Antisemitismus heute
-
Historischer Rückblick zu Rassismus und Fremdenfeindlichkeit
-
Rassismus und Fremdenfeindlichkeit heute
- Meinungsumfragen
- Schlußgedanke
- Verwendete Literatur
6)Meinungsumfragen
Abschließend sollen noch einige
statistische Daten zu Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit dargestellt
werden. Als Basis dient dabei vor allem eine Umfrage des unabhängigen
Zentrums für empirische Forschung in Prag vom März 1995, die im
"Antisemitism World Report" aufgeführt wurde.
Auf die Frage, ob man verschiedene
Nicht-Tschechen als Nachbarn akzeptieren würde, antworteten 71,9% der
Befragten, sie wollen keinen Zigeuner als Nachbarn, 38,2% keinen
Vietnamesen, ebenfalls 38,2% keinen Russen, 27,4% keinen Deutschen, 19,1%
keinen Juden und immerhin noch 3,5% keinen Slowaken. Interessant ist meiner
Meinung nach, die relativ hohe Abneigung gegen Russen und Deutsche, die sich
wohl historisch erklären läßt. Immerhin ist die Angst und der Haß für diese
ehemaligen Besatzer noch so hoch, daß antisemitische Ressentiments dahinter
zurückbleiben. Bestürzend bei der starken Ablehnung der Roma ist vor allem,
daß sie in allen Bevölkerungsschichten stecken muß, ansonsten wäre der
Prozentanteil niemals so hoch. Es ist hier also nicht der Fall, daß
hauptsächlich Anhänger politischer Extreme, sei es von links oder rechts,
oder ältere Menschen, die sich in der Befragung als weitaus weniger tolerant
erwiesen, dominant sind. Angehörige jeder Schicht hegen übelste Vorurteile
gegen Romas. Sehr bestürzend empfand ich ein Interview mit Ludvik Vaculik,
dem Autor der "2000 Worte", einem wichtigen Pamphlet des Prager Frühlings.
Selbst ein Mann, dem man aufgeklärtes Denken zuschreiben möchte, äußert sich
mit Vorurteilen und diskriminierenden Vorschlägen.
Noch verheerender werden die Zahlen
auf die Frage, ob man verschiedene Nicht-Tschechen als Schwiegersohn, bzw.
Schwiegertochter akzeptieren würde. Im Falle eines Romas verneinten 87,8%
der Befragten, bei einem Vietnamesen 85,8%, 61,6% würden keinen Russen
akzeptieren, 36,5% keinen Deutschen, 31,9% keinen Juden und 5,3% keinen
Slowaken.
Erstaunlich sind auch die Anteile bei
Slowaken, obwohl die beiden Völker eine längere gemeinsame Geschichte haben.
Das Wort Fremdenfeindlichkeit scheint hier fehl am Platz, da sich sowohl die
Kulturen als auch die Sprachen von Tschechen und Slowaken sehr ähnlich sind.
Die Prozentzahlen bei Juden erscheint gegenüber dem Wert bei Romas
verschwindend klein. Und doch waren nach einer bei Leon Volovici
aufgeführten Umfrage 24% der Befragten überzeugt, daß die Revolution von
1989 von Juden mit freimaurerischer Unterstützung organisiert worden war.
Ist also Antisemitismus verglichen mit Rassismus und Fremdenfeindlichkeit
doch nur ein marginales Problem in der Tschechischen Republik ?
7) Schlußgedanke
Abschließend muß ich feststellen, daß
es in der Tschechischen Republik durchaus offenen Antisemitismus gibt. Die
kleine Gruppe Juden, die heute nur noch neun Gemeinden bildet, fühlt sich
sicher und nicht direkt bedroht. Die liberale Presse steht auf ihrer Seite
und verurteilt alle antisemitischen Äußerungen und Handlungen. Und doch
sollte man das Problem nicht unterschätzen. Die Geschichte hat auch immer
wieder gezeigt, zu was es führen kann, wenn die antisemitischen
Ressentiments einen politischen Demagogen finden. Darum reagiert auch das
sensibilisierte westliche Bewußtsein eher auf eine Person wie Miroslav
Sladek, wenn er auch nur 14 Sitze im Parlament hat. Es gilt seine politische
Karriere sowie seinen potentiellen Prestigeanstieg klein zu halten. Die
Tschechische Republik hat im Gegensatz zu den anderen jungen Demokratien
Ost- und Mitteleuropas einen Präsidenten, der energisch gegen jede Form und
Andeutung von Antisemitismus kämpft und für die Rechte der jüdischen
Bevölkerung garantiert. So kam es beispielsweise zu einer Entschädigung der
Überlebenden des Holocaust durch den tschechischen Staat, da die
Bundesrepublik solche Zahlungen bisher verweigerte.
Antisemitismus ist also tatsächlich
ein marginales Problem in der Tschechischen Republik.
Ein ganz anderes Bild ergibt sich
allerdings bei Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Es wurde dargestellt, daß
in allen Bevölkerungsgruppen große Vorurteile gegen die Volksgruppe der Roma
herrschen. Neben der krassen Diskriminierung müssen die Roma um ihr Leben
bangen, da rechtsextreme und neonazistische Gruppen im Vormarsch sind. Der
junge Staat hat es bis jetzt nicht geschafft, die Gefahr, die von solchen
Skinheadgruppen ausgeht, zu dämmen. Sicherlich spielt auch die
Unerfahrenheit der tschechischen Gerichte eine nicht unerhebliche Rolle, daß
bisher relativ wenige rassistische Straftaten geahndet werden konnten. Auch
hier ist der besondere Einsatz Vaclav Havels gegen die Diskriminierung
hervorzuheben. So wurde beispielsweise im Mai letzten Jahres ein Mahnmal für
die Roma, die dem Holocaust zum Opfer fielen, in der Nähe von Lety enthüllt.
Havel sagte bei dieser Gelegenheit: "Das totalitäre Nazi-Regime hatte die
Roma fast ausgerottet und das totalitäre kommunistische Regime hat alles
Nötige getan, damit die Opfer vergessen wurden. (...) Wir kennen den
Schrecken, der aus dem Rassismus entsteht. Lassen wir nicht zu, daß sich das
noch mal ereignen kann!"
Es bleibt zu hoffen, daß die
Parlamentswahlen am 1. Juni ein deutliches Zeichen gegen jegliche
nationalistische Tendenzen setzen und die Position von Rechtsextremen wie
Sladek schwächen werden.
8) Verwendete Literatur
- Antisemitism World Report 1995:
Czech Republik, London 1995.
- Assor, Reuven: Israel kehrt nach
Prag zurück, In der Tschechoslowakei leben heute nur noch 12.000 Juden,
in: Tribüne, Zeitschrift zum Verständnis des Judentums, Heft 114, 1990.
- Bauer, Yehuda (Hrsg.): The
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- Berger, Natalia (Hrsg.): Wo sich
Kulturen begegnen. Die Geschichte der tschechoslowaki schen Juden, Prag
1992.
- Bettelheim, Peter/Prohinig,
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- Capek, Karel: Gespräche mit T.G.
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- Iggers, Wilma (Hrsg.): Die Juden
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- Jelinek, Yeshayahu A.:
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- Kestenberg-Gladstein, Ruth:
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(Schriftenreihe wissenschaftlicher Abhandlungen des Leo Baeck Instituts
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- Maderthaner,Wolfgang/Schafranek,
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- Schmidt-Hartmann, Eva: The
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- Serotta, Edward: Jüdisches Leben
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- Süddeutsche Zeitung v.
16.Februar 1996: "Sprachenstreit auf Prager Art".
- Süddeutsche Zeitung v.
22.Februar 1996: "Tschechisches Parlament lehnt Sprachengesetz ab".
- Süddeutsche Zeitung v. 6.April
1996: "Endlich der Atem der Verständigung".
- Süddeutsche Zeitung v. 17.April
1996: "Israel gedenkt der Opfer des Holocausts".
- Tritt, Rachel: Struggling for
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(A Helsinki Watch Report).
- Tschechen und Roma, Ist die
Demokratie für jedermann?, in: Osteuropa, Heft 11, November 1995.
- Tschechische Republik -
Grenzlandklubs gegen Germanisierung, in: Osteuropa, Heft 3, März 1995.
- Volovici, Leon: Antisemitism in
Post-Communist Eastern Europe: A Marginal or a Central Issue?, Jerusalem
1994 (acta-nr.5 of The Vidal Sassoon International Center for the Study
of Antisemitism).
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