Andrea Ehrlich
Antisemitismus, Rassismus
und Fremdenfeindlichkeit
in der Tschechischen Republik
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Einleitung
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Historischer Rückblick zum Antisemitismus
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Antisemitismus heute
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Historischer Rückblick zu Rassismus und Fremdenfeindlichkeit
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Rassismus und Fremdenfeindlichkeit heute
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Meinungsumfragen
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Schlußgedanke
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Verwendete Literatur
3)
Antisemitismus heute
Mit der samtenen
Revolution des Jahres 1989 aenderte sich vieles. Der Prager juedischen
Gemeinde gehoerten 1992 nur etwa 1.000 Mitglieder an, Tendenz steigend, in
der ganzen Tschechoslowakei waren es 3.000. Die Zahl der tatsaechlich in
Tschechien und der Slowakei lebenden Juden wird aber auf ueber 12.000
geschaetzt .
Die tschechische Presse
entdeckte, dass man von den Juden, ihrer Kultur und Tradition fast nichts
wusste. In der folgenden Zeit erschienen viele aufklaerende Artikel, die
Verdienste der Juden fuer die Tschechen wurde betont, die Schulen
unterrichten jetzt ueber den Holocaust. Die Presse zitiert oft Masaryks
Ausspruch, dass Antisemitismus nicht zu einer demokratischen Gesellschaft
gehoert. Die juedischen Gemeinden sind optimistisch und sehen ihre Chancen.
Eine grosse Zahl neuer Organisationen wurde gegruendet, darunter die Kafka
Gesellschaft, eine christlich-juedische Gesellschaft, B´nai B´rith und
Maccabi, die vor allem auch die Jugend ansprechen.
Trotz allem werden
einige antisemitische Buecher weiter verbreitet, vor allem ''Die Protokolle
der Weisen von Zion''. Auf verschiedenen Buchmessen wurden zahlreiche
Exemplare konfisziert, aber viele Buerger kritisierten die Behoerden dafuer,
da sie ihr wiedererworbenes Recht auf freie Meinungsaeusserung in Gefahr
sahen. Weiterhin bedenklich bleibt auch der Zustand der juedischen
Friedhoefe. Schon zu kommunistischen Zeiten kam es oft zu Verwuestungen,
Grabsteine wurden zerstoert oder gestohlen und an Steinmetze wiederverkauft.
Die Situation ist nicht besser geworden. Obwohl viele Zeitungen an das
Verantwortungsgefuehl der Tschechen apellieren, gibt es auch weiterhin
Vandalen, die die Graeber beschmieren und zerstoeren. Fred Hahn zitiert dazu
aus dem tschechischen `Reporter´: ''Legally these cemeteries and
synagogues belong to the Jewish community, but morally they belong to the
Czech people. Now, in the atmosphere of freedom, it is up to us whether they
will be forgotten or become a living heritage worthy of steady honor and
care.''
Im allgemeinen herrscht
nun allerdings keine antisemitische Stimmung. Von diesem Vandalismus
abgesehen, gibt es eher vereinzelt Organisationen, Personen oder Schriften,
die sich gegen die Juden richten. Neben vereinzelten Publikationen von
Hitlers ''Mein Kampf'' oder der ''Protokolle der Weisen von Zion'', wie oben
bereits erwaehnt, gibt es einige antisemitischen Zeitungen. Allen voran
steht die neonazistische Wochenzeitschrift ''Tydenik Politika'', die im
Dezember 1992 verboten wurde. Sie glaenzte durch Schlagzeilen wie: ''The
Influence of the Jews is Unbearable, We are a Colony of Tel-Aviv.'' Die
Zeitung, die deutlich den Stuermer imitierte, hatte eine Auflage von 5.000
Stueck und enthielt ebenfalls eine Liste mit antisemitischer Literatur, die
im Handel momentan erhaeltlich waren. Der Verband der juedischen Gemeinden
versuchte mehrmals dem Treiben ein Ende zu setzen und schrieb den Praesident
der Nationalversammlung an.
Im Dezember 1991 wurde ein neuer Paragraph ins Strafgesetzbuch eingefuegt:''Whoever
supports or propagates movements which demonstrably are directed toward the
suppressing of rights and the freedom of citizens or declare national,
racist, class, or religious hate (as for instance fascism or communism) will
be punished by loss of freedom from one to five years.'' . Trotzdem
dauerte es noch bis Juli 1992 bis der Herausgeber der ''Politika'' wegen
Verleumdung angeklagt wurde. Schliesslich wurde die Zeitung zur Aufgabe
gezwungen, nachdem eine Liste von 168 prominenten Juden, die im
tschechischen Zeitgeschehen von Einfluss waren, und entsprechende
Verleumdungen publiziert wurden. Seitdem gab es verschiedene Versuche, die
Zeitung zu ersetzen, so uebernahmen beispielsweise die monatlichen
''Pochoden dneska'' und ''Dnesek'' aus Brno die Themen der ''Politika'' .
Die Prager Zeitung ''Spigl'' schreibt besonders oft ueber angebliche
juedisch-freimaurerische Finanzverschwoerungen. Ebenfalls antisemitisches
Sprachrohr ist die Wochenzeitung ''Republiku'', das Parteiblatt der Sdruzeni
pro republiku - Republikanska strana Ceskoslovenska (SPR-RSC).
Die extrem rechte Partei erlangte bei den Parlamentswahlen im Juni 1992 6%
der Stimmen, was 14 Sitzen im Parlament entspricht . Der Vorsitzende
Miroslav Sladek greift vor allem Praesident Havel an und wettert gegen die
Romas und den deutschen Revanchismus. Bei den Kommunalwahlen im November
1995 konnte die Partei allerdings nur 3% erlangen, was ein gutes Ergebnis
bei den neuen Parlamentswahlen, die dieses Jahr am 1. Juni stattfinden
werden, fraglich macht.
4)
Historischer Rueckblick zu Rassismus und Fremdenfeindlichkeit
Die Tschechische
Republik hat eine lange Geschichte der Vielstaatlichkeit geerbt. Aus der
multinationalen Habsburger Monarchie war die multinationale Tschechoslowakei
hervorgegangen. Diese erste Republik, die nach dem ersten Weltkrieg in
Versailles erschaffen wurden, war zwar''not a ''Prison of Nations'', but
nonetheless a state of many nationalities'' . Nationale Konflikte
spielten auch keine unerhebliche Rolle bei dem Niedergang der
Masaryk-Republik.
Nach dem zweiten Weltkrieg sollte daher ein Staat aus Tschechen und Slowaken
gebildet werden, andere ethnische Gruppen waren unerwuenscht. So kam es zur
Vertreibung der Deutschen und Ungaren. Trotz allem war die kommunistische
Tschechoslowakei weiterhin Heimat fuer viele verschiedene Minderheiten.
Neben Tschechen und Slowaken zaehlte man Maehren, Ungarn, Romas, Polen,
Deutsche, Schlesier und Ukrainer. Die Tschechische Republik hat diese
Aufteilungen zum grossen Teil geerbt, so dass sich fuer das Jahr 1995
folgende Aufteilung der Bevoelkerung ergibt: 94,4% Tschechen, 3% Slowaken,
0,6% Polen, 0,5% Deutsche, 0,3% Romas und 0,2% Ungarn .
Der schlimmsten
Diskriminierung war seit ihrem Erscheinen in den tschechischen Laendern im
15. Jahrhundert die Volksgruppe der Roma ausgesetzt . Den wandernden
''Zigeunern'' wurde verboten, in den Staedten Halt zu machen, man verkaufte
ihnen keine Lebensmittel und untersagte ihnen sogar, aus den Brunnen, Wasser
zu schoepfen. Die Situation wurde so ausweglos, dass die Roma gezwungen
wurden, fuer ihr Überleben zu stehlen. Somit wurde durch diese fruehe
Diskriminierung im Mittelalter ein Stereotyp geformt, dass leider bis heute
anhaelt. Noch heute wird allen Zigeunern nachgesagt, dass sie stehlen wie
die Raben.
Eine erste Gesetzgebung
zur Einschraenkung der Romas gab es bereits 1541. In der Regierungsperiode
Leopolds I. kam es zu einer Vertreibung aller Roma aus dem Habsburger Reich,
entlang der tschechischen Grenzen wurden tote Romas aufgehaengt, um andere
abzuschrekken. Maria Theresia schlug dagegen eine harte Assimilationspolitik
an, die den Roma ihre eigene Sprache, Tracht, ihren Fuehrer und ihren
Hauptberuf, den Pferdehandel verbot. Auch in der humanen ersten Republik
hoerte die Diskriminierung nicht auf. Die Roma wurden zwar als eine
eigenstaendige ethnische Minderheit anerkannt, doch die buerokratischen
Schikanen wurden weiter verschaerft, was das Bild des kriminellen Roma,
dessen Wege staendig kontrolliert werden muessen, noch vertiefte.
Im zweiten Weltkrieg
erlitten die tschechischen Roma dasselbe Schicksal wie die deutschen Sinti
und Roma. In Lety bei Prag wurde ein Konzentrationslager fuer Roma
eingerichtet, 1943 wurden die Insassen zur Liquidierung nach Auschwitz
geschickt.
Nach der kommunistischen
Machtuebernahme 1948 wurde erneut eine harte Assimilationspolitik
betrieben. Die Roma wurden nicht als ethnische Minderheit anerkannt, so
wurden wiederum ihre Sprache, ihre nomadische Lebensgewohnheit und ihre
Siedlungen verboten. Um die Population zu verringern, wurden Frauen oft ohne
ihr Wissen oder fuer Geld, ihre schlechte wirtschaftliche Situation
ausnutzend, sterilisiert. Kinder wurden ihren Eltern weggenommen, um sie
''anstaendig'' zu erziehen.
Nach der samtenen
Revolution, wo Romas mit Nicht-Roma Seite an Seite fuer ihre Freiheit
demonstrierten, wurde die Romani Civic Initiative Party (ROI) gegruendet. So
wurden Romas fuer ROI, aber auch fuer Civic Forum oder die kommunistische
Partei Abgeordnete und Abgesandte. Schliesslich wurde die Roma im neuen
tschechoslowakischen Staat als ethnische Minderheit mit denselben Rechten
anerkannt. Trotzdem nun also die gesetzliche Diskriminierung abgeschafft
wurde, bleiben Romas auch heute noch das erste Ziel rassistischer Angriffe.
5) Rassismus
und Fremdenfeindlichkeit heute
Nach der samtenen
Revolution von 1989 war, wie bereits schon 1968, ein neuer Partikularismus
erwacht. Positiv ist zu betrachten, dass ein Gesetzesentwurf der
Kommunisten, der Tschechisch als Staatssprache erklaeren wollte, mit grosser
Mehrheit ablehnte wurde. Ministerpraesident Klaus ''argumentiert(e), sein
Land habe es nicht noetig, nationalistische Untertoene in die Gesetzgebung
einzubringen.''
Besonders aktuell bis in
die heutigen Tage ist das Problem der Vertreibung der Sudetendeutschen. Erst
in den letzten Wochen, nach einigen diplomatischen Schwierigkeiten bahnt
sich ein Ausgleich an, der endlich eine Abschlusserklaerung der beiden
Regierungen herbeifuehren koennte . Trotzdem ist in einigen Teilen der
Bevoelkerung die Abneigung gegen Deutsche noch immer gross. So haben sich
seit 1991 beispielsweise verschiedene Klubs an der deutsch-tschechischen
Grenze gegruendet, die einer offenen oder versteckten Germanisierung
entgegentreten wollen . Wenn diese Grenzlandklubs auch keine taetlichen
Angriffe gegen Deutsche verueben, so stimmt doch die Zahl der Mitglieder von
10.000 durchaus bedenklich. Die Klubs haben ein eigenes Presseorgan und
publizieren alle zwei Wochen eine Seite im ''Spigl''. Problematisch ist auch
der Umgang mit sehr kleinen Gruppen, darunter vor allem Vietnamesen, die
noch zu kommunistischen Zeiten als Arbeitskraefte geholt, aber nicht mehr
abgeschoben worden waren. Der oeffentliche Unmut richtet sich auch gegen
andere Asiaten, Araber und Afrikaner.
Rassistische Übergriffe
und Diskriminierung richten sich heute in einem grossen Masse gegen Romas,
deren Anzahl in Tschechien auf ca. 300.000 geschaetzt wird. 1992 wurde ein
Passus in das Staatsbuergerschaftsrecht eingefuegt, wonach nur Personen, die
in den letzten fuenf Jahren keine Straftaten begangen haben, die
tschechische Staatsbuergerschaft erhalten koennen. Dabei ist offensichtlich
noch nicht geklaert, welche Straftaten damit gemeint sind. Wuerden
beispielsweise auch Verstoesse gegen die Meldepflicht als solche zaehlen,
muesste jedem dritte Roma die Staatsbuergerschaft verweigert werden.
Durch die schlechte
Wohnungssituation in Industriezentren wie Nordboehmen tauchen viele
Neuankoemmlinge aus der Slowakei zunaechst bei Verwandten unter. So kommt
es, dass teilweise bis zu 20 Personen in einer Zweizimmerwohnung ohne Dusche
hausen . Viele Stadtverwaltungen denken darueber nach, ob eigene Siedlungen
fuer Roma gebaut werden sollen, was angeblich deren Wohnungssituation
verbessern wuerde, tatsaechlich aber einem modernen Ghetto entsprechen
wuerden. Noch schlimmer werden die Roma in der Ausbildung diskriminiert.
Obwohl die Roma nur einen Bevoelkerungsanteil von etwa 2-5% ausmachen,
stellen sie auf Schulen fuer geistig Behinderte 30%. Dieses Problem ist sehr
komplex.
Einerseits werden die Kinder von Roma von den Lehrern oft benachteiligt, so
dass sie den Anschluss verlieren und die Schule verlassen muessen.
Andererseits haben sie oft eine grosse Sprachbarriere zu ueberwinden, vor
allem Kinder von Einwanderern aus der Slowakei. Und schliesslich wollen
viele Kinder von vornherein auf die Sonderschule, da ihre ganzen Freunde
dort sind. Die Aufzaehlung der Diskriminierung liesse sich weit fortsetzen,
sei es im Zugang zu Restaurants und Diskotheken, oeffentlichen
Verkehrsmitteln oder im Umgang mit Behoerden und Polizei. Leider bleibt es
nicht nur dabei, Gewalttaten gegen Roma nehmen staendig zu.
Das Innenministerium beziffert die Zahl der rassistisch motivierten
Straftaten von Januar 1993 bis Mitte 1994 mit 450 . Davon wurde ein
Grossteil in Prag begangen. Opfer der Übergriffe waren in den meisten
Faellen Romas oder Personen, die irrtuemlich fuer Romas gehalten wurden. Die
Straftaeter waren vor allem Skinheads, deren Brutalitaet staendig ansteigt.
Die erste rassistische Straftat nach der samtenen Revolution wurde 1990 in
Pilsen von einem Skinhead, der einen Tuerken erstach, begangen. 1991 mussten
schon fuenf Todesfaelle verzeichnet werden, alle Romas, darunter auch ein
7-jaehriger Junge, der auf dem Spielplatz von einem Skinhead erdrosselt
wurde. 1993 fielen ebenfalls fuenf Menschen dem Skinheadterror zum Opfer,
dabei auch zwei Nicht-Roma, die zu Hilfe kommen wollten und erschlagen
wurden.
Schliesslich brachen Skinheads im Mai 1995 in das Haus einer Roma-Familie
ein und erschlugen den Vater vor den Augen seiner fuenf Kinder mit einem
Baseballschlaeger. Erst jetzt reagierte die Regierung mit der Überpruefung
der Registrierung einiger fraglicher Organisationen. Zudem wurde das
Strafmass fuer rassistisch motivierte Straftaten erhoeht. Die Bewegung der
Skinheads besteht aus 13 tschechischen und zwei internationalen
Organisationen, darunter beispielsweise die `Patriotische Liga´ oder die
sehr militante Bewegung `Hammerskins´. Neben diversen Musikbands, die ihre
Baender schwarz verkaufen und so klangvolle Namen wie `Legion des Hasses´,
`Diktator´ oder `Bulldog´ haben, erscheinen etwa zehn offiziell nicht
registrierte Zeitungen, darunter vor allem der `Arische Kampf´, der Juden
und Schwarze vehement angreift. In den letzten fuenf Jahren wurden insgesamt
225 Personen wegen rassistisch motivierter Straftaten vor Gericht gefuehrt.
Naechster Teil (Kap. 6: ''Meinungsumfragen'')
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